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Normale Version: Die Hütte von Boduognatus
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[[Bild: henry-herbert-la-thangue-sussex-hayricks-d4c0e4.jpg]

Boduognatus war ein alter Krieger, der nun äußerst bescheiden lebte, da ihn die Römer in der großen letzten Schlacht nordwestlich von Verulam vor nahezu siebzehn Jahren fast bis auf den Tod verwundet hatten. Er hielt den alten Sitten die Treue; den Druiden und den alten Göttern.
Boduognatus galt als harmlos, wenn er mit seinen Krücken - ihm fehlte das rechte Bein bis zum Knie - so mühevoll herumhumpelte. Doch jeder, der von den Römern gejagt wurde, konnte bei ihm eine helfende Hand finden.


[Bild: Boduognatus-1.png]


Bildnachweis

>>> Cartivel war nun angekommen, wo er ankommen wollte, an einem Steinhaufen, der den Namen Hütte kaum verdiente, und der Bodougnatus gehörte. 
Er klopfte leicht gegen die Tür: " Im Namen der Weißen Göttin, ein Wanderer bittet um Zuflucht und ein Dach über dem Kopf!", rief er.
Es dauerte eine Weile, bis sich innen etwas regte und Boduognatus herausgehumpelt kam. Aber auch wenn er versehrt war, einen scharfen Blick hatte der alte Krieger:
"Komm nur herein", sagte er: "Beides lässt sich finden, wenn dir das als Obdach genügt, o Druide"
Cartivel ließ seinen wohlgefüllten Vorratssack in Bodougnatus Hände gleiten - darin gab es Hartwürste, Käse und Getreide zum Mahlen, und Bodougnatus roch zufrieden daran:
"Es ist noch einer da von euch", sagte er beiläufig: "Aber das Essen wird reichen. Ich schaue zu, dass ich das Mehl mahle", er humpelte davon.
Cartivel musste sich bücken. Der Boden innen war aus gestampfter Erde, und zur Hälfte mit getrocknetem Gras ausgelegt.
Ein dunkelhaariger Mann blickte ihm entgegen. Er war noch jung, aber etwas ließ ihn älter wirken.
"Ich bin nicht Cathbad, wie du siehst", beugte Cartivel der Enttäuschung vor: "Doch ich habe ihn getroffen"
Dunduvan hatte nicht geschlafen, sondern in das Dämmerlicht gestarrt und nachgedacht. Er wusste, dass zumindest zwei der Falken in Iscalis waren. Calum machte eine Lehre als Schmied. Raven.... schon der Name rief in ihm eine Mischung seltsamer Gefühle wach - lebte ganz und gar unter den Römern. Es gab etwas an den Eroberern, etwas was nichts mit Schwertern oder Gewalt zu tun hatte, sondern mit einer stillen, beharrlichen Überzeugungskraft. Wie eine Schwäche überfiel es den Körper und hütete man sich nicht, war man einer von ihnen.  Viele in seinem - Dunduvans - Alter wussten gar nicht mehr, wie das Leben vor den Römern gewesen war..... 

Als nun ein Schemen die Türöffnung verdunkelte, sah er auf und erkannte einen Besucher. Ein Römer war es offensichtlich nicht. Rote Haare, kräftig, sah er mehr wie ein Krieger aus. Der Besucher war einer der "jüngeren Druiden", was bei der langen Lehrzeit bedeutete, wohl über vierzig Jahre alt. Er hieß Cartivel.

Dunduvan Deimos setzte sich auf und rieb über sein Gesicht:

"Willkommen o Druide Cartivel", sagte er, erhob sich und füllte zwei Becher mit klarem Quellwasser. Mehr konnte er gerade nicht anbieten:
"Bitte setze dich", er faltete seine eigene Decke zu einem Viereck und legte sie zu Boden. Hier würde ein Mann Platz nehmen müssen, der in den alten Tagen Könige und Fürsten beraten hätte. Jetzt war er ein Ausgestoßener. Auch das hatten die römischen Herren an Änderungen gebracht:
" Wie geht es unserem Lehrer Cathbad? Befiehlt er, endlich loszuschlagen?", Dunduvans Augen verdunkelten sich:
"Hat die Bruderschaft Kunde, dass sie Meister Caradoc getötet haben? Auf dem Samhainfest. Caradoc, der einfach....nur gut war. Der in seinem ganzen Leben noch nie einem Menschen was zu Leide getan hat"
"Danke dir für deine Freundlichkeit, Dunduvan Deimos. Du bist doch Dunduvan Deimos? Du siehst deiner Mutter ähnlich", erwiderte Cartivel:
"Caradocs Geist ist nun frei, bis er auf diese Welt zurückkehren mag. Aber er war derjenige, der die Weissagung bei der Heiligen Quelle deuten sollte. Seine  Deutung für das kommende Jahr ist vermutlich verloren. Das bedeutet, dass wir in diesem Jahr ohne Führung der Göttin sind", 
er schaute Dunduvan aufmerksam an, und plötzlich lächelte er:
"Nichts und niemand ist jedoch für immer fort. Alles kommt wieder", er trank einen Schluck Wasser:
" Es ist gut, dass ich dich jetzt schon treffe und nicht erst in Iscalis. Kannst du mir die anderen Falken herbeirufen?",  er stellte den Becher ab:
"Auf dem Weg hörte ich den Ruf einer jungen Frau mit dunklen Augen wie Kohlestückchen. Sie muss eine Priesterin sein, denn ihre Begabung war ausgebildet. Sie rief jedoch nicht mich, sondern Cathbad. Ist sie dir bekannt?"
"Ich kenne keine Mutter, ich kenne nur die Priesterin", sprach Dunduvan und verhinderte es nicht, dass sich ein gewisser Unterton in seine Stimme schlich, wie eine dünne Eisschicht, die eine Pfütze im Winter bedeckte. Kälte. Sein Anblick musste für die Mutter schmerzlich gewesen sein, so oft er ihr unter die Augen kam. Ein immerwährender Stachel im Fleisch. Sie hatte ihn nie angesehen, wenn sie mit ihm gesprochen hatte; mit leiser Stimme, nicht aufgebracht oder gar böse. Meist nur: " Geh draußen spielen, jetzt möchte ich hier sein".  Seine Zwillingsschwester Siofra war mehr Mutter gewesen als sie und jetzt waren  die Falken seine Familie und Cathbad der Vater:
"Ich war nicht bei Caradoc als er starb. Ich weiß nicht, ob noch jemand. Die Deutung der Prophezeiung hätte er ja nur einem anderen Druiden oder einer Priesterin anvertrauen können. Ich hatte versucht, einen Verwirrzauber gegen die Römer zu wirken mit Ledonkraut ... doch er hielt nicht lange vor"
Cartivel sprach nun von einer jungen Frau und ihrem Ruf, und einen Moment lang glaubte Dunduvan zu wissen, wen und was er gesehen hatte. Raven, dachte er, das war Raven.  Schwester...aber seine Schwester war tot. Dunduvan wusste selbst, dass er Raven Unrecht tat; sie war lieb und hübsch und  gütig, doch sie war jemand, den er am liebsten aus dem Kreis seiner Gedanken verbannt hätte. Soll sie selbst Cartivel sagen, was sie ist, dachte er, da Cathbad sie anscheinend ihm gegenüber nicht erwähnt hatte:
"Augen wie Kohlen sagst du? Du hast gewiss mit Raven gesprochen, sie war die Jungfrau auf dem Samhainfest", er horchte aber auf:
"Ob sie die Deutung der Weissagung kennt? Vielleicht hat sie deshalb Cathbad gerufen? Aber jetzt bist du hier, o Druide Cartivel, anstelle von Cathbad", 
Dunduvan hatte nicht getrunken, sondern seinen Becher unberührt gelassen:
"Wir könnten sie rufen - sie alle, alle Falken, die hier in Iscalis sind" , seine Wangen röteten sich etwas vor Eifer. Jetzt würde es hoffentlich in den Krieg gehen. Der Gedanke an Krieg flößte ihm keine Furcht ein, sondern im Gegenteil: Nur so fühlte er, dass er am Leben war.
Die Priesterin Siofra die Ältere, Dunduvans Mutter, war eine Frau mit langem roten Haar und stahlblauen Augen gewesen. Sie hatte im Ruf gestanden, einen äußerst unnachgiebigen Charakter zu haben. Sie hatte den Römern stets ablehnend gegenüber gestanden, und als sie ihr Schicksal ereilte, hatte sie sie nur noch gehasst.

„ Und dennoch bist du ihr ähnlicher als Du es selbst glaubst“, antwortete Cartivel nachdenklich: „ Ja, es wäre gut, wenn Du alle Falken, die sich Iscalis aufhalten, herbeirufst, denn ich möchte mit ihnen sprechen.
Die junge Frau, die ich sah, war also die Jungfrau auf dem Samhainfest, sagst du? Lebt sie denn mit den Priesterinnen bei der Heiligen Quelle? Ich möchte auch gerne mit ihr einmal sprechen“, und nun zeichnete sich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht ab:

„ Schicke den Falken eine Nachricht. Eine herkömmliche Nachricht meine ich. Die Gaben des Geistes sollten nicht über Gebühr strapaziert werden, wenn es auch auf gewöhnliche Weise geht. - Ich kenne die Wirkung vom Sumpfporst übrigens gut. Als ich so alt war wie du, hat das Kraut einmal dafür gesorgt, dass ich eine brave Kuh für einen Streitwagen gehalten habe“
Cartivel gluckste in sich hinein, als er sich erinnerte. Er war ganz und gar nicht von gleicher Art wie Bruder Cathbad. Der hatte stets einen Stock im Hintern. Aber man konnte auch ein guter Druide sein, wenn man gerne lachte, gerne am Lagerfeuer mit Freunden saß und gerne feierte. Davon war der große rotbärtige Mann überzeugt.
Dunduvan warf Cartivel einen kurzen prüfenden Blick zu. Dieser Druide war anders als Cathbad. Er war aber auch anders als Caradoc. Er war jünger, und dass er gerne lachte, sah man an den vielen kleinen Lachfältchen um seine Augen. 
Vermutlich hat er im Norden gelebt, wohin die Römer noch nicht gekommen sind, dachte Dunduvan, daher weiß er gar nicht wirklich, mit welchem Feind wir es zu tun haben.  
Dunduvan sprach nicht laut aus, was er dachte. Er war nur ein Schüler, und das wäre respektlos gegenüber einem vollausgebildeten Druiden gewesen.
Während dieser noch sprach, nickte er nur, nahm drei  etwa handlange Zweige von dem Stapel gut getrockneten Feuerholz und sein Messer und begann sie zu bearbeiten* Das ging recht zügig, da seine Verschlüsselungsschrift aus winzigen Querbalken bestand. Nur an den Anfang ritzte er ein griechisches Chi und färbte es mit dem Daumen mit rötlicher Erde ein, die er vom Boden aufnahm:

[Bild: Botschaft-Dunduvans.png]  **

Draußen vor Bodougnatus Hütte suchte er sich drei ältere Jungen aus, und gab ihnen ein paar Münzen, damit sie die Nachricht überbrachten:  Zur Schmiede des Cymric Ap Gawen und zur Taberna "Zum Weißen Pferd". Die betreffenden Personen beschrieb er genau.
 

Sim off: *Dunduvan benutzt Ogham- Schrift 


** Cheddar - (In) Drei (Tagen)

>>>
Drei Tage waren vergangen, nachdem Raven die Nachricht erhalten hatte. Sie hatte nicht darüber nachgedacht warum und weshalb. Die Gründe waren ihr klar und so hatte sie heute ein einfaches Kleid angezogen, darunter ein paar warme Hosen und ihre Haare nur einfach geflochten und um den Kopf gewunden. Der dicke wollene Umhang mit der großen  Kapuze, den sie schon am ersten Tag getragen hatte, verhüllte sie wieder vollkommen.

Niemand hatte sie aufgehalten und vor der Tür der Hütte blieb sie stehen, sah sich noch einmal um und klopft dann an.
Bodougnatus schob die windschiefe Tür zurück. Vor ihm stand ein, nun, er hielt ihn für einen zierlich geratenen Jüngling, der von der Größe her eher römisch wirkte, aber durch seine Kleidung eindeutig keltisch. Im Schatten der Kapuze glitzerte ein Augenpaar. Bodougnatus stellte keine Fragen, machte eine einladende Handbewegung und ließ den Fremden eintreten. Er selbst verließ seine Hütte.

Cartivel warf Dunduvan einen fragenden Seitenblick zu. Aber Dunduvan schien den Jungen erwartet zu haben, denn er rührte sich nicht. Cartivel , der geglaubt hatte, alle Falken genau zu kennen, konnte den Neuankömmling nicht so recht einordnen.

Der rotbärtige Druide wies auf seinen Vorratssack: "Willkommen junger Falke, setze dich zu uns und bediene dich. Du hast gewiss eine gute Wegstrecke hinter dir", sagte er freundlich:
"Wie ist doch gleich dein Name?"
Nachdem ich heute Morgen aufgestanden war, war ich als erstes zu Alan in den Stall hinübergegangen. Mein Brauner hatte es warm und trocken und als Dank und als Bezahlung für die Unterbringung mistete ich ihm den kompletten Stall einmal aus. Die Arbeit machte mir nichts aus, im Gegenteil, ich fand es eigentlich schön. Jetzt nicht unbedingt, Pferdekacke aufzustapeln, aber etwas zu tun zu haben, was meine Muskeln beanspruchte und Kraft brauchte. So etwas machte meinen Kopf frei und stoppte die Gedanken, und verdammt, ich hatte sehr viele Gedanken, die grade meinen Kopf durcheinanderbrachten.

Als ich danach meinen Braunen sattelte, ging es mir tatsächlich schon sehr viel besser und ich dachte nicht mehr an den seltsamen Traum, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich führte ihn am Zügel hinaus aus Iscalis und saß dann auf in Richtung Cheddar, denn ich wollte Dunduvan sehen. Calum hatte mir ja gesagt, wo er war, und ich fand, ich sollte ihn auch gleich aufsuchen, damit auch er wusste, dass ich zurück war. Und vielleicht konnte ich ja mal vorfühlen, was an den Dingen alles dran war, die Calum so erzählt hatte, und ganz vielleicht auch schon ein paar Wogen glätten, sollten da welche sein. Außerdem wollte ich ihn auch einfach sehen und mich meinerseits überzeugen, dass es ihm gut ging und nichts schlimmes in meiner Abwesenheit passiert war.
Als ich nach Cheddar einritt, stimmte ich ein Lied an. Auch, wenn wir nicht so auffallen sollten im Allgemeinen und Römer was gegen das Singen hatten, seien wir ehrlich, ich war ein riesiger, rothaariger Kelte, ich konnte sowieso tun was ich wollte, die Römer würden mich bemerken. Da konnte ich auch singen. Außerdem sang ich gerne (und nach Aussagen anderer auch gut), war gerade gut drauf, und Dunduvan würde mich so kommen hören.
Ich stimmte also ein altes, silurisches Lied an, das wahrscheinlich jeder Kelte schonmal gehört hatte und mitsingen konnte.

“Nid wy'n gofyn bywyd moethus, (Ich wünsche mir kein Leben voll Luxus,)
Aur y byd na'i berlau mân: (Das Gold der Welt oder feine Perlen,)
Gofyn wyf am galon hapus, (Ich wünsche mir ein glückliches Herz,)
Calon onest, calon lân. (Ein ehrliches Herz, ein reines Herz.)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


So groß war Cheddar ja nicht, als dass man sich da verlaufen hätte können. Ich stieg vom Pferd und schaute mich nach einer Möglichkeit um, es anzubringen. Es war zwar normalerweise brav und rannte nicht weg, aber man musste es ja nicht riskieren.


“Pe dymunwn olud bydol, (Wenn ich mir weltliche Reichtümer wünschen würde)
Chwim adenydd iddo sydd: (Würden sie schnell wegfliegen)
Golud calon lân, rinweddol, (Die Reichtümer eines tugendhaften, reinen Herzens)
Yn dwyn bythol elw fydd. (Werden ewigen Gewinn bringen)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


Ich meinte zu wissen, welche Hütte die richtige war und drehte mich in die Richtung, während ich zum gesangstechnischen Finale ausholte, mit extra Herzblut:

“Hwyr a bore fy nymuniad (Abends und morgens, mein Wunsch)
Gwyd i'r nef ar adain cân (Steigt zum Himmel auf den Flügeln des Gesangs)
Ar i Duwiau, er mwyn fy Ngheidwad, (An die Götter, an meine Erlöser,)
Roddi i mi galon lân. (Mir ein reines Herz zu gewähren)


Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


Entweder würde Dunduvan mich umbringen, oder lachen, wenn er mich so singen hörte. Trotzdem stand ich da und grinste schief und wartete, dass die Tür hoffentlich aufging und er herauskommen würde, um mich zu begrüßen.




Sim-Off: Wer das mal auf walisisch hören mag: https://www.youtube.com/watch?v=se408w_MtK0
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