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Normale Version: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
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Ihr kamen die Tränen vor lauter Freude, dass er es wirklich war. Sie strahlte über das ganze Gesicht und hoffte, er würde sich sofort auf sie stürzen und in seine Arme schließen. Dabei war es ihr vollkommen gleich, dass er voller blauer Farbe  und rotem Blut war. Louarn aber stoppte nach zwei Schritten, als gäbe es etwas, was ihn daran hinderte, sich Niamh weiter zu näher. Ein wenig ihres Lächeln wich einem fragenden Blick, was mit ihm los war. Aber ja, sie erinnerte sich. Er wollte weiterhin auf Distanz bleiben. Selbst jetzt, da er im Begriff war, sie zu retten?

Von untern nahm man noch vereinzelte Schreie war. Louarn erklärte mit belegter Stimme, dass er und seine Brüder extra wegen ihr gekommen waren, um sie zu befreien. Sie waren alle gekommen? Auch Dunduvan? Die Begegnung mit ihm würde peinlich werden. Sie konnte sich immer noch nicht erklären, wieso es an Beltane so weit gekommen war. Aber auch er war gekommen, um ihr zu helfen!
Louarn kam noch etwas näher. Aber noch immer scheute er sich davor, sie in seine Arme zu nehmen, wie sie es sich so sehr gewünscht hatte. Stattdessen begann er sich zu entschuldigen, dass er nicht bei ihr gewesen war und dass so Erwans Häscher sie entführen konnten. Doch Niamh schüttelte den Kopf. "Du kannst nichts dafür! Sie hatten sich unter die Feiernden des Baltanefestes gemischt. Niemand hätte sie frühzeitig ausmachen können." antwortete Niamh. "Wichtig ist nur, dass du jetzt hier bist!" Louarn meinte aber, dass seine Brüder und er noch nicht alles erledigt hatten. Auch Erwan sollte heute noch den Tod finden. Er und alle, die mit ihm unterwegs waren. Niamh nickte zustimmend. "Ja, das ist gut! Das hat er verdient!" Keiner von ihnen sollte davonkommen! Erwan sollte nie wieder jemanden aus ihrer Heimat entführen, so wie er es mit Diernas Schwester getan hatte.
Wenn sie nun gehofft hatte, er würde sie nun endlich küssen, wurde sie herb enttäuscht, denn er redete und redete und wollte gar nicht mehr aufhören. Er versprach ihr, er wolle ihr alles erzählen und keine Geheimnisse mehr vor ihr haben. Sie konnte sich nicht vorstellen, was dieses Geheimnis war. Doch sie würde sich gespannt in Geduld üben. Vorerst überreichte er ihr einen Dolch, mit dem sie sich notfalls verteidigen konnte. Nachdenklich nahm sie ihn und beäugte ihn mit einem finsteren Blick. Wenn sie diesen Dolch in das Fleisch ihrer Peiniger bohren könnte. Corax und die beiden anderen Sklaven. Die drei waren über sie hergefallen und hatten sie geschändet. Sie atmete tief durch und sah dann wieder zu Louarn.
"Willst du mich denn nicht endlich umarmen?" fragte sie ihn ungeduldig. Fast klang ihre Stimme schon etwas traurig. Denn auch wenn er hier war, war er doch ganz weit weg, wenn er sich davor fürchtete, sie anzufassen.
Ein Laut zwischen Keuchen und Stöhnen kam leise aus meiner Kehle, als sie fragte, ob ich sie endlich umarmen wollte. Verdammt, ich wollte, ich wollte so viel mehr, als sie sich vorstellen konnte. Auch jetzt noch, obwohl ich wusste, obwohl ich gesehen hatte, wie sie in Dunduvans Armen gelegen hatte. Obwohl sie mir gesagt hatte, dass ich mich fernhalten sollte. Obwohl ich wusste, dass ich sie freigeben sollte.
Und trotzdem stand ich auf einmal noch näher bei ihr und berührte den Rand ihres Gesichtes mit blutigen Fingerspitzen. Sie war so hell und rein und zart wie die Blüte eines Gänseblümchens, und ich war absolut nichts davon. “Ich bin voller Blut“, wandte ich ein, und trotzdem neigte sich mein verdammter, dummer Kopf ihr zu, bis ich ihren süßen Atem auf meinen Lippen fühlen konnte. Auf die Sekunde, die ich es so aushielt, war ich echt stolz, aber verdammt, ich war auch nur ein Kerl. Auch wenn es falsch war, meine Lippen landeten auf ihren und meine Hand irgendwie in ihrem Haar. Die andere, noch mit der Axt darin, landete in ihrem Rücken und zog sie an mich, bis sie verdammt noch mal fühlen konnte, was ich grade eindeutig sowas von nicht fühlen sollte und ihr Kleid vermutlich gänzlich ruiniert war. Aber die Art, wie ihr Körper sich an meinen anfügte und ihr Mund sich meinem öffnete, sagte mir, dass sie zumindest im Moment nicht allzu viele Einwände dagegen hatte.

Trotzdem riss ich mich nach einem viel zu langen Moment los. Sie hatte umarmen gesagt, nicht küssen und mich dabei halb auffressen. Ich atmete schwer und versuchte, meine Erregung wieder in die Schranken zu verweisen. “Tut mir leid. Ich… Die anderen sind unten. Fühlst du dich stark genug, mit runter zu kommen, oder willst du lieber hier bleiben, bis… bis alles vorbei ist.“ Ich wusste nicht, wie sehr der Wunsch nach Rache in ihr brannte und ob sie mit ansehen wollte, wie Erwan starb, oder lieber nicht. Manche Mädchen waren da feinfühliger als andere. Außerdem lenkte mich diese Frage von meinen Gefühlen ab.
Endlich berührte er sie! Auch wenn es zunächst nur seine Fingerspitzen waren, die den Rand ihres Gesichtes berührten und er sie warnte, er sei voller Blut. Es war das Blut von Erwans Sklaven, die Louarn getötet hatte, um sie befreien zu können. Sicher waren auch Unschuldige unter ihnen gewesen. Doch es durfte niemand lebend davon kommen!

"Das macht nichts!" flüsterte sie ihm zu, denn sie sehnte sich nach seiner Umarmung. Louran ging es genauso, denn er konnte sich nicht lange zurückhalten. Er küsste sie, fuhr mit seiner freien Hand durch ihr Haar und mit der anderen, die immer noch die blutverschmierte Axt hielt, legte er ihr in den Rücken und zog sie an sich.
Sie seufzte leise als sich ihre Münder trafen, dann schmiegte sich an ihn, denn ganz gleich, was alles passiert war, hegte sie doch immer noch Gefühle für ihn. Ihm hatte sie ihre Jungfräulichkeit geschenkt, auch wenn er nicht für sie empfunden hatte, wie er ihr damals zu verstehen gegeben hatte. Dieser Moment hätte ewig dauern können. Doch leider riss er sich plötzlich von ihr los. Niamh schaute ihn überrascht an, denn diese Trennung war doch zu sehr unerwartet gekommen. Aber ja, sie verstand. Seine Brüder kämpften unten noch. Er konnte sie nicht im Stich lassen!

"Nein, ich komme mit hinunter!" antwortete sie Louarn. "Ich will sehen, wie er stirbt und ich will sehen, ob Corax,  Brigo und dieses andere Schwein schon tot sind." Ihre Stimme klang verbittert, denn Erwans Sklaven hatten ihr furchtbare Dinge angetan, die unverzeihlich waren.
Niamh klammerte sich an Louarns Arm, denn sie war noch nicht ganz sicher auf ihren Beinen. Ihr Gesicht und ihr Kleid waren inzwischen mit blauer Farbe und mit Blut verschmiert. Aber das machte ihr nichts aus. Es waren die Farben ihrer Freiheit!
(07-17-2023, 10:12 PM)Ciaran schrieb: [ -> ]Ich lachte in mich hinein, als quasi unisono mein Schweigen gefordert wurde. Sie waren alle immer so empfindlich. Dabei ging es um die zweitschönste Nebensache der Welt. Manchmal glaubte ich, dass die anderen Falken allesamt frigide und verklemmt waren, außer meinem Bruder natürlich. Was natürlich auch seine Vorteile hatte, denn so konnte man sie leicht ärgern.

Louarn verschwand also als erstes in dem Loch. Ich fand es etwas beleidigend, denn mal ehrlich, man brauchte kaum Muskelkraft oder Geschick, wenn man jemanden töten wollte. Menschliche Körper waren so zerbrechlich. Es gab so verdammt viele Möglichkeiten, ein Leben zu beenden, dass es mir häufig schwer fiel, mich für nur eine einzige davon zu entscheiden, wo andere so viel Spaß machten.
Ich zählte im Geiste gerade meine liebsten Methoden auf, als der Pfiff erfolgte und wir anderen wie brave, kleine Kaninchen auch endlich in den Bau durften.
Unten angekommen sah ich als erstes zwei Leichen. Ein Kerl und ein Mädchen, dem Louarn den Kopf gespalten hatte. Knochen war gesplittert, und ihr einst blondes Haar war nun rot, ihre Kleidung ertrank im Blut. Ich konnte tief in ihren Kopf sehen. Ich war hypnotisiert von dem Anblick. Es war wunderschön. Scheiße, auch wenn ich vorhin erst das Mädchen gehabt hatte, das Cinead uns besorgt hatte, ich merkte, wie sich gerade eindeutig bei mir etwas regte. Nur zog Alun sie aus meinem Blick! Ich musste mich beherrschen, ihn deshalb nicht anzufahren. Aber wir waren wegen etwas anderem hier, und ich durfte andere Falken nicht töten.

Ich riss mich los und streckte mich einmal ausführlich, so dass die Schultern knackten. Dann zog ich leicht ein Messer und ließ es in der Hand tanzen. Louarn wollte los, Niamh suchen, und wir sollten uns um das Erdgeschoss kümmern. Ich grinste. Ich war in der Stimmung
“Na, wer von euch hat Hunger?“, fragte ich die anderen Falken und lief fröhlich los in Richtung Küche. Dort würde ich gleich sehr viel Spaß haben. Und das beste daran war: Meine Messer töteten nicht (zumindest nicht, wenn ich sie nicht in jemanden hineinrammte), sondern das aufgetragene Gift lähmten die getroffenen nur innerhalb von wenigen Herzschlägen, so dass sie weder schreien, noch weglaufen konnten, aber noch alles mitbekamen. Und ich hatte vor, diesen Umstand für ein wenig… Feldforschung auszunutzen.

Ich war nicht mit Ciaran in die Küche gegangen. Stattdessen hatte ich mich weiter in den anderen Wirtschaftsräumen umgesehen. Als ich das Knarren einer Tür hörte, war ich dem Geräusch gefolgt. Ich bog um eine Ecke ab und gelangte in einen Gang, in dem sich vier Türen befanden. Jede einzelne Tür öffnete ich vorsichtig, um nachzuschauen, ob sich noch jemand in dem dahinterliegenden Raum befand. In den ersten drei Räumen war niemand. Also musste im vierten Raum jemand Zuflucht gesucht haben!

Mit einer Öllampe, die ich mir mitgenommen hatte, leuchtete ich den Raum aus. Es war ein Vorratsraum, in dem verschiedene Stoffe und Wolle gelagert waren. Als ich weiter hinein in den Raum ging, fiel mir plötzlich ein Wimmern auf. Ich leuchtete in die Ecke, aus der es gekommen war. Dort fand ich schließlich eine zusammengekauerte junge Frau, die mich mit geweiteten ängstlichen Augen anschaute und mich mit weinerlicher Stimme anflehte, sie zu verschonen.

Verdammt! Warum musste ausgerechnet mir so etwas passieren! Ich atmete einmal tief ein und aus und steckte dann mein Messer in meinen Gürtel. "Komm, hab keine Angst! Ich tu dir nichts." sagte ich zu ihr und hoffte, sie würde etwas Zutrauen finden und herauskommen. Aber für sie musste ich furchterregend aussehen, mit der blauen Farbe, die mein Gesicht zierte. Ich streckte ihr schließlich meine Hand entgegen. Tatsächlich ergriff sie sie sogar ein paar Herzschläge später.  Ich zog sie zu mir, stellte die Öllampe auf einem Regal ab. Was sie nicht bemerkt hatte, ich hatte mit meiner freien Hand wieder das Messer aus meinem Gürtel gezogen.

Eine gewisse Art der Erleichterung musste die junge Frau nun erfasst haben, denn sie lächelte mir dankbar zu. Ich zog sie weiter an mich und umarmte sie. Das schien ihr zu gefallen. Ein schöner Tod, wie ich mir selbst gut zuredete, als die mit Gift präparierte Klinge ihren Oberarm einritzte. 
Wie immer war auf Ciaran Verlass! Das Gift wirkte sofort. Die junge Frau wirkte leblos in meinen Armen. Nun war nur noch eins zu tun. Ich schnitt ihr die Kehle durch. Ihr warmes Blut ergoss sich im Augenblick ihres Todes über meine Tunika. Dann ließ ich sie zu Boden sinken. Hier konnte sie bleiben. Niemand würde sie hier so schnell finden.
Ich verließ den Raum, schloss die Tür hinter mir und suchte meine Brüder.
“Dieses Schwein? Wen meinst du und was hat er getan?“ fragte ich, weil so viel Verachtung aus ihrer Stimme troff, dass ich fragen musste, auch wenn ich nicht sicher war, ob ich wirklich wissen wollte, wovon sie sprach.
Ich nickte, als sie sagte, sie wolle mit hinunter. Noch immer versuchte ich, meine Gedanken irgendwie zu ordnen und dabei vor allen Dingen nicht an die Dinge zu denken, an die ich eben gedacht hatte. Sie liebte einen anderen, verdammt noch eins! Egal, wie sie sich gerade in meinen Armen angefühlt hatte. Es war nicht mein Name, den Ciarans Zaubertrank sie hatte hauchen lassen. Und selbst, wenn es so gewesen wäre, hatte es keine Zukunft. Wenn ich ihr gesagt hatte, wer ich wirklich war, würde sie es verstehen. Und mich noch weniger wollen als sowieso schon. Das wusste ich.
Trotzdem griff ich ihre Hand, als sie sich an meinem Arm festhielt, und ging so mit ihr wieder hinaus auf die Balustrade um den Garten. Sie war etwas wackelig auf den Beinen, wie ich schon merkte, also ging ich langsam. Zum Glück war ihr Zimmer das letzte hier oben gewesen, so dass ich jetzt nicht noch andere Räume durchsuchen musste. Vor uns war die zerstörte Balustrade und das Durcheinander, das ich mit den Tontöpfen angerichtet hatte. Ich schaute kurz zu Niamh, die keine vernünftigen Schuhe anhatte. Wozu auch? Sie war ja in ein Zimmer gesperrt gewesen.
“Warte, ich helfe dir“, meinte ich und nahm sie auf die Arme. Sie wog nicht mehr als ein Rehkitz und ihr Haar roch wieder nach Blumen, was mich ganz bescheuert im Kopf machte. Ich sollte nicht darüber nachdenken. “Ich habe von dir geträumt. Zwei Mal“, erzählte ich ihr, weil ich etwas sagen musste, um mich abzulenken. Ich stieg über die Scherben hinweg und trug sie weiter, vorbei an der Leiche der älteren Frau, die ich im Vorbeigehen erschlagen hatte. Ihre Augen waren noch immer ungläubig weit geöffnet, und der Boden war rutschig von ihrem Blut. “Das erste Mal warst du an einem dunklen Ort voller Ketten. Ich dachte, es war nur ein Traum. Beim zweiten Mal warst du hier oben. Ich habe mich zu dir ins Bett gelegt und über deinen schlaf gewacht“, erzählte ich weiter. Keine Ahnung, was ich mir davon erhoffte. Sie würde es wohl kaum gemerkt haben.
Dann trug ich Niamh die Treppe hinunter. Damit sie nicht stolperte und ausrutschte, sagte ich mir. Erst unten ließ ich sie wieder auf den Boden hinab, und es fühlte sich komisch an. Aber ich musste jetzt meinen Brüdern helfen und nicht hier kuscheln. Das lenkte mich ab.
“Sei vorsichtig, und wenn noch jemand leben sollte, bleib hinter mir“, wies ich sie an und ging dann vorsichtig vor, jetzt wieder die Äxte in den Händen, und sah mich aufmerksam um. Aber ich sah und hörte nichts weiter. Oder das stimmte nicht ganz. Ich sah Ciaran, der verdammt gut gelaunt und ebenso blutig im Atrium stand und einen Apfel aß, und sich offenbar mit Dunduvan unterhielt. Ich wollte lieber gar nicht wissen, was er getan hatte.
Ich gab einen leisen Pfiff von mir, so dass sie mich bemerkten. “Ich habe Niamh. Steht hier unten noch was?“ fragte ich also, ob sie hier unten schon fertig waren, oder ob noch etwas für mich zu tun war. “Und die anderen?“ erkundigte ich mich natürlich nach meinen Brüdern. Ich hoffte, dass niemand verletzt war.
Die Domus war erst einmal gesichert. Alle, die hätten Alarm schlagen können, waren... zumindest dazu nicht mehr in der Lage. Dunduvan ignorierte den Apfel in Ciarans blutiger Hand: "Zur Küche geht es dorthin?", fragte er und zeigte hinter ihn. Aber es war nur eine rhetorische Frage. Er trat ein und ignorierte ebenso die Toten oder die, die wie tot waren, aber dann erblickte er das Kunstwerk auf dem Küchentisch und überlegte, ob Cathbad sich nicht übernahm, wenn er behauptete, dass er die Zwillinge im Griff hatte. Wer das getan hatte, wurde durch nichts mehr gezügelt, dachte Dunduvan. Vielleicht musste, wenn alle Schlachten geschlagen waren und das Imperium fiel, auch Ciaran fallen. Er schnappte sich ein Schlachtermesser und einen Topf und stieg über zwei, drei Körper, bevor er zurück zu seinem getöteten Nubier ging. Sorgfältig säbelte er seinen Kopf ab, und ließ das herausquellende Blut in den Topf laufen. Dann deckte er die Leiche wieder zu. Den Kopf steckte er in seinen Beutel, da er keine Blutspuren hinterlassen wollte.
Vom Atrium her hörte er Niamhs helle Stimme. Sie lebte. Sie war bei Louarn. Sie würde nie anderswo sein als bei Louarn.
Dunduvan kehrte zurück und schwenkte seinen Beutel etwas hin und her, so dass einige schwarze Locken daraus hervorquollen.
"Haben wir sie alle?", zischte er. Aber er ging davon aus, dass die Brüder keinen der anwesenden Feinde  entkommen hatten lassen. Dieses Haus war jetzt eine Gruft. Zu ihrem Glück fehlte nur noch der Gallier. 
Dunduvan nickte Louarn zu. Niamh beachtete er nicht. Er wollte nicht noch einmal Cathbads Stimme in seinem Schädel hören: Niamh muss gehen.  Dunduvans dunkle Augen lagen wie zwei schwarze Höhlen in seinem blassen Gesicht: "Erwans Kopf ist dein", sagte er zu Louarn  Dann aber würde er Louarn nichts mehr schuldig sein.
Ich nickte, als Dunduvan warum auch immer nach der Küche fragte. “Ich würde da aber nicht reingehen“, gab ich ihm auf dem Weg mit, aber zu spät. Dunduvan ging schon rein. Ich zuckte die Schultern. Vermutlich würde er die Schönheit meines Handelns nicht begreifen können. Ich hatte noch nie einen Menschen getroffen, der es wirklich verstanden hätte. Es war schwierig, einen menschlichen Körper so hinzurichten, sehr viel schwieriger, als die meisten Menschen wohl dachten. Sie starben so schnell, brachen so schnell. Die meisten Menschen dachten, dass das einfach nur irgendetwas wäre, was man aus einem Trieb heraus tat, ohne Sinn und verstand, aber dem war nicht so. Es brauchte Zeit, um gut zu werden, und viel Geschick, um perfekt zu werden. Ich fragte mich, ob ich irgendwann einmal jemanden treffen würde, der es sehen konnte.

Nun, Dunduvan kam wieder heraus und sagte nichts und fing recht grob an, den Kopf seiner Beute abzusäbeln. Ich verzog etwas angewidert den Mund. Nicht, weil mir das Köpfen missfiel, aber er machte es so… so… plump. Vielleicht sollte ich ihm irgendwann mal zeigen, wie man es effektiv machte, ohne dass man dabei so viel Gewebe verletzte. Aber das gehörte wahrscheinlich zu den Dingen, von denen Cinead gesagt hatte, dass ich sie besser für mich behalten sollte. Also folgte ein weiteres Achselzucken und ich aß meinen Apfel weiter.
Louarn kam auch, mit seinem verletzten Vögelchen im Schlepptau. Sie schien irgendwie… kaputt? Sie war zwar schon immer zart gewesen, aber sie wirkte blass und ihre Schritte waren ungenau. Irgendwas stand in ihren Augen, das ich nicht deuten konnte. Abgesehen davon war sie mit Blut und blauer Farbe beschmiert und ihre Lippen wirkten geschwollen. Ich legte den Kopf schief und beobachtete sie. Keine Ahnung, was sie hatte, dass die anderen Falken so verrückt machte. Vielleicht sollte ich ihr doch einmal unter die Haut blicken, um es herauszufinden. Aber nein, das würde Probleme machen. Ich würde warten müssen.
“Ist dein Vögelchen kaputt?“ fragte ich Louarn, fing mir dafür einen wütenden Blick ein und wandte mich wieder ihr zu. Ich griff zu meinen Gefäßen am Gürtel und suchte ein wenig hier und da mit spitzen Fingern. Ich zog ein paar Kräuter heraus: Hirtentäschel, Süßholzwurzel, Ephedra (die ich irgendwann mal einem Händler abgenommen hatte), ein Goldregensamen, Thymian… ich legte es auf meine blutige Hand und betrachtete die Mischung einen Augenblick lang und überlegte. Dann hielt ich sie Niamh einfach hin. “Zermahlen und ein wenig davon kauen“, sagte ich nur. Mir war klar, was es bewirken würde und sollte, aber ich merkte mal wieder, dass der Rest der Welt einfach zu langsam dachte. “Es stärkt, für ein oder zwei Stunden. Ich habe keine Zeit, mich darum zu kümmern, wenn du umfällst. Ich muss jetzt die Bombe bauen“, erklärte ich ungeduldig, denn ja, ich wollte alles schon fertig gemischt haben und platziert haben, bevor dieser Erwan kam, dessen Kopf Dunduvan einfach so Louarn versprach, obwohl ich für den ganzen Kerl viel lustigere Einfälle gehabt hätte.
In Erwans Haus herrschte inzwischen Totenstille. Die letzten Schreie der Sterbenden waren verhallt. Ihre leblosen Körper hatte man beiseite geräumt, für den Moment des großen Finales. Dann, wenn der Gallier nach Hause kam und auch seine Lebenslicht erlöschen würde.

Einen Teil meiner Brüder fand ich im Atrium wieder. Dunduvan hatte sich gerade den Kopf seines Gegners genommen und ließ ihn in einem Beutel verschwinden. Er folgte damit einem alten Brauch, sich dadurch die Stärke seines Feindes zu Eigen machen. Ob er den Schädel später um den Hals seines Pferdes hängen würde? Oder würde er ihn einbalsamieren und ihn in einer Kiste aufbewahren, um ihn dann später herumzeigen zu können?

Ciaran aß genüsslich einen Apfel, den er in seiner blutverschmieren Hand hielt. Ich konnte nur mutmaßen, was er in der Küche vollführt hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er sich einmal mehr wieder selbst übertroffen. Allerdings wollte ich mich nicht davon überzeugen, denn allein der metallische Geruch des frischen Blutes auf meiner Tunika bereitete mir Unbehagen. 

Während ich mir noch die Leichen betrachtete, die auf dem Boden lagen, erkannte ich plötzlich Louarns nahende Stimme. Ich sah auf und erkannte ihn und seine kleine Irin, die sich an ihm festhielt. Sie war noch etwas wacklig auf den Beinen, was kein Wunder war. Vor wenigen Tagen war sie noch dem Tod viel näher gewesen. Ich freute mich, sie nun so lebendig zu sehen und lächelte ihr zu. "Ich bin froh, dich so zu sehen, Niamh. Dein Anblick dort unten im Keller hat mich wirklich sehr schockiert!"  Lou legte ich meine Hand freundschaftlich auf die Schulter. "Pass jetzt gut auf sie auf!" Das war der einzige Rat, den ich ihm geben konnte.

Dunduvan verhielt sich ungewöhnlich still, als Louarn seine Freundin mit herunter gebracht hatte. Dabei hatte er sich doch richtig ins Zeug gelegt, damit sie befreit werden konnte. Doch ich vermutete, dass er noch immer Gefühle für sie hegte, nach ihrer einen gemeinsamen Nacht.

Ciaran war wie immer einfach Ciaran, als er Niamh erblickte und machte sich dadurch bei Louarn auch nicht wirklich beliebt. Doch dem 'kaputten Vögelchen', wie er sie nannte, bot er eine seiner Kräutermischungen an, die einen geschwächten Körper für eine gewisse Zeit beleben konnten. Zumindest dann, wenn nur die Inhaltsstoffe darin waren, die Ciaran erwähnt hatte.
Niamh sah ungläubig zu Louarn auf. Konnte er sich nicht denken, was passiert war? Aber er hatte sie nicht gesehen, wie sie wie ein Tier angebunden im Keller des Hauses gefangen gehalten worden war. Er hatte keine Ahnung davon, wie schrecklich es gewesen war, als sie den Ruf der bean sidhe gehört hatte und sich sicher war, nun sterben zu müssen. Nein, von alldem wusste er nichts.

"Sie waren zu dritt, als sie mich entführt haben." begann sie. "Corax, Brigo und den Namen des Dritten kenne ich nicht." Niamh atmete tief durch. Es fiel ihr sichtlich schwer, darüber zu sprechen. "Sie haben mich in der Nacht geschändet! Alle drei! Immer und immer wieder." Tränen rannen ihr über die Wangen, dann schlug sie die Augen nieder. "Als sie mit mir fertig waren, wollte ich nur noch sterben!"

Ja, so wollte dort jetzt hinunter gehen, ganz gleich, wie schwer es ihr fiel. Sie wollte sich dort unten jeden einzelnen Toten anschauen, um zu sehen, ob es einer ihrer Peiniger war, der dort lag. Es würde ihr wieder inneren Frieden geben, wenn sie wusste, dass sie tot waren.

Louarn half ihr. Sie war so unsicher auf den Beinen und trug auch keine Schuhe, so dass er sie einfach auf seine Arme nahm und sie hinunter trug. Niamh schmiegte ihren Kopf an seine Brust, denn sie wusste, dass sie bei ihm all die Sicherheit fand, die sie brauchte. Er erzählte ihr dabei, dass er zweimal von ihr geträumt hatte. Er beschrieb ihr, was er gesehen hatte, während er sie über die Trümmerteile und die Leiche der Alten hinwegtrug. 
"Erwan hat mich unten in seinem Keller gefangen gehalten. Wie ein Tier hatte er mich anketten lassen, obwohl ich doch eh kaum noch laufen konnte," schluchzte sie. "Ich habe mir so sehr gewünscht, dass du kommst. Obwohl der Medicus nur davon sprach, der Römer aus dem Wald würde bald kommen. Aber jetzt bist du endlich hier!" Wieder vergoss sie einige Tränen. Aber es waren Tränen der Freude.

Louarn trug sie noch weiter die Treppe hinunter und ließ sie unten wieder auf den Boden ab. Niamh blieb dicht hinter ihm, so wie er es ihr gesagt hatte. Hier im unteren Teil des Hauses erkannte sie einen der Zwillinge und Dunduvan, die sich unterhielten. Sie wollte ganz und gar nicht mehr an die Nacht denken, in der Dunduvan und sie miteinander geschlafen hatten. Einer der Zwillinge musste sie mit seinen Mittelchen verhext haben. Sonst hätte sie nie in ihm ihren ehemaligen Verlobten gesehen. Dunduvan ignorierte sie einfach. Vielleicht war das im Moment auch das Beste. Lediglich der Zwilling schien Notiz von ihr zu nehmen und schien wieder seine Späße mit ihr machen zu wollen. Dann tauchte auch Alun plötzlich noch aus dem hinteren Teil des Hauses auf. Auch er war voller Blut. Er schien sich zu freuen, als er sie erblickte. Sie schaute ihn etwas erstaunt an, als er davon sprach, sie im Keller gesehen zu haben. Daran konnte sie sich gar nicht mehr erinnern.
Der Zwilling bot ihr indessen eines von seinen Mitteln an, dass sie am liebsten dankend abgelehnt hätte. Aber wenn es stimmte, dass das Mittel sie stärkte, wollte sie es doch annehmen. "Danke!" sagte sie misstrauisch und nahm das Mittel entgegen.
Für Calum war all dies ein wahrgewordener Alptraum. Er hatte bereits getötet. Mehrfach. Und durch seine geheimen Informationen, die er den Römern gestohlen hatte, waren noch viel mehr Menschen gestorben. Er hatte Blut an den Händen, wie all seine Brüder.
Doch nie hatte es Spaß gemacht. Und es war etwas gänzlich anderes, einen Bogen von der Sehne zu lassen, als auch noch eine Leiche zu köpfen, nur um ein Zeichen zu setzen. Und nur die Götter wussten, was Ciaran in der Küche getan hatte.
Monster… Er sah kaum noch seine Brüder vor sich als blutrünstige Bestien. ‚Der Kampf der Falken wird viel Leid verursachen.‘ Caradoc hatte Recht behalten. Wäre es nur um den Verräter gegangen, er hätte es ja verstanden. Doch da hätte es andere Wege gegeben. Die hätte es sicherlich.
Wie erstarrt stand der Junge im Atrium inmitten von Fremden. Dass sie Niamh lebend gerettet hatten, registrierte er kaum. Die Miene blass, die Haltung starr. Er wusste nicht, was er fühlte. Ekel. Verachtung. Hass vielleicht. Er war fassungslos, dass er derartig über seine Brüder dachte. Doch die Hausdiener und Sklaven waren nicht einmal in Würde gestorben. Sie waren hingeschlachtet worden wie Vieh.
„Ich weiß nicht, wer ihr seid“, sagte er mit einer Miene so bleich wie der Tod. Seine Schritte lenkten ihn zu Dunduvan. Das Sinnbild all dessen, vor dem er sich fürchtete. Dunduvan schien längst nicht mehr sein Bruder zu sein. Er war wie die Marionette Cathbads. Doch wenn dies Cathbads Vorstellungen waren, dann war der Druide wahnsinnig.
Er sah Dunduvan in dessen Gesicht und atmete tief durch.
„Wenn das hier vorbei ist, sind wir geschiedene Leute“, sagte er nur. Ciaran würdigte er keines Blickes. Fintan, der sich offenbar an den Reichtümern des Hauses vergriffen hatte, wirkte zum ersten Mal erschreckt. Alun und Louarn ernteten flüchtige Blicke von ihm. Doch wenigstens Louarn hatte heut an andere Dinge zu denken. Nur wegen Niamh hatte er schließlich all dies getan.
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