Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die alte Schmiede am Dorfrand
04-26-2023, 09:09 PM,
Beitrag #11
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
"Einen Schuh?" fragte ich und grinste. Dann beobachtete ich sie, wie sie versuchte, ihre Frisur zu retten. Allerdings gab es da nichts zu retten. In dieser Beziehung waren wahrscheinlich alle Fraurn gleich. Da spielte es auch keine Rolle, woher sie kamen. Schließlich entschloss sie sich, das Haar offen zu tragen. Gute Entscheidung! "Du hast Haare schön!" meinte ich immer noch grinsend, um sie zu necken. Sicher war sie genervt, dass ihre Haare ihren eigenen Kopf hatten. Doch so sah sie viel natürlicher aus. Das gefiel mir!

Sie folgte aufmerksam meinen Erklärungen zu Beltane. Wie ich es fast erwartet hatte, reagierte sie bei dem Wort "Opfer". War das ein schreckhaftes Zucken gewesen? Ja, das war es! Es dauerte auch keinen Herzschlag lang, bis sie nachfragte, was den geofert wurde. "Hmm, na ja. Am liebsten opfern wir kleine Römerinnen, die wir vorher in Schmiede locken und dann verführen!" antwortete ich und konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Es war wirklich schwer, dabei eine ernste Mine zu behalten und daher konnte ich mich auch nicht lange beherrschen und prustete los.
"Nein, wir opfern Dinge, die wichtig sind. Ein Schwert oder Schmuck oder Münzen." sagte ich dann etwas später, nachdem ich mich wieder gefangen hatte. Hoffentlich war sie jetzt beruhigt. Als ich dann von der Vereinigung von Gott und Göttin gesprochen hatte, fragte sie nach und nannte seltsame Namen, die mir nichts sagten. Kybele hatte ich noch nie gehört. Deren Priesterin und Priester würden sich vor Zeugen einmal im Jahr vereinigen. "Sie tun nur so?" , fragte ich etwas verwirrt. "Wieso?" Diese Römer waren schon ein komisches Volk! "Wir tun nicht nur so!" Wenn schon, denn schon!
Zitieren
 
04-26-2023, 09:39 PM,
Beitrag #12
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Als er mir ein Kompliment zu meinen Haaren machte, schnappte ich mir tatsächlich einmal kurz meinen Schuh und hielt ihn drohend, als wollte ich werfen, während ich auf einem Bein balancierte. Und bei dem großen Ziel hätte ich ihn auch sicherlich getroffen. Aber der Boden war kalt und ich wollte ihn ja nur necken, also zog ich ihn schnell wieder an und fuhr mir mit den Händen durch die Haare. “Nächstes Mal mache ich mir einen Zopf“, brummelte ich, ehe mir auffiel, dass ich implizierte, nochmal hier in diesem Bett mit ihm Spaß zu haben. Ich grinste über mich selber und band den Schuh zu, während ich weiter zuhörte.
Als er mich noch mehr neckte war ich mehr als versucht, den schuh doch wieder auszuziehen und diesmal wirklich zu werfen. Er bekam auch einen entsprechenden Blick von mir. Woher sollte ich denn wissen, was die Kelten hier machten und was stimmte und was nicht? Ich war ja keiner von ihnen und konnte grade Mal fünf Worte in ihrer Sprache. Ich war versucht, etwas über Gladiatorenkämpfe zu kontern, ließ es aber, da ich mich eigentlich nicht streiten wollte, wir uns dann aber sicher gegenseitig aufgeschaukelt hätten. Mit Narcissus fetzte ich mich regelmäßig. Manchmal suchte ich sogar gezielt Streit, um diese ganze negative Energie in mir loszuwerden. Aber bei Owain wollte ich das nicht. Zumindest jetzt nicht. Und nicht hierüber.
Und er erklärte dann doch, dass sie eben wie wir Römer auch Schmuck und dergleichen opferten. Keine Menschen. Nicht mal Tiere, wie es schien. Zumindest nicht zu dem Fest. Als er nachfragte, warum die Priester der Kybele nur so taten, vergaß ich dann endgültig meinen kleinen Zornausbruch von eben und musste grinsen. “Weil der oberste Priester des Attis ein Eunuch ist.“ Was wohl wieder ein Wort war, das er nicht kannte. Ich erklärte ihm, dass das bedeutete, dass ihm gewisse Körperpartien fehlten, um das wirklich zu tun.
Dann aber schaute ich doch kurz perplex, als mir auffiel, dass er wir gesagt hatte und nicht irgendwas von Priestern. “Heißt das, ihr… habt dann alle Sex miteinander auf dem Fest?“ Es war ja nicht so, als wäre ich nie auf einer solchen Orgie gewesen. Aber das überraschte mich dann doch irgendwie ein bisschen.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
04-26-2023, 10:34 PM,
Beitrag #13
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Nächstes Mal? Bedeutete das, dass das hier wiederholen wollte? Nein, ich riskierte es nicht, noch einmal nachzufragen, um am Ende nicht doch noch von ihrem Schuh getroffen zu werden. Ihre Blicke sagten alles. Ich wollte auch nicht, dass das hier plötzlich in einen Streit mündete. Denn ich wollte gar nicht streiten. Ich wollte sie höchstens vielleicht ein bisschen aus der Reserve locken, wax mir ja auch gelungen war. 
Ich erhob mich nun auch aus dem Bett, denn während sie bereits wieder angezogen war, war ich immer noch splitternackt.  Wo hatte ich nur meine Hose gelassen? Ich sah mich um. wahrend sie mir nun erklärte, warum die Priester dieser Kybele nur so taten als ob. Ihre Antwort war auch nicht wirklich aufschlussreich, denn was war denn nun schon wieder ein Eunuch?! "Was ist Eunuch?!" Die Erklärung die sie mir dann lieferte, ließ mich diesmal zusammenzucken. Wie im Reflex sah ich an mir herab, als müsse ich schnell überprüfen, noch komplett zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, das jemand das freiwillig tat. Und uns nannten sie Barbaren!
Aber auch Aglaia schaute ganz verwundert, als ich angedeutet hatte, dass es an Beltane nicht nur bei der Vereinigung von Gott und Göttin blieb. " Jeder, der will.", meinte ich knapp. Es war schwer zu erklären, denn das Feuer, das Tanzen und gewisse bewusstseinserweiternde Mittelchen taten ihr übriges, so dass fast jeder in eine Art Strudel geriet, in dem jegliche Hemmungen verloren gingen. 
"Willst du mit mir zu Fest gehen?" fragte ich sie, wobei die Frage eher hätte lauten sollen 'Darf ich zum Fest gehen?' Und wollte ich mit ihr dorthin gehen, wo alle feierten? Zu einem der heiligen Plätze? Die Quelle der Brigid war über einen Tagesritt von hier entfernt. Das würde Aglaia unmöglich schaffen. Vorher würde sie mich verfluchen!
Zitieren
 
04-27-2023, 01:12 PM,
Beitrag #14
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Also war Beltane wirklich eine riesige Orgie am Feuer. Ich war mir nicht sicher, was ich darüber dachte, aber amüsant war es auf jeden Fall. Und die Erklärung dafür, warum er mir das alles erzählte und es mich fragte, kam natürlich auch gleich, überraschte mich dann aber doch irgendwie. Eigentlich kam seine Frage ja mit Ansage, aber trotzdem hätte ich nicht wirklich gedacht, dass er sie stellte. Ich sah kurz an mir herab und stellte mir mich auf einem keltischen Fest vor. Ich würde auffallen wie ein bunter Hund, da nichts, aber auch wirklich gar nichts an mir keltisch aussah – und ich auch nicht vorhatte, das zu ändern. Ich mochte mich in eleganten Kleidern und hübschen Frisuren, mochte mein komfortables Haus mit der guten Heizung und dem sauberen, ebenen und gefliesten Boden und dem Ziegeldach und vor allen Dingen dem warmen Bad. Ich war vielleicht auf dem Papier keine römische Bürgerin, aber definitiv war ich römisch. Und ich war mir nicht sicher, ob Owain sich dessen wirklich bewusst war oder bei seiner Frage bedachte.
“Ist das denn überhaupt erlaubt? Ich meine, ich bin keine Keltin“, fragte ich ihn also. Es war wirklich nicht so, als hätte ich was dagegen, seine feste mit ihm zu feiern. Aber ich glaubte nicht daran, dass das so einfach ginge. “Und das wird dann hier in Cheddar gefeiert?“ In Iscalis selbst sicherlich nicht. Die feinen, römischen Damen würden ausrasten, wenn auf offener Straße Männer und Frauen übereinander herfielen.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
04-27-2023, 06:52 PM,
Beitrag #15
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Inzwischen hatte ich meine Hose wieder übergestreift und bückte mich nach meiner Tunika, die ich auch im Nu an gezogen hatte. 
Aglaia konterte mit einer Gegenfrage, über deren Antwort ich mir bis jetzt nie Gedanken gemacht hatte. Aber ja, sie gehörte nicht zu meinem Volk. Im Grunde gehörte sie zu jenen, die uns feindlich gesinnt waren. Doch das hatte ich nie in ihr gesehen. Für mich war sie die Frau, für die ich Gefühle entwickelt hatte, auch wenn mir jeder davon abgeraten hätte. Sie hätte mich auch anders behandeln können, nachdem sie mich gekauft hatte. Aber das hatte sie nicht getan. Von außen gesehen war ich zweifelsohne ihr Sklave. Aber wenn wir unter uns waren, was war ich da für sie? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass da nicht mehr war.
"Warum nicht?", antwortete ich ihr. Nun ja, vielleicht sollte sie bei so einem Fest nicht als feine römische Dame aufkreuzen. Das würde bestimmt für Aufsehen sorgen. Manche, die den Römern ganz und gar nicht wohlgesonnen waren, würden sich vielleicht beschweren, im schlimmsten Falle auch handgreiflich werden. Doch dafür war ich ja bei ihr. Ich würde sie beschützen und aufpassen, dass niemand ihr ein Haar krümmte.
"Wenn du den Sommer begrüßen willst und die Götter um Fruchtbarkeit bitten willst, kannst du sicher dabei sein. Niemand wird dir etwas antun. Dafür sorge ich!", fügte ich dann noch hinzu, falls sie um ihre Sicherheit besorgt war. Allerdings glaubte ich auch nicht, dass sie sich da Sorgen machen musste. 

Ihre nächste Frage war auch verständlich, denn natürlich wollte Aglaia auch wissen, wo gefeiert wurde. Allerdings lag sie mir Cheddar völlig falsch. In nächster Nähe einer römischen Stadt traute sich wohl niemand mehr, eine Feier des alten Glaubens abzuhalten. Ganz zu schweigen würde sich hier ein Druide her veriiren. Falls es von denen überhaupt noch welche gab. Manchmal hatte ich schon davon gehört, dass sie sich im Verborgenen aufhielten und von einem zum anderen Ort wanderten. Aber ich konnte mir auch nocht vorstellen, dass Cheddar dafür geeignet war. 
"Nein, nicht in Cheddar. An heilige Ort. In... Wald" Wahrscheinlich würde sie nun gleich in Jubelschreie ausbrechen. Sicher würde sie da nicht mit wollen. Der Wald war für sie sicher noch um einiges schlimmer als dieses Haus und das Bett hier.
Zitieren
 
04-27-2023, 09:10 PM,
Beitrag #16
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Warum nicht? Ich guckte einen Moment perplex, weil er von uns beiden doch am besten wissen musste, dass nicht alle Kelten die Römer mochten. Er war unter dem Kranz eines Kriegsgefangenen verkauft worden, was hieß, dass er gegen Römer gekämpft haben musste – oder zumindest hinreichend nahe dran gewesen war. Das allein hätte mich ja eigentlich beunruhigen sollen. Dass er jetzt aber tatsächlich fragte, warum ich vielleicht etwas fehl am Platze wäre, verwunderte mich dann doch. “Weil ich Latinerin bin?“ stellte ich eine eher rhetorische Gegenfrage.
Und seine Ausführungen, dass er dafür sorgen würde, dass mir niemand etwas täte, machten es nicht unbedingt besser. “Owen“, seufzte ich fast resignierend seinen Namen und kam näher zu ihm. Ich wollte ja nicht, dass er dachte, ich würde ihm nicht vertrauen oder seine Religion verachten oder dergleichen. Ich hoffte doch, dass er inzwischen wusste, dass ich ihm da keine Vorhaltungen machte oder Abneigungen tieferer Art hegte. “Ich will die Götter sicher um vieles bitten, aber ganz sicher nicht um Fruchtbarkeit“, sagte ich erst einmal etwas bedauernd, da er, fürchte ich, vergessen hatte, wer und was ich war. Und das war eine Hetäre. Die mit einigen Männern schlief, von denen sie ganz sicher kein Kind haben wollte. Die auch einiges dafür tat, damit genau das nicht passierte. Wenn ich schwanger würde, dann… dann würde ich meine Kunden wohl verlieren und kein Geld mehr einnehmen. Und ein Kind ohne Vater, womöglich ein Mädchen, dem ich nur eine Sache beibringen könnte… Nein, ich wollte nicht daran denken. So etwas durfte einfach nicht passieren. Nie mehr. Das eine Mal hatte ich es früh genug gemerkt, und mit viel Poleiminze und ein paar weiteren Kräutern und einer fürchterlichen Nacht voller Bauchkrämpfe hatte sich das Problem erledigt. Aber ich wollte das nicht nochmal. Nicht, wenn es möglich wäre, dass…
Ich sah Owain an und musste schlucken. Nein, ich wollte nicht zu viel darüber nachdenken. Zum Glück lenkte Owain mich davon weit genug ab. “An einem heiligen Ort im Wald?“ fragte ich nochmal nach und ich erinnerte mich an die Geschichten aus der Therme. Ich ging nun ganz zu Owain und nahm seine Hände in meine. “Owen, das ist gefährlich. Nicht nur, dass du mich vor deinen Leuten verteidigen müsstest… im Herbst war schon einmal ein keltisches Fest im Wald, und die Soldaten haben eingegriffen und viele Leute festgenommen. Es gab auch Tote dabei. Wenn die Legion davon weiß und herausfindet, wo dieses Beltane ist, auch wenn es ganz friedlich ist, dann könnte sich das wiederholen. Ich könnte nie...“ Ich schaute beiseite und musste mich fangen. Ich konnte den Gedanken nicht aussprechen, der ungewollt gekommen war. Aber bei dem Gedanken, dass Owen getötet werden könnte, krampfte sich etwas in meinem Inneren zusammen. “Es ist gefährlich, Owen.“

Da fiel mir noch etwas ein, was ich schon viel zu lange hinausgezögert hatte. Noch immer hatte Owain keine Bulla, da ich ihn nicht als Sklave sah. Ich wollte auch nicht, dass er so gesehen wurde. Aber ohne dieses Ding um den Hals hätte er keinen Schutz, wenn die Legionäre ihn doch irgendwann verhaften würden.
Ich zog mir einen meiner recht schmucklosen Armreifen vom Handgelenk und legte ihn Owain in die Hand. “Du musst etwas für mich schmieden. Oder eigentlich für dich. Und zwar einen Anhänger für eine Kette. Was darauf ist, ist egal, das kannst du dir aussuchen, was dir gefällt. Aber auf die Rückseite muss eine Inschrift.“ Ich sah auf, weil ich es hasste, das zu tun. Ich wollte nicht, dass er mein Sklave war. Ich wollte, dass er mein Geliebter war. Mein M… nein. Das war nicht möglich.
“Ich kann dir die Zeichen aufschreiben oder aufmalen. Aber sie sind sehr wichtig. Sie bedeuten, dass du mein Sklave bist, und wer auch immer dir ein Leid zufügt, muss sich dafür vor mir verantworten. Verstehst du, Owen? Das ist ein Schutz, falls… falls eines Tages doch etwas passieren sollte.“ Zugegeben war es ein recht schwacher Schutz. Aber zumindest die einfachen Soldaten, deren Sold nicht ausreichte, um Schadenersatz zu leisten, würden es sich zweimal überlegen, ihn ernsthaft zu verletzen.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
04-27-2023, 11:23 PM,
Beitrag #17
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Ihre Antwort versetzte mir einen Dämpfer. Natürlich gab es unendlich viele Gründe, nicht mit mir zu diesem Fest zu gehen. Einen, den ich als weniger bedeutend empfunden hatte, schien für sie essentiell zu sein. Weil sie Latinerin war! Vielleicht war es auch die Angst, dass man ihr etwas antat. Aber vielleicht hatten mich all die Tage, seit denen ich bei ihr war, blind dafür gemacht, welche Gräben  es zwischen uns gab. Gräben, die wie selbst nicht errichtet hstten. Aber die einfach da waren und die auch nicht so einfach zu überwinden waren. Vielleicht aber war unsere Verbindung noch nicht stark genug, dass sie sich voll und ganz auf mich verlassen wollte oder konnte. Im Prinzip wusste sie nicht viel von mir. Eigentlich wusste sie fast gar nichts von mir. Nur dass ich eine Frau gehabt hatte und keine Kinder. Das ich Schmied war und dass ich Sklave geworden war, weil ich mich gegen Rom erhoben hatte.

Was mich jedoch tief traf, war der Grund, dass sie die Götter nicht um Fruchtbarkeit bitten wollte. Natürlich nicht! Warum sollte sie auch? Wenn sie von jedem Kerl schwanger wurde, mit dem sie schlief, konnte sie sicher bald einpacken. Mein Traum, dass sie mehr sein konnte für mich, zerbarst in tausend Scherben.
Ich nickte nur, ohne sie dabei anzuschauen, Eigentlich sah ich mir gerade eher den Boden an, als ihr ins Gesicht zu blicken. Denn auch ihr letzter Grund hatte es in sich und streute noch zusätzliches Salz in die Wunde. Es war zu gefährlich. Eigentlich hätte ich es selbst wissen müssen! Ich hatte es doch am eigenen Leib erlebt. Die römischen Soldaten waren unerbittlich, wenn man in ihren Fokus geriet. Offenbsar hatte es hier in der Gegend vor einigen Monaten einen Zwischenfall gegeben, von dem sie sprach. 
Als sich plötzlich ihre Stimme änderte und sie ihren Satz nicht zu Ende sprach, sah ich erst wieder zu ihr auf. Doch sie wandte nun ihrem Blick ab. Ja, es war zu gefährlich. Ich sah es ein und ich musste es akzeptieren, dass es so war. 


Sie zog einen ihrer Armreifen von ihrem Arm und drückte ihn mir in die Hand. Ich sollte ihr etwas schmieden, was aber eigentlich für mich sein sollte. Ich verstand nicht, wofür das gut sein sollte. Doch sie meinte, dieser Anhänger würde mir Schutz bieten gegen die Schikanen der Soldaten. Der Anhänger würde jedem zeigen, dass ich ihr Sklave war. Wieder nickte ich. Ja, ich hatte verstanden. Zum ersten Mal fühlte ich mich auch so, wie ein Sklave.
"Wir noch nach Ofen schauen!  Wenn Ofen ist gut, dann Schmiede ist gut!" meinte ich und ging zur Tür. Eigentlich war es mehr eine Flucht. Ich musste hier weg, bevor noch mehr in mir kaputt ging.
Zitieren
 
04-28-2023, 12:09 PM,
Beitrag #18
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Ich hatte ihn verletzt. Ich wusste nicht, womit, denn das, was ich gesagt hatte, war einfach nur die Wahrheit gewesen. Aber trotzdem hatte es ihn irgendwie verletzt, und er entfernte sich von mir. Nicht nur, dass er seine Hände meinen entzog und zurücktrat. Nein, ich konnte es in seinen Augen sehen, oder besser daran, wie er mich nicht mehr ansah, dass er sich mir entzog. Und verdammt, das tat weh. Das tat sehr weh.
Ich kannte das so gar nicht. Natürlich hatten sich Männer schon von mir abgewandt und mich verlassen, natürlich hatten viele schon mit mir gegrollt oder waren enttäuscht oder schmollten. Aber nie hatte das weh getan, sondern war für mich nur eine Information gewesen, dass jetzt wohl hier kein Geld mehr zu holen war. Aber hier war nie Geld zu holen gewesen, oder etwas anderes. Ich hatte ihn nicht verführt, um irgend etwas dafür zu erhalten. Und trotzdem tat es auf einmal ganz tief in meinen Eingeweiden weh, wie ich es nicht kannte.

Ich legte die Arme um mich selbst, weil ich auf einmal fröstelte, und folgte ihm nach draußen zu dem, was wohl ein Ofen sein sollte. Sah mir nicht nach einem Ofen aus, aber was wusste ich schon? Owain begutachtete das Ding sehr ausführlich, während er mich so ziemlich gar nicht beachtete und ich mich fragte, was ich getan oder gesagt hatte und wie ich dieses Gefühl wieder loswerden konnte. Am liebsten wollte ich weinen. Aber Hetären weinten nicht. Niemals. Das war so ziemlich eine der ersten Lektionen, die ich erhalten hatte. Nicht weinen. Männer konnten es nicht ausstehen, wenn eine Frau weinte, also war das für mich Tabu, außer, ich konnte damit manipulieren, aber auch dann nur nach sorgfältiger Abwägung. Hatte ich schon erwähnt, dass Hetären kein Herz hatten? Warum also schmerzte meines, während ich Owain beobachtete und mich selbst umarmte?

“Ist der Ofen gut?“ fragte ich in diese unheimliche Stille zwischen uns, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Ich verstand ja noch nicht einmal, was los war.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
04-28-2023, 02:56 PM,
Beitrag #19
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Sie hatte mich nicht davon abgehalten, hinaus zu gehen und so ging ich. Direkt zu dem Ofen und der dort befindlichen Arbeitsgrube. Mit meiner Begutachtung der Beschaffenheit und des Zustands des Ofens nahm ich es übergenau. Nur um Zeit zu schinden, um mir selbst darüber im klaren zu sein, was für ein Depp ich doch gewesen war! Was hatte ich mir eigentlich gedacht? Dass sie eines Tages Bryn ersetzen konnte? Und nur weil sie 1mich nicht wie einen Sklaven behandelt hatte, war ich dann auch plötzlich keiner mehr? In welches Märchenland hatte es mich denn verschlagen? Meine Gefühle für sie hatten mir Flügel wachsen lassen, die mich zu hoch hinaus getragen hatten. Wer zu hoch hinaus wollte, der fiel am Ende tief. So wie ich. Ich war auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt und die Realität war grausam und kalt. Ich war nichts weiter als ein Zeitvertreib gewesen. Es stimmte wohl doch, was Aglaia mir gesagt hatte. Sie habe kein Herz und wäre nicht fähig, wirklich zu lieben. Nein, sie traf keine Schuld! Sie hatte nie einen Hehl daraus gemacht. Ich war der Idiot, der das nicht begriffen hatte oder Dinge sehen wollte, die nicht real gewesen waren.
Sie war mir inzwischen hinaus gefolgt und verharrte in der Nähe des Ofens. Als sie mich fragte, ob der Ofen gut sei, blickte ich sie zum ersten Mal wieder an. Sie sah furchbar aus. Nicht nur weil sie scheinbar fror und sich schützend ihre Arme um sich gelegt hatte. Dabei war es gar nicht wirklich kalt! Der Morgen war nach dem Regenschauer zwar frisch gewesen, Nun aber schien die Sonne und Stunde um Stunde wurde es wärmer. 
"Ofen ist gut!" sagte ich mit belegter Stimme und erhob mich wieder. "Du frieren? Ich will nicht, dass du frieren." Ich ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Gegen meine Gefühle hatte ich keine Chance!Ich musste mich damit abfinden, dass es niemals ein 'Wir' geben würde, sondern bestenfalls ein 'Sie und ich'. Vielleicht gelang es mir eines Tages wieder, diese Leere, die ich nun in mir spürte, wieder zu füllen. Verdammt noch eins, meine Augen wurden feucht in diesem Moment, als ich sie so hielt. "Es tut mir so leid!" wisperte ich ihr zu. Ich hielt sie noch eine Weile, ohne ein Wort zu sprechen. 
"Du wieder zurück wollen?", frage ich und unterbrach damit mein Schweigen. "Schmiede ist gut, wenn du pachten wollen." Der Blasebalken, der sich unter  dem Unterstand befand, hatte auch einen guten Eindruck gemacht und an der steinernen Hauswand war eine große Menge an Brennholz bis unters Dach gelagert. Das reichte aus fürs Erste,
Zitieren
 
04-28-2023, 03:32 PM,
Beitrag #20
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Er kam zu mir, weil er dachte, ich fror. Oh, mir war auch kalt, aber ich glaubte nicht, dass das was mit dem Wetter zu tun hatte. Außer, Owain wäre die Sonne, die sich plötzlich verdunkelt hatte. Die Kälte war mehr in mir und legte sich schmerzhaft um mein Innerstes. Als er zu mir kam und mich hielt, war ich wirklich fast davor, zu weinen. Es fühlte sich so verdammt anders an als zuvor, und ich wusste nicht, warum, oder wie ich das reparieren konnte. Ich wusste nur, dass ich das so nicht wollte.
Dann sagte er, es täte ihm leid, und verdammt, jetzt wurden meine Wangen doch nass. Ich lehnte mich an ihn, damit er es nicht merkte, und hielt mich an ihm fest, ohne irgendwas zu sagen. Ich wollte ihn nicht verlieren. Ich wollte nicht, dass er sich von mir entfernte. Ich wollte all das nicht. Ich wollte… ich hatte keine Ahnung, was ich wollte. Ich wollte Dinge, die ich nicht haben konnte, und von denen ich keine Ahnung hatte. Am meisten aber wollte ich einfach in seinen Armen wieder sein und dass es so wäre wie vorher.

Keine Ahnung, ob er spürte, dass ich geweint hatte, oder ob es Zufall war, aber er löste sich erst von mir, als ich mich wieder gefangen hatte, und fragte, ob ich wieder zurückgehen wollte. Unauffällig wischte ich mir einmal über die Wangen, während ich nickte. “Ja, ich will nach Hause“, sagte ich müde. Ich war es einfach so müde, dass alles so schwer war und ich nicht wusste, was mit mir los war.
“Ich werde das dann alles pachten. Wenn noch jemand da ist, heute noch, sonst gleich morgen früh. Dann kannst du ab morgen schon dich hier einrichten, wenn du magst.“
Verdammt, das alles fühlte sich so sehr nach Abschied an, dass es mich zerriss. Er würde hier sein, wahrscheinlich auch hier schlafen, und ich wäre in der Stadt und das, was auch immer wir gehabt hatten, wäre wohl vorbei, so sehr ich es auch festhalten wollte. Und ich wusste noch nicht einmal, was es gewesen war, und erst recht nicht, wieso es vorbei war.

Ich ging mit ihm wieder zu dem gemieteten Pferd, ehe ich noch einmal anhielt. Es fühlte sich alles so falsch und leer und kalt an. Ich wollte das doch nicht. “Wie wichtig ist es, dieses Beltane? Muss man dazu an diesen Ort, oder… kann man das überall feiern?“ fragte ich noch einmal nach. Ja, es war der verzweifelte Versuch, einen Kompromiss zu finden. Aber das hier, das war einfach zu schlimm, als dass ich nicht wenigstens nach diesem Strohhalm greifen wollte.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste