Saturninus hatte vor, sich zumindest blicken lassen. Auch wenn ihm auf Grund der Umstände nicht nach Feiern zu Mute war. Doch sein Fehlen wäre aufgefallen, und man hätte sich gefragt, ob die ewige Konkurrenz zwischen Zivil- und Stadtverwaltung in eine
"heiße Phase" getreten war. Dabei hatte Saturninus nichts gegen den Bürgermeister Vergilius Capito (eher gegen seinen Kollegen, dessen hochmütiger Sohn
Kiki den Hof machte)
Die Sänfte hatte Saturninus seidene Tunika vor Wasserflecken bewahrt, als er ausstieg und sich unter einem Baldachin ins Trockene führen ließ. Dort zogen ihm Sklaven die Straßenschuhe aus, und sie wurden gegen bequemes Schuhwerk gewechselt, zwei hübsche rotlockige Knaben übergossen ihm die Hände mit Rosenwasser und ein dritter, der Haare bis zum Po hatte, forderte ihn auf, sich an eben jenem Haar die Hände zu trocknen. Das alles war vor etwa fünfzehn Jahre in Rom
modern gewesen. Man passte sich immer dem Kaiser an, und Vespasian mochte im Gegensatz zum exaltierten Vorgänger Nero keinen Schnickschnack.
" Wirklich sehr schön bei dir, werter Vergilius Capito", bemerkte Saturninus dem Gastgeber gegenüber. Er vermisste jemanden, mit dem er hätte ironische Blicke austauschen können. Vielleicht war Kiki auch hier. Es gab viele freizügig gekleidete Sklavinnen, offensichtliche Prostituierte, die man an ihren hohen Absätzen erkannte und einige Hetären beiderlei Geschlechts, auch das ein Zeichen dafür, dass das eher ein Fest werden sollte, bei dem die Ehefrauen nicht mitkamen.
"Ich freue mich darüber, dich in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen, edler Furius Saturninus. Später sollst du meine Tänzerinnen aus Gades (Cadiz) erleben. Die bewegen die Hüften, dass es mir schon vom Anschauen schwindelig wird", begrüßte ihn Capito und winkte zwei junge Frauen her, die mit kurzen Chitons und falschen Löwenfellen über den bloßen Schultern wohl Bacchantinnen darstellen sollten:
" Bernsteinfarbener Falerner gefällig? Oder lieber dieses süffige Weinchen aus der Heimat der Albaner Berge, so rot wie Rubin?", er gab einer der Dienerinnen einen Kuss auf die Schulter:
"Diese Grazien hier habe ich auch aus Gades mitgebracht. Wenn sie dir gefallen - ich bin weder pedantisch noch geizig"
Ein Junge mit einer gewissen schläfrigen Schönheit gesegnet trat zu ihm hin. Er trug eine Silberplatte mit Speisen, die man aus der Hand naschen konnte, darunter Datteln und Feigen. Saturninus wollte zugreifen, da fing der Junge an, zu singen:
"Nunc est bibendum, nunc pede libero...."
"Das ist mein kleiner Kallon. Singt er nicht herrlich?", sagte der Bürgermeister und tätschelte dem Jüngling die Wange.
Saturninus nickte, obgleich ihm vor Schreck fast eine Dattel aus der Hand gefallen war:
"Ein wirkliches Talent" , bemerkte er.
Dann kamen weitere Gäste, die ihn begrüßten und mit denen er einige Worte wechselte. So bewegte er sich durch den Raum, bis er ein Grüppchen von Herren bemerkte, das sich um einen goldhaarigen Hetären gescharrt hatte und in Gelächter ausbrach. Narcissus, denn das war Narcissus aus dem Hause des Roten Mondes, hatte offensichtlich etwas Spaßiges gesagt. Der hatte ihm zu seinem Glück gerade noch gefehlt; Saturninus war nicht gut auf den jungen Mann zu sprechen.