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Die Hütte von Boduognatus
02-02-2023, 04:42 PM,
Beitrag #21
RE: Die Hütte von Boduognatus
(01-26-2023, 11:53 AM)Druide schrieb: … Der rotbärtige Druide wies auf seinen Vorratssack: "Willkommen junger Falke, setze dich zu uns und bediene dich. Du hast gewiss eine gute Wegstrecke hinter dir", sagte er freundlich:
"Wie ist doch gleich dein Name?"

Die Hütte war dunkel und sogar etwas zugig, Raven kam der Aufforderung des Druiden sehr gerne nach und setze sich, ohne den Umhang und die Kapuze abzusetzen.
„Ich danke euch Vater, mein Name ist Raven und Vater Cathbad brachte mich vor einem Mond her. Meine Mutter war Igraine von der heiligen Insel.“ Mehr sagte sie nicht zu ihrer Abstammung, sie ging davon aus, dass die Druiden von ihr wussten.

(01-26-2023, 02:32 PM)Dunduvan Deimos schrieb: Raven, Raven hieß sie. Ein Name in seinen, Dunduvans Ohren, dunkel wie der der Morrigu, der fürchterlichen Rabengöttin, die mit ihrem Streitwagen über den Himmel fuhr. Ja, Raven, Iuventia Helena, war seiner Einladung gefolgt
Obwohl Dunduvan ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste er genau, wie es aussah: hell, mit feinen Zügen und dunklen Augen. Er hätte es lieb haben können, aber da war sie wieder, die Dunkelheit, an die er sich erinnerte und der er nicht entrann. Nur Römer töten machte die Dunkelheit leichter. Liebe war nicht für ihn.
"Willkommen, gut, dass du hier bist ", sagte aber auch er. Kaum ertrug er ihre Gegenwart: "Ist Calum bei dir?", er wartete die Antwort nicht ab, sondern erhob sich geschmeidig wie eine Wildkatze und ging zur Türoffnung. Da tat er so, als würde er durch einen Spalt  Ausschau halten. Mochte Raven Meister Cartivel selbst erklären, wer und was sie war.
In Wirklichkeit brauchte er dringend frische Luft, und die sog er gierig ein.

Bevor sie sich der Schale mit Essen zu wand, sah sie noch kurz zu Dunduvan. Sie spürte immer wieder seine Ablehnung aber auch seine Zerrissenheit. Es tat ihr weh doch sie sagte nichts dazu. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Dämonen und er wohl ganz besonders.
Nur kurz sprach er mit ihr und fragte dann nach Calum, doch bevor sie ihn antworten konnte, hörte sie von draußen Geräusche…sang da jemand?
Sie kannte das Lied und leise summte sie mit der wundervollen Stimme, die immer näherkam, mit.
Es wurde ihr richtig warm und es kribbelte am ganzen Körper.
Eine wunderschöne Stimme, sanft und doch auch gleichzeitig kraftvoll. Am liebsten hätte sie tagelang ihr gelauscht und sich von ihr in eine andere, friedliche und warme Welt entführen lassen.
Ein Barde? Warum kam noch einer aus der Zunft der Druiden?
Dunduvan schien den Sänger zu kennen, denn er riss die Tür auf und begrüßte Ihn lautstark.

(01-26-2023, 02:52 PM)Dunduvan Deimos schrieb: "Bei der Göttin, Bruder, du bist ein wandelndes Klischee", bemerkte er und sein Grinsen wurde breiter:
"Doch es tut  unheimlich gut, dich zu sehen. Komm rein. Es sind bereits zwei da. Einen zumindest kennst du"

*Also war es ein Falke und kein Barde, wobei vielleicht würde er ja noch einer. Es wäre schade, wenn diese Stimme der Welt versagt würde* dachte Raven sich.

(01-26-2023, 03:15 PM)Louarn schrieb: Dunduvan öffnete die Tür und er grinste. Mein Grinsen wurde gleich noch breiter und ich stapfte auf ihn zu und zog ihn erst einmal in eine bärengleiche Umarmung, um ihn zu drücken. Da hatte er keine Wahl, da musste er durch. Aber ich musste einfach einmal fühlen, dass er echt war und es ihm gut ging. Als ich ihn wieder losließ, klopfte ich ihm einmal auf die Schultern und atmete erleichtert durch. “Ich hab zwar keine Ahnung, was du mit dem wandelnden Klischee meinst, aber es freut mich wahnsinnig, dich zu sehen, Bruder. Ihr habt mir wirklich gefehlt, ihr alle.“

Ich spähte in die Hütte und zögerte kurz. Es war jemand da, den ich kannte? Das konnte alles oder auch nichts heißen. “Ist Cathbad da?“ fragte ich, und Dunduvan kannte mich wahrscheinlich gut genug, um zu merken, wie sehr es mir grade widerstrebte, ihm unter die Augen zu treten. Natürlich würde ich es tun, keine frage, aber man musste sich ja nicht grade darauf freuen, vermutlich gleich wieder mit Enttäuschung überschüttet zu werden. Und ganz sicher wäre er enttäuscht von mir, wie er es eigentlich immer war. “Und hab ich etwas verpasst? Ich hab Calum schon in der Stadt getroffen und er hat mir von Samhain erzählt. Aber von einem Treffen hatte er da nichts gesagt.“ Und irgendwie schien es wohl ein treffen zu geben, wenn Dunduvan meinte, es seien schon zwei da, wenn ich auch nicht wusste, zwei wovon.

Raven blieb fast das Herz stehen und sie musste husten, weil sie sich an dem heißen Eintopf verschluckt hatte. Louarn, was machte er den hier? Er war ein Falke? Das durfte alles nicht wahr sein, sie zog ihre Kapuze noch etwas tiefer ins Gesicht und beugte sich tief über die Schale.
Lou und Dundi unterhielten sich leise vor der Tür und fast war Raven schon froh darüber und hoffe Lou wieder gehen, aber dann betraten beide dann doch die Hütte.
Louarn redete einfach weiter, ohne auch nur auf jemanden zu achten.

(01-26-2023, 08:45 PM)Louarn schrieb: … Ich lenkte mich selbst ab und betrat die kleine Hütte, während ich weiter erzählte. “Aber der Wind, der mich hergeführt hat, scheint mir genau richtig gewesen zu sein, Dundi. Zumindest hat er mir schon das schönste Mädchen von ganz Britannia in die Arme geweht. Ja, ich weiß, ich sollte mich nicht ablenken lassen, aber… „ Ich grinste vielsagend. Mein Bruder kannte mich ja schließlich auch schon und wusste, dass ich mich durchaus vom schönen Geschlecht gerne mal ablenken ließ. Von meinem seltsamen Traum musste ich ihm ja nicht gleich erzählen, den behielt ich lieber mal für mich.

(01-27-2023, 05:16 PM)Louarn schrieb: “Nein, ich hab sie in Iscalis gesehen, nicht hier in Cheddar. Und sie ist das schönste Mädchen, das… Kennst du das Gefühl in deiner Brust, wenn du morgens früh aufstehst im Winter, kurz vor Sonnenaufgang, und es hat die ganze Nacht geschneit, aber jetzt ist der Himmel klar und du trittst raus und siehst die Hügel vor dir, überzogen von weißem Puder. Und alles ist klar und eisig kalt und jeder Atemzug tut dir in der Lunge weh. Und dann kommt die Sonne, rot und gold, und verwandelt mit einem Mal diese unberührte Landschaft, als wäre der Schnee zu Diamanten geworden, und alles glitzert und funkelt, und du traust dich nicht, dich zu bewegen und versucht, diesen Anblick festzuhalten, und mit einem Mal ist dir ganz warm und du weißt, dass alles gut wird?
Oder in den Hochebenen ganz im Norden, wo die Adler fliegen. Stell dir da einen See vor, der so klar ist, dass sich der Himmel mit jeder kleinen Wolke darin spiegelt und du dir nicht sicher bist, ob er wirklich auf dem Boden ist oder frei schwebt. Und dann kommt Wind auf, der feine Wellen über die Wasseroberfläche treibt, die immer größer werden, als hätte ein Gott sie angestoßen.
Oder im Wald, wo es dunkel ist und du fühlst dich unheimlich und bedroht, und mit einem Mal fangen alle Vögel an zu singen, und du weißt, dass keine Gefahr droht und alles in Ordnung ist.“

Ich grinste schief. Das war jetzt wahrscheinlich einen Hauch zu poetisch gewesen. Vielleicht wäre ich doch kein ganz schlechter Filid geworden, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
“So hab ich mich gefühlt, als wir uns geküsst haben. Es war nicht mehr, nur dieser eine Kuss. Und… sie ist viel klüger als ich. Sehr viel klüger. Sie ist danach gegangen und…“
Ich schüttelte den Kopf und wurde wehmütig, realistisch. “Sie hatte recht damit. Ich weiß das. Ich meine, was könnte ich ihr schon anbieten, außer einem vermutlich frühen Tod und davor jede Menge Ärger? Und ich weiß, sie verdient jemanden, der ihr ein Heim bieten kann, wo sie zwanzig Kinder aufziehen kann und im hohen Alter mal umgeben von hundert Enkelkindern friedlich einschlafen kann in dem Wissen, dass alle, die sie liebt, sicher sind.“ Und ich hatte nicht einmal ein Haus, von einem festen Einkommen oder gar Frieden ganz zu schweigen. “Aber im Moment möchte ich diesen Idioten, wer auch immer das sein wird, am liebsten verprügeln.“
Und da sie Römerin war und ihr Zukünftiger damit höchstwahrscheinlich Römer sein würde, war es nicht ganz unwahrscheinlich, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen würde.

“Aber genug Liebesgeschwafel. Haia ihr beiden. Ich bin Louarn. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Du bist Cartivel?“ fragte ich den Älteren und hoffte, dass ich ihn jetzt nicht zu sehr mit meinen lyrischen Ergüssen gelangweilt hatte. Aber wir Kelten waren ein sehr leidenschaftliches Volk, da passierte sowas halt mal.

Er redete über sie, wie sie sich getroffen hatte, wie …. Er beschrieb sie wie ein echter Barde, seien Worte legten sich wie sanfter Schnee um sie doch nicht kalt, sondern nur sanft und zart. 
Genau so wie er es beschrieb wurde ihr jetzt heiß und ihre Wangen glühten unter dem Umhang. Sie traute sich kaum zu atmen weil sie befürchtet das es sich wie ein Wirbelsturm anhören konnte. Ihr Herz schlug hart an ihre Brust und ihre Ohren klingelten und rauschten. Doch es war nicht unangenehm. Wobei sie kurz dache das sie das nicht hören sollte und Louarn sicher auch nicht wollte das sie es hörte.
Als er von ihrem zukünftigen Mann sprach und ihn trotzdem am liebsten umbringen wollte musste sie fast laut auflachen. 
Doch ganz konnte sie es nicht vermeiden das sie leise lachte, was sich eher wie ein prusten anhörte mit dem Schluck Suppe im Mund.

Zu ihrer Rettung kam in dem Augenblick Calum und wurde von den beiden begrüßt. 
Ihr Herz weitet sich noch etwas mehr als sie sah wie Lou, Calum wie ein liebender großer Bruder beschützend in den Arm nahm. Am liebsten würde sie sich jetzt in seinen zweiten Arm flüchten doch sie musste jetzt da durch.

Sie schob die Schale von sich weg und streifte den Umhang von Kopf und Schultern. 
Ihre Haare lagen offen über ihren Schultern, nur von einem Lederband um die Stirn gehalten. Der blaue Mondstein hing um ihren Hals und sie trug eine einfache Tunika.
Sie war ein Falke aber auch gleichzeitig eine Priesterin und beides war bei diesem Treffen wichtig.
Geschmeidig stand sie auf und ging zu den drei Jungen, der Druide sah sie zwar etwas erstaunt an, doch sie hatte nur Augen für Louarn. 
Er stand in der Tür, das Licht von außen badete ihn in ein helles Licht.

Wie würde er jetzt auf sie reagieren? Wie sollte sie auf ihn reagieren? 
Er war ihr Bruder, sie seine Schwester. 
Diese Erkenntnis traf sie wie ein Donnerschlag und kurz musste sie sich fangen, um nicht zu stürzen. 
Ihre Beine waren wie aus Butter und ihr Herz wollte gar nicht mehr aufhören wie wild zu schlagen, doch sie hatte gelernt ihre Gefühle zu lenken. Sie nur zu zeigen wenn es der richtige Zeitpunkt war und jetzt war es kein guter Zeitpunkt schwäche zu zeigen.
Sie blieb vor Lou stehen und sah ihn ruhig und ernst an. 
„Ich bin Raven, Tochter von Igraine und die Jungfrau des Samheinfeuer, Schwester der Falken und Helena.“
Jetzt war es raus, nichts, was war wird sein und was ist wird die Göttin lenken. Sie musste daran glauben, nicht geschah ohne Grund.
Namen haben Macht.
[Bild: 1_22_10_22_8_54_26.png]Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-02-2023, 08:07 PM,
Beitrag #22
RE: Die Hütte von Boduognatus
„ Raven – natürlich“
Cathbad und seine Geheimnisse. Kein Druide war dem anderen Rechenschaft schuldig, und doch wäre es besser gewesen, er hätte die Brüderschaft auf dem Laufenden gehalten. Mehr ein Gerücht war es gewesen als greifbare Wirklichkeit: Ein Mädchen, das überlebt hatte. Dann Cartivels Vision auf dem Weg nach Cheddar: Die Priesterschülerin, die Cathbad rief, das Mädchen, das sich in einen Raubvogel verwandelte. So lange Jahre hatte Cartivel nicht mehr an die junge Frau – denn mittlerweile musste sie wie die anderen auch siebzehn Jahre alt sein – gedacht, jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der filigrane Jüngling, das war sie. Sie war in Iscalis. Genauso wie auch die anderen von Cathbads Kriegertruppe: Der so unbekümmert wirkende Sänger Louarn, der verschlossene Dunduvan, der sanfte, freundliche Calum und natürlich Raven, angehende Priesterin, Falkin und herzzerreißend schön mit ihrem dunklen Haar, ausgezeichnet durch ihren blauen Mondstein.

 Sie waren die Falken, durch die Fäden des Schicksals verwoben. Wie scharfe Schwertklingen waren sie oder wie Pfeile, die Cathbad mitten ins Herz des Feindes schießen wollte: Rache für die Mütter, Rache für die Schwestern, Tod den Eroberern. 
Als wären sie jetzt schon Geister aus der Unterwelt. 

Aber genauso waren sie Siebzehnjährige.

 Gerade hatte die Göttin etwas gefügt, mit dem Cathbad bestimmt nicht gerechnet hatte: 
Die glutvollen Worte des jungen Louarn galten Igraines Tochter, der Jungfrau in diesem Jahr.....

„Stärkt euch“, sagte Cartivel zu allen, aber zu Louarn und Raven sagte er:

„Wollt ihr beide euch vielleicht vor der Hütte unter vier Augen sprechen, bevor wir alle über das, weshalb ich nach Cheddar gekommen bin, reden?“

In seiner Stimme schwang durchaus Mitgefühl. Aber es war besser, sie klärten zunächst, was sie bewegte. Auch wenn Louarn ein pflichtbewusster Mann war, und Raven die Selbstbeherrschung der zukünftigen Priesterin zeigte; da war ein Flämmchen, das sie besser austraten, bevor es zu einer verzehrenden Flamme wurde.

Nun kam der Dorfjunge, stellte einen Keramikkrug gefüllt mit Met auf den Tisch und verschwand so schnell er konnte wieder. Der Inhalt des Kruges war von dunkler Farbe und verströmte den harzigen Geruch nach Eichenholz.
[Bild: 1_22_10_22_8_51_56.png]
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02-02-2023, 08:30 PM,
Beitrag #23
RE: Die Hütte von Boduognatus
In einem Moment noch war mein größtes Problem die Frage, ob Calum und Dunduvan den Tag ohne Streit rumkriegen würden, und im nächsten stand meine ganze Welt unwiederbringlich auf dem Kopf. Ich stand noch da, wollte mit Calum zum Tisch gehen, als der vermeintliche Bursche aufstand, die Kapuze über den Kopf nach hinten wegklappte, und sich in sie verwandelte. Im ersten Moment dachte ich, dass ich schon wieder träumte. Viele meiner Träume waren so real, dass ich nicht immer wusste, ob ich gerade schlief oder nicht. Caradoc hatte es grüne Träume genannt, als ich ihm davon erzählt hatte. Erst gestern hatte ich einen gehabt. Und grade dachte ich schon wieder daran und fragte mich, ob der ganze Tag heute auch Teil des Traumes war und ich eigentlich noch schlief. Irgendwie wünschte ich mir, dass es so wäre, dann würde ich nämlich aufwachen und das hier wäre nicht so, wie es war.
Aber ich wachte nicht auf. Das Blut rauschte in meinen Ohren, und wahrscheinlich hätten in genau diesem Moment auch zehn nackte Elfen hereinkommen und tanzen und mich mit Misteln krönen können, um mir zu verkünden, dass der Gehörnte Gott mich in die Anderswelt berief, um mich zu seinen Jägern zu berufen und seine Große Jagd anzuführen – ich hätte es nicht bemerkt. Vielleicht passierte das ja auch gerade? Keine Ahnung, ich schaute nur auf Helena Raven, die sich nicht nur von einem Jungen gerade in ein Mädchen verwandelt hatte, sondern auch noch von einem Mädchen, für das ich… ich wollte jetzt nicht nachdenken, was ich für sie empfand. Es war jetzt hinfällig, musste hinfällig sein. Sie war meine Schwester. Eine Priesterin. Eine von uns. Ich durfte nichts empfinden, was über die Gefühle eines Bruders hinausging.
Und trotzdem dachte ich an meinen Traum, wie wir uns im Wald vereinigt und geliebt hatten, wie wir eins und vollkommen waren und alles auf einmal Sinn gehabt hatte. Und daran, wie sie sich verwandelt hatte, an die Augen aus reinem Sonnenlicht und den Donnerschlag, als sie meinen Namen ausgesprochen hatte.

Ich merkte, dass ich sie einfach nur anstarrte, ohne mich zu rühren oder etwas zu sagen. Ich hätte so viel zu sagen gehabt, aber gleichzeitig auch keine Worte dafür. Und ganz unmöglich konnte ich ihr alles, was in meinem Kopf so vor sich ging, JETZT sagen. Meine Brüder waren beide hier, und die würden ganz sicher kein Verständnis dafür haben, aus verschiedensten Gründen. Und Cartivel war ja auch noch da, den ich überhaupt nicht einschätzen konnte. Aber ich nahm jetzt einfach mal an, dass er es nicht besonders lustig fände, wenn ich mich in die Jungfrau des Samhainfeuers verguckte.

“Raven“ wiederholte ich den Namen und meine Stimme fühlte sich bleiern und heiser an. Wieder entstand eine Pause, ehe ich mich meiner Lektionen erinnerte. Jetzt war nicht die Zeit dafür. Wahrscheinlich war nie die richtige Zeit dafür, aber jetzt war sie definitiv so überhaupt gar nicht. Und dass ich mich merkwürdig verhielt, fiel wohl auch dem Druiden auf, der mich fragte, ob ich mit Raven rausgehen und etwas klären wollte. Ich schaute zu ihm, und ja, verdammt gerne würde ich jetzt mit Raven alles besprechen. Wirklich alles. Aber das wäre zu auffällig, würde alles hier verzögern, und Calum und Dunduvan würden nur noch misstrauischer ihr gegenüber werden, wenn ich jetzt mit ihr nach draußen ging und keine Ahnung wie lange brauchen würde, um alles zu bereden, für das ich keine Worte und keine Erklärung hatte. Ich wollte das nicht zwischen Tür und Angel besprechen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was ich sagen sollte, wenn ich mit ihr redete, aber dass ich mir dafür ZEIT nehmen wollte, das wusste ich ganz genau. Weil es so verdammt wichtig war, die nötige Zeit dafür zu haben, alle Worte zu sprechen und… ich hatte keine Ahnung. Wirklich gar keine. Aber ich wusste, dass es viel zu wichtig war, um es gehetzt zu tun.
Ich blinzelte kurz und sah dann Cartivel an. “Nein, du bist weit gereist und Calum hat keine Zeit.“ Ja, ich hatte die Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens, aber ich hörte trotzdem zu. Und Calum hatte gesagt, er hätte keine Zeit. “Ich war nur gerade etwas überrascht, entschuldige. Ich dachte nur, Raven wäre dein Lehrling und ein Junge und nicht… meine Schwester.“
Ich wandte den Blick wieder ihr zu und hoffte, dass sie es in meinen Augen sah, was ich meinen Brüdern ihr gegenüber nicht zeigen wollte. Verrückt, ich weiß. Trotzdem hoffte ich, dass sie merkte, wie wichtig mir es in Wirklichkeit war, mit ihr zu reden. “Aber danach würde ich gern mit dir reden, wenn du Zeit hast. Ich… ich möchte gerne alles über meine Schwester wissen und sie kennenlernen. Also, so wirklich kennenlernen. Wenn du möchtest.“ Ich wollte ihr nicht weh tun. Verdammt, nie hatte ich ihr weh tun wollen, selbst dann nicht, als ich noch nicht wusste, wer sie war. Und ich wusste, dass meine Brüder wahrscheinlich schon das nicht unbedingt gut finden würden. Aber wahrscheinlich würden sie das verstehen. Ich hoffte es. Ich war schon immer neugierig gewesen, und allen Menschen aufgeschlossen. Das war mein Fehler. Also, einer von vielen. Aber sie kannten mich so.
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Falke
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02-03-2023, 12:09 AM,
Beitrag #24
RE: Die Hütte von Boduognatus
Der, nun, erwartungsvolle Unterton in Deimos‘ Stimme war Calum nicht entgangen. Er hatte das Gefühl, ihr Verhältnis hatte sich merklich abgekühlt. Je mehr Calum das Leben außerhalb ihres kleinen Kults kennenlernte, desto mehr schien er von Deimos wegzurücken. Ein Umstand, den er bedauerte. Aber es fühlte sich unvermeidbar an. Er spürte das Misstrauen. Es tat weh, aber vielleicht war es angebracht.
Zu seiner Überraschung schälte sich Raven aus den Schatten, nachdem er von Louarn herzlich begrüßt worden war. Den Druiden begrüßte er respektvoll, ehe er die Nummer zwischen Raven und Louarn bemerkte. Deimos warf er einen fragenden Blick zu und hoffte inständig, dass das nicht eine der üblichen Geschichten war, welche Louarn auf Schritt und Tritt folgten. Sollte er das ignorieren?
Calum, der sich ans Feuer setzte, hörte mit Erleichterung, wie die Katastrophe nach hinten verschoben wurde und nahm von den Gaben, welche der Druide ihnen mitgebracht hatte. Er hatte wirklich Kohldampf nach dem Weg hierher und war auch erschöpft. Er fühlte sich oft erschöpft seit einiger Zeit. Kraftlos und niedergeschlagen. Aber er musste sich zusammenreißen. Er musste einfach.
„Ich komme mit Neuigkeiten von Samhain“, erklärte er gleich ohne Umschweife. Ihm war klar, dass der Druide vermutlich mit weiteren Anweisungen gekommen war. Doch das hier musste er als erstes loswerden. Es war zu wichtig. „Ich bringe Caradocs letzte Worte, bevor ihn die Römer mitnahmen. Seine Interpretation der Prophezeiung, er… vertraute sie mir an.“
Und jetzt würden die Fragen kommen, warum er damit nicht schon früher gekommen war…
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02-03-2023, 01:57 PM,
Beitrag #25
RE: Die Hütte von Boduognatus
Wann hatte sie begonnen, die schleichende Entfremdung zwischen Calum und ihm selbst, dachte Dunduvan, als er den Jungen ansah, der nun zu sprechen begann. Sein Bruder. Sein lieber Calum. Er hatte ihn manchmal mit Spott überzogen, doch nie hatte er ihn verletzen wollen. Calum war eine Gewissheit in seinem Leben, wie die Sonne oder der Mond.  Er selbst hatte immer daran gedacht, was denn Cathbad an seiner Stelle tun würde, hatte versucht, die Falken zusammen zu halten und zu der todbringenden Waffe zu schmieden, die sie sein sollten. Doch das hatte Calum wohl von ihm weggetrieben. Sein Bruder war nicht zu ihm gekommen, um ihm die Neuigkeiten zu erzählen, doch Louarn hatte er sie anscheinend sofort anvertraut, kaum das dieser angekommen war…. Dunduvan schluckte. Es war ein feiner dünner Schmerz….

Und dann Raven und Louarn. Sie schauten einer den anderen an, wie zwei Kälber, wenn es donnerte. Dunduvan konnte Zwei und Zwei, oder in diesem Fall: Eher Eins plus Eins, zusammenzählen. Sie war das Mädchen gewesen, das Louarn geküsst und ihm die Sinne verwirrt hatte.

Cartivel schien das sogar noch zu verstehen. Dunduvan fehlte dafür Verständnis. Er selbst hatte Raven gegenüber nie ein liebes Wort verloren, auch wenn er…. Lassen, nur lassen hier weiter zu denken. Auch das gab nur noch mehr Schmerz.
Hatte die Entfremdung nicht überhaupt begonnen, als Cathbad die Schwester mit in die Höhle gebracht hatte?

Während sich Dunduvans  Magen zusammenzog, weil er kein Essen anrührte, wurde sein Geist wach und gespannt, von einer unnatürlichen Geschärftheit, die ihn Kleinigkeiten – die Reflexe des Tageslichts auf dem Holz beispielsweise – in allen Kontrasten wahrnehmen ließ.

Er lächelte Calum zu und nickte. Gut, dass sein Bruder die Deutung der Weissagungen mitgebracht hatte. Gut, dass er bei Caradoc gewesen war.  Der Kampf war zum Greifen nahe. Alles würde wie zuvor sein; sie würden gemeinsam planen, wie sie die Römer vertrieben. Das Imperium würde ohnehin bald untergehen. Cathbad selbst hatte es vorausgesagt.
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Falke
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02-04-2023, 11:20 AM,
Beitrag #26
RE: Die Hütte von Boduognatus
Ob sie sich etwas zu sagen hätten, draußen vor der Tür, fragte Cartivel. Was sollten sie sich den zu sagen haben, es war alles gesagt. Er war ein Falke und sie auch…fertig und aus.

Raven hatte tausend Fragen und noch viel mehr eigene Antworten. 
Die Römer nannten sie Parzen, doch Morrigan* war auch eine Kriegsgöttin und diese hatte wohl ein Auge auf sie geworfen. Ihren Bruder in ihr Herz schleichen lassen, das war nicht nur grausam, es war eine Prüfung für die junge Priesterin.
Bis auf einen Kuss hatte es nichts gegeben doch dieser Kuss hatte alles verändert. Er hatte ihr gezeigt, dass es ein Voraussehen gab, nichts geschah ohne den Willen der Götter, doch was sollte dies jetzt bedeuten?
Raven war innerlich völlig verstört und hätte am liebsten laut geschrienen, sich in die Welt der Göttin geflüchtet. Halt gesucht und vielleicht auch dort gefunden.
Jetzt hier, an dieser einfachen Hütte, mit ihren Brüdern und der Voraussagung des Jahres war nicht die richtige Zeit darüber nachzudenken.

„Raven“ seine Stimme und wie er ihren Namen aussprach, traf sie tief im Herzen doch auch gleichzeitig legte sich ein eisernes Band darum. 
Sie wollte und sie durfte jetzt nicht zulassen das etwas anderes ihre Gedanken beschäftigte als das war jetzt für sie alle vor ihnen lag.
Doch auch er schien das zu spüren den kaum, dass sie sich gefestigt hatte, war er auch ganz der Druide, den sie in Zukunft in ihm sehen würde und lehnte das Angebot ebenfalls ab.

Sie wendete sich jetzt endgültig um und hörte noch wie er sie bat später mit ihr reden zu können. Nur ein kleines Nicken von ihr, den ihre Stimme würde jetzt noch versagen.

Am Tisch wieder angekommen setze sie an ihren Platz und sah zu Calum und Dunduvan, hatten sie ihre Zerrissenheit bemerkt? Machten sie sich ihre eigenen Gedanken? War sie noch die Schwester UND die jungfräuliche Priesterin für sie?
War das alles überhaupt wichtig? 
Es war jetzt nur wichtig wie war die Deutung der Orakel und was würden sie damit anfangen.
Erwartungsvoll sah sie jetzt Calum an, der angefangen hatte zu berichten.

https://www.vikingceltic.de/blogs/infos/...ten#toc-13
Namen haben Macht.
[Bild: 1_22_10_22_8_54_26.png]Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-04-2023, 07:32 PM,
Beitrag #27
RE: Die Hütte von Boduognatus
Sieh mal einer an, dachte Cartivel, hob den Kopf und schaute Calum nun doch erstaunt an. An diesem Jungen ist mehr dran, als ich vermutet hätte. Darum wollte Cathbad ihn für sich haben. Doch selbst er wäre nun von dieser Wendung überrascht. 

Der rotbärtige Druide hatte sich einen Becher mit Met eingeschenkt, den er jetzt allerdings unberührt vor sich stehen ließ:

"Du warst also bei Caradoc, bevor er starb, Druidenschüler Calum? Hmm, ich bin überzeugt davon, dass nicht einmal Cathbad etwas davon auch nur geahnt hat. Damit ist die Botschaft, die ich euch von Cathbad bringen sollte, zum Teil zumindest hinfällig.
Außer dass er euch grüßt und euch ermahnt, alle und das heißt wirklich alle, zusammen zu halten und euch gegenseitig beizustehen, lässt er euch ausrichten, dass da die Weissagung der Göttin für dieses Jahr verloren ging, ihr vorsichtig sein sollt mit dem was ihr tut. Lasst euren Verstand entscheiden und eure eigenen Visionen, bis die Götter wieder mit uns sprechen - 
Jetzt haben sie anscheinend aber mit Calum gesprochen, und das ändert vieles, wenn nicht gar alles"

Cartivel fragte nicht nach, weshalb der junge Falke jetzt erst mit der Sprache herausrückte. Für ihn galt, dass das was geschehen sollte, auch immer früh genug geschah. Sie waren alle hier versammelt, bereit zu hören, was vor ihnen lag:

"So sprich denn, Calum", Cartivel hob den Becher und nickte ihm aufmunternd zu.
[Bild: 1_22_10_22_8_51_56.png]
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02-04-2023, 08:18 PM,
Beitrag #28
RE: Die Hütte von Boduognatus
Calum war im Stillen verwirrt. Niemand machte ihm Vorwürfe, wie er es eigentlich erwartet hatte. Ob es an Cartivels Anwesenheit lag? Überhaupt war dieser Druide ganz anders als die anderen, die er kannte. Jung, stark und von der Statur mehr Krieger als Weiser. Viel Zeit zum Nachdenken darüber blieb Calum jedoch nicht, denn die Aufmerksamkeit lag jetzt ganz bei ihm. Druidenschüler… Wie lang war es her, als dieses Wort noch Bedeutung gehabt hatte? Als er noch geglaubt hatte, eines Tages vom selben Rang zu sein? Mehr als… was Cathbad in ihm zu sehen schien.
Calum räusperte sich.
„Schön, dann los. Diese Worte hat er mir kurz vor der Ankunft der Römer anvertraut. Ich weiß, ich hätte sie früher sagen sollen, aber… ich konnte nicht. Es tut mir leid, was ihr gleich hören werdet.“
Damit holte er Luft und rezitierte Caradocs letzte Worte aus dem Gedächtnis, denn er hatte sie sich gemerkt:

"Saat und Ernte werden ihren Gang gehen.
Doch was Gewissheit war, wird keine mehr sein.
Die Fremden werden Dinge geschehen lassen,
die unser Leben ein für allemal verändern.
Die Welt wandelt sich.

Noch einmal sammeln sich die Falken
im Namen unserer alten Götter.
Ihr Kampf wird viel Leid verursachen.
Er wird über der Erde und unter der Erde geführt.
Doch gibt es Hoffnung.

Ein Kind wird geboren von zweierlei Blut.
Aber dieses ist kein Kind der Gewalt.
In Liebe gezeugt, in Liebe geboren,
wird es wachsen.

Und Cathbad irrte:
Es braucht noch viele Sommer und Winter,
bis das Reich der Römer
sein Ende findet."

Bei den letzten Worten war Calum langsamer geworden. Er sah Deimos nicht an, welcher der Grund für sein Schweigen gewesen war. Nicht aus Angst – nicht nur. Sondern, um seinen Bruder zu schützen vor der niederschmetternden Wahrheit. Die Worte des Druiden bestätigten, was er schon immer vermutet hatte: Ihr Kampf war aussichtslos. Die Römer würden noch viele Jahre über dieses Land herrschen und jeder Versuch, gegen sie anzukämpfen, würde nur noch mehr Leid und Tod verursachen. Er hatte das Deimos ersparen wollen. Doch er wollte auch nicht, dass sie in dieser sinnlosen Schlacht ihr Leben ließen.
„Der Kampf ist verloren“, sagte er. „Wenn wir weitermachen, bringen wir nur Unheil über alle und über uns selbst – bis selbst unsere Freunde uns hassen. So, nun wisst ihr’s. Das war die Prophezeiung der Drei, die eine sind.“
Damit war alles gesagt. Calum wusste nicht, was er nun tun sollte. Er hatte seit Tagen nicht Informationen eingeholt, sondern sich in seine Arbeit in der Schmiede geflüchtet. Immerhin war Raven dafür ja jetzt da. Doch selbst dort kreisten die Gedanken wie Geier über ihm und ließen ihn nicht in Ruhe. Er machte Fehler. War fahrig. Sie hielten ihn wach, machten ihn traurig und niedergeschlagen.
„Wie auch immer. Ich habe alles gesagt, also sollte ich wohl wieder gehen. Was nun zu tun ist, solltet ihr entscheiden“, sagte er mit monotoner Stimme und erhob sich.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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02-04-2023, 08:52 PM,
Beitrag #29
RE: Die Hütte von Boduognatus
Es sagte zwar niemand was, aber ich sah durchaus, wie sie es alle vermieden, mich anzusehen. Verdammter Mist, ich würde viele Dinge besser überspielen müssen, damit dieser Verdacht von mir und Raven genommen wurde. Es war ja auch nichts passiert! Nur ein Kuss! Mehr war es nicht gewesen! Auch wenn dieser eine Kuss anders war als die vielen, die ich zuvor in meinem Leben gehabt hatte. Auch wenn er mich noch immer verbrannte, tief in mir, wie ein beginnender Waldbrand, der nur darauf wartete, dass der Wind auffrischte. Auch wenn alles in mir danach schrie, selbst den Windstoß herbeizuführen und mich verbrennen zu lassen. Nicht, weil es irgend einem niederen Trieb entsprang, sondern weil es sich zum ersten Mal richtig anfühlte. Als wäre ich endlich da, wo ich sein sollte. Als hätte das Universum aufgehört, sich wie wild um mich herum zu drehen und als wären endlich alle Teile dieses großen, kosmischen Puzzles an ihrem Platz und würden nur darauf warten, dass ich das Bild endlich erkannte. Ja, so, genau so fühlte es sich an, wenn ich Raven ansah. Und es fühlte sich so unendlich falsch an, so zu tun, als wäre es nicht so, nur weil mein Verstand wusste, dass das nicht die Wahrheit sein durfte. Weil sie meine Schwester und eine Priesterin und die Jungfräuliche war, und ich wusste, dass jeder dieser Punkte allein schon genug Grund war, jegliches Gefühl niederzukämpfen und nicht weiter darüber nachzudenken. Alle drei zusammen waren aber geradezu ein göttliches Urteil, an dem ich nicht zu rütteln hatte.

Und trotzdem sagte mir alles, dass es falsch war, sie gehen zu lassen.

Ich vertrieb die launigen Gedanken und schaute bewusst meine Brüder an, als wollte ich sie fragen, was sie so komisch schauten. Es war ja nichts. Es durfte nichts sein. Also sollten sie nicht denken, dass da etwas wäre. Sie kannten mich. Ich hatte schon häufiger ein Mädchen im Arm gehalten, und auch, wenn es bei weitem nicht mit allen über das Küssen hinausgegangen war, war bisher keines dabei gewesen, das mich wirklich hätte fesseln können. Sie hatten also keinen Grund, anzunehmen, dass die momentane Schwärmerei, die ich offenbart hatte, irgendwie anders wäre.
Ich setzte mich also betont entspannt und nahm auch einen Becher Met, von dem ich einen kleinen Schluck nahm. Irgendwie schmeckte er bitter. Aber ich wollte mich ohnehin nicht betrinken. Ich setzte mich also und hörte mir die Worte von Cartivel an. Zum Glück sagte er nichts mehr zu Raven oder mir, also betrachtete ich die Verdächtigung als erst einmal erledigt. Als er Cathbads Nachricht übermittelte, verzog sich mein Gesicht ganz kurz zu einem zynischen Lächeln. Ja, genau, wir sollten unseren verstand entscheiden lassen. Mir war sofort klar, dass er damit nicht meinen Verstand meinte, sondern viel eher den von Dunduvan. Und dass wir einander beistehen sollten, war für mich auch nur wieder ein Zeichen, Kontrolle ausüben zu wollen. Als hätte einer von uns die anderen jemals hintergangen. Es war wie eine beständige Schwere, die sich auf mich legte und das Licht von eben erdrückte. Ich wusste genau, was Cathbad wollte. Was er immer gewollt hatte. Rache. Blut und Feuer. Wir waren nur willfährige Werkzeuge, keine Menschen. Nur eine Waffe, die er benutzen konnte. Und wenn einer von uns dabei zerbrach…

Ich schaute zu Calum und fasste mich wieder. Ja, ich hatte ihm versprochen, zu ihm zu halten, egal, was heute passieren würde, und ich hatte ja auch schon mein Möglichstes im Vorfeld getan. Auch Dunduvan beherrschte sich und wartete für seine Verhältnisse sehr geduldig, was Calum zu sagen hatte. Und der fing dann auch an und berichtete, was Caradoc ihm gesagt hatte.

Jetzt, wo ich die Prophezeiung in ihrer Gänze hörte, sah ich das alles gar nicht mehr so schwarz, wie ich befürchtet hatte. Ich verstand zwar wie meistens nicht, was das bedeuten sollte. Aber so war es immer, alle Prophezeiungen waren immer so vage, dass ja niemand einen verlässlichen Schluss daraus ziehen könnte. Ein Kind von zweierlei Blut, das konnte alles heißen. Das konnte auf zwei keltische Blutlinien hinweisen oder auch ein Mischlingskind zwischen Römern und Kelten oder sogar zwischen Mensch und Ziege. Wobei ich mich da fragte, wer sich in eine Ziege verlieben würde. Vielleicht doch kein Ziegenmischling. Aber der Rest war vollkommen offen.
Und auch die vielen Sommer und Winter konnten drei oder dreitausend sein. Calum hatte mir zuvor gesagt, dass er dachte, dass es noch Jahrhunderte dauern würde, aber eigentlich war es eben nicht so eindeutig.
Calum wollte auch gleich wieder gehen, weshalb ich aufstand und ihn erst einmal aufhielt. Nein, ich ließ ihm keine Wahl, als ich ihn am Arm griff und zu mir zog, so dass ich meine Stirn an seine legen konnte. “Schau mich an, kleiner Bruder“, sagte ich und wartete, bis er es tat. So bei dieser Nähe wirkten seine Augen riesig. Und traurig. Weshalb ich all das, was in mir auch toben mochte, nach hinten drängte, um jetzt die Stärke zu haben, die er brauchte. “Es wird alles gut werden. Und niemand ist wütend auf dich. Die Prophezeiung spricht auch von Hoffnung. Und wir werden sie finden, in Ordnung?“ Ich schaute ihn lange an, damit meine Worte zu ihm durchdringen konnten, ehe ich ihn aus meinem Griff ließ und zum Schluss nochmal meine Hand auf seine Schulter legte und sanft drückte. “Wir schaffen das. Was immer auch passieren wird, zum Guten oder zum Schlechten. Wir schaffen das. Ich lass nicht zu, dass einem von euch ein Leid geschieht.“ Würde ich nicht. Hatte ich noch nie. Ich konnte zwar nicht viel, aber wenigstens kämpfen konnte ich. Und für meine Familie kämpfte ich. Ohne wenn und aber.
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Falke
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02-06-2023, 11:50 AM,
Beitrag #30
RE: Die Hütte von Boduognatus
Dunduvan war ganz blass geworden, seine dunklen Augen brannten in seinem Gesicht wie zwei Kohlestücke.
Er glaubte nicht, dass Calum gerade log, Calum war aufrichtig wie kein anderer, und niemals wäre er bei solch wichtigen Angelegenheiten auch nur ein Jota von der Wahrheit abgewichen.
Aber Cathbad hatte sich nicht geirrt. Diese Gewissheit war es, die morgens in Dunduvans Kopf war, wenn er aufstand, und abends, wenn er sich Schlafen legte; sie war da und so gewiss wie der Wechsel der Jahreszeiten und die Sterne am Himmel.
Seit Jahren bestimmten Cathbads Wille sein Leben. Und seit einem Jahr hatte es diese äußerst wichtige Prophezeiung über das Ende gegeben. Die Prophezeiung, wegen der doch Louarn in den Norden aufgebrochen war, um die Stämme zusammen zu rufen. Die Explosion im Bergwerk sollte nur der Anfang sein, der Schlachtenruf für die Schlacht, die letztendlich Albion die Freiheit bringen sollte.

Etwas zerbrach in ihm. Wo andere Hoffnung sahen, tat sich vor ihm der Abgrund auf. Er erhob sich und sein Becher kippte um, und der dunkle Met ergoss sich glänzend wie frisches Blut auf dem Holz. Er beachtete nichts davon.

Calum wollte gehen, und sah aus, als sei er geprügelt worden, und Louarn hielt ihn zurück.

Dunduvans Stimme klang in seinen eigenen Ohren fremd, wie gepresster Papyrus. Er sagte:

„Hoffnung Louarn? Du warst im Norden und solltest die keltischen Stämme gegen den Feind mobilisieren. Warst du erfolgreich?“ und:
„Calum, du jedoch bist betrogen worden. Caradoc muss die Deutung der Weissagung in eine ihm genehme Richtung verbogen haben. Warum- wer weiß? Er war ein Mann des Friedens; vielleicht haben ihm die Römer Frieden versprochen! Auf Frieden verstehen sich die Eroberer ja – auf die Art, die auf einem Schlachtfeld herrscht mit Tausenden von keltischen Gefallenen“

Die Worten schmerzten. Er wusste selbst, dass seine Anklage gegen einen Druidenmeister ungeheuerlich war. Er würde sich vermutlich deswegen vor dem Rat verantworten müssen. Vielleicht würden sie ihn ausstoßen. Aber die zerbrochene Wirklichkeit musste in eine neue Form gegossen werden, sonst würde Dunduvan gleich durchdrehen:

„ Ich habe dafür keine Beweise. Doch nun ist Caradoc tot. Die Götter bestrafen, wer ihren Willen nicht tut, das seht ihr doch“, fuhr er mit leiser Stimme fort:
Ich für meinen Teil mache weiter wie geplant. Die Mine wird zerstört. Euch andere Falken kann ich nicht verpflichten, da nun Druidenwort gegen Druidenwort steht; also handle ein jeder so wie es ihm bestimmt ist“ ,

er spürte, dass etwas in seiner Kehle saß wie ein dicker Kloss. Er würde weiter Cathbad folgen. Aber das erste Mal gab es so etwas wie Entscheidungsfreiheit für die Falken, da Caradoc Zweifel gesät hatte. Zum ersten Mal hatte jeder einzelne so etwas wie eine Wahl.
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Falke
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