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Falkenhöhle
11-04-2023, 01:02 PM,
Beitrag #71
RE: Falkenhöhle
Blut rief Blut, und ein Bruder war genauso gut wie Balventius Varro selbst. 
"Wir brauchen dein Gold nicht, Balventius", erklärte Dunduvan mit einem fast fürsorglichen Lächeln. Ciaran bot dem Römer nun ein Stück von den Pilzen an, die die Schleier vertrieben und sehen ließen. Dunduvan kannte diese Augenöffner von seiner Ausbildung her, doch eigentlich mochte er nichts, was seinen Verstand vernebelte. Aber das war ein anderer Fall: Das höchste Opfer war das freiwillige Opfer. Ciaran pflegte die Leute, die er töten wollte, in Angst und Schrecken zu versetzen oder sonst wie zu lähmen, doch da er Balventius den Druidenzauber anbot, war es ihm diesmal nicht daran gelegen. Er wollte anderes. Dunduvan wollte das auch. 

Ciaran bot auch ihm ein Stück des Pilzes an, nachdem er selbst davon gegessen hatte.

Dunduvan griff zu, er sprach nicht, sondern nickte nur; dann spürte er den fasrigen Geschmack auf seiner Zunge. Die Wirkung war anders als die der Droge von Beltane, sein Glied stellte sich nicht auf und er sah keine Brigid, die sternenbekränzt ihm zulächelte und auf Niamh deutete. Er hatte zunächst gar keine Bilder aus der Anderswelt vor Augen. Nur die Bäume traten plötzlich plastischer hervor, und Dunduvan glaubte, jeden kahlen Ast, jeden Käfer, der sich in der Rinde verkrochen hatte, sehen zu können. Das Laub unter seinen Füßen war nicht einfach Laub, sondern bestand aus Tausenden und Abertausenden Blättern. Überall um ihn war Leben, da spann eine Spinne unermüdlich an ihrem Netz, dort zog ein einsamer Falke seine Bahn, zu seinen Füßen bewegten sich Regenwürmer und Asseln unter der Erde.  Der Druidenschüler atmete auf die Weise, die man ihm beigebracht hatte, und das wimmelnde Bild wurde auf ein Normalmaß hinuntergefahren, nur blieb es schöner und strahlender als zuvor.

Der Römer heulte. Mit überschnappender Stimme fragte er, ob sie ihn töten wollten. Dunduvan hätte an einem anderen Tag solch ein Betragen verspottet: Oh, ohne eure Mauern und Schilde, hinter denen ihr euch verbirgt, seid ihr Feiglinge! Ihr bringt den Tod, aber sterben wollt ihr nicht? 
Doch die Droge verlieh dem Falken einen feierlichen Ernst, ganz fern von Spott. Er war nun ganz Priester. Er fasste in die Asche des Feuers, und die Hitze kümmerte ihn nicht,obwohl sie ihm die Haare auf dem Handrücken versenkte. Er malte sich die uralten Zeichen ins Gesicht, das Zeichen für Opfer, für Hingabe, für Wiedergeburt. Denn ja, dem heulenden Balventius war nicht klar, welche Ehre ihm zuteil wurde. Er war nicht irgendein Opfer. Er war der Hirsch, gekommen, um das Oran Mór, das Große Lied, zu reinigen. Leise begann Dunduvan zu singen, während die Luft um ihn golden wurde. Er trat zu Balventius linker Seite und sang ihm leise ins Ohr: 

" Das Gewebe der Welt, das Lied ist das Flüstern im nebligen Wald.
Es ist das dröhnendes Echo in den mächtigen Höhlen der Welt.
Es ist der Schrei des Kindes, wenn es wiedergeboren wird.
Es ist die Klage, wenn die Fäden zerschnitten werden.
Es ist der Atem. Es ist das Herz.
Es ist der Ring, der währen wird, 
bis dereinst die ganze Welt im Feuer untergeht.
Es ist alle Schlachten, alle Mühe, 
alles Wissen und aller Reichtum.
Albion, die Insel.
Doch sieh, sie kamen über das Wasser, 
sieh, wie sie die Fäden zerreißen, 
sieh, wie sie die Mütter schänden, 
wie sie in den Eingeweiden wühlen, 
um Gold und Silbergeld Willen.
Sieh hin, Hirsch!"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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11-04-2023, 08:49 PM,
Beitrag #72
RE: Falkenhöhle
So langsam dämmerte ihm doch, wie das ganze hier ausgehen würde. Aber zumindest pinkelte er sich nicht ein, was ich schonmal als erheblichen Fortschritt verbuchte. Das, und dass auch Dunduvan etwas nahm, um seinen Geist zu öffnen, auch wenn das dazu führte, dass er gleich so viel mehr redete als in den letzten Wochen, und dann auch noch in druidischen Bildern. Ich hatte jetzt nichts per se gegen die Art, Weissagungen zu machen oder alte Zauber zu zitieren, aber in der Stille des Waldes war es doch etwas unerwartet.

Ich wandte mich also Balventius Scapula zu und sah ihn einmal genau an. Ja, seine Pupillen waren weit und in seinen Augen fing der Glanz der Welten an, sich zu spiegeln. Ich legte meinen Arm um seine Schultern und führte ihn ein paar Schritte auf die Lichtung, so dass er nach oben zu den Sternen schauen konnte.
“Sie hoch, Balventius. Sieh dir die Sterne an. Sie sind es, die unser Leben bestimmen und überwachen. Und heute Nacht ist die einzige Nacht im Jahr, in der wir mit ihnen wirklich in Kontakt treten können. Wir sehen zwar die Sterne, aber eigentlich sind es Lichter der Anderswelt, und zwischen uns und ihnen ist ein Schleier. Aber heute Nacht, genau heute Nacht, ist der Schleier so dünn, dass wir hindurchtreten können. Auf die andere Seite sehen können.“
Ich legte den Kopf schief und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Dinge um uns herum. “Sie dir den Wald an. Jeder Baum, jeder Fels, lebt. Atmet. Alles ist in Verbindung. Wie ein Spinnennetz ist alles durch die goldenen Fäden der Götter miteinander verwoben. Es ist ein empfindlichen Gleichgewicht, das so leicht in die eine oder andere Richtung kippen kann.“
Ich sah die Fäden, die alles zusammenhielten, hell und klar, wie sie Licht auf alles Leben hier warfen und sich an den Leylinien des Landes ausrichteten. Leider waren wir an keinem Knotenpunkt, wie es einige gab. In Stanheng beispielsweise. Meistens standen ein oder mehrere Menhire an solchen Orten der Macht. Hier musste man schon ein Weilchen reisen. Wobei nicht allzu weit wenigstens ein kleiner, verirrter Hinkelstein im Wald stand.

Ich ließ den Balventier sich eine Weile alles ansehen, ehe ich fortfuhr. “Aber ihr Römer stört dieses Gleichgewicht. Ihr habt die heiligen Haine gefällt und verbrannt und die heiligen Linien zerschnitten. Das Bergwerk deines Bruders bohrt ein schwarzes Loch in das Leben des Felsens und tränkt ihn in Blut, macht ihn hungrig auf immer mehr Blut. Das Gleichgewicht kommt ins Wanken. Die Linien verschieben sich, und sie drohen ganz zu reißen. Und wenn das geschieht, dann wird alles Leben von den Sternen abgeschnitten. Das Leben wird in Feuer und Wasser vergehen.“
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Falke
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11-05-2023, 08:40 PM,
Beitrag #73
RE: Falkenhöhle
Ich konnte es kaum glauben, dass die beiden kein Gold wollten. Und dann dieses selbstgefällige Lächeln dieses Mannes, als stünde er über allem. Strebten nicht alle nach Reichtum und Macht? Warum die beiden nicht? Ich verstand die Welt nicht mehr. Das musste ich auch gar nicht mehr, denn der Pilz, den ich von dem vermeintlichen Sklavenjäger bekommen hatte, begann schon bald danach zu wirken. Er war nicht besonders schmackhaft gewesen, doch nachdem ich ihn untergeschluckt hatte, spürte ich plötzlich, wie etwas durch meinen Körper fuhr, das sich überall ausbreitete und sich meiner Sinne bemächtigte. Das, was so düster und furchterregend gewirkt hatte, verlor ganz plötzlich seinen Schrecken, denn die Welt um mich herum erstrahlte schlagartig in allen möglichen Farben. Alles wirkte viel intensiver und auch meine Ohren schienen jetzt sogar  allerkleinste Geräusch wahrnehmen zu können. Das Getrappel der Ameisen zum Beispiel oder der Flügelschlag der Fliege und ihr Aufprall im Netz der Spinne. Ihre vergeblichen Versuche, sich zu befreien, bei denen sie sich nur noch mehr in ihren Fäden verfing. Schließlich erschien sie, die Spinne! Sie eilte zu ihrem Opfer und betäubte es mit einem Biss, um es anschließend mit ihren Fäden einzuwickeln.

Alles wurde mit einem Mal viel leichter. Ich glaubte schon, fliegen zu können. Der Freund der Sklavenjägers stimmte ein Lied an, das nun auch die letzte Furcht vertrieb. Zurück blieb ein wohliges Gefühl, denn alles, was mich belastet hatte, schien nun von mir abzufallen. "Das ist ein schönes Lied!" sagte ich ruhig, auch wenn ich nicht unbedingt den Sinn des Liedes verstand.

Nachdem er geendet hatte, legte der andere seinen Arm um meine Schultern, als sei er ein guter Freund. Das war er vielleicht sogar, denn es fühlte sich gut an, so dass ich ihm entspannt zulächelte. Er flog mit mir hinüber zur Lichtung und zeigte mir dann den Himmel, an dem abertausende von bunten Sternen prangten. Oh, war das ein herrlicher Anblick! Wie unzählige blinkende Edelsteine! Er erzählte mir, dass diese Nacht eine ganz besondere Nacht sei, denn die Sterne seien Lichter aus einer anderen Welt und man könne in dieser Nacht dort hinüberschauen. Das hörte sich schön an. Etwas in mir wünschte sich auch, dort hinübergleiten zu können.
Dann machte er mich auf die Bäume und all die Dinge um uns herum aufmerksam. Als er mir sagte, dass in allem, was ich sah, Leben war, erkannte ich es auch! Die Bäume lebten, das Gras unter meinen Stiefeln lebte, ja sogar der Fels und jeder einzelne Stein lebte. Ich konnte dann sogar die Fäden sehen, die alles miteinander verbanden. Es waren feine goldene Fäden. Viel schöner als alles, was ich jemals gesehen hatte. "Oh ja, wie schön! Wie wunderschön!" rief ich staunend. Alles schien noch intakt und in seinem Gleichgewicht zu sein. Doch als er mir erklärte, dass dieses Gleichgewicht gefährdet sei, bemerkte ich plötzlich, wie fragil diese Fäden doch waren und wie schnell sie zerstört werden konnten. Ich zerstörte sie! Ich und mein Bruder und alle, die in dieses Land gekommen waren, um es zu unterwerfen und auszubeuten! Wir alle zerstörten es. "Nein, das darf nicht geschehen!" rief ich entschieden, denn das bedeutete das Ende von allem Schönen.
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11-06-2023, 03:29 PM,
Beitrag #74
RE: Falkenhöhle
Dunduvan hatte beide begleitet, ohne den Balventius zu berühren. Leise sang er weiter, in dem er die Motive aus Ciarans Worten aufgriff. Das war eine Beschwörung, die gesungen wurde, aber da er zu Balventius Linken ging und der andere Druidenschüler zu dessen Rechten, drangen die Worte sozusagen doppelt an dessen Ohren und verstärkten den Zauber. 
Der Römer begann zu sehen. 
Wie beinahe alle Menschen, die das zum ersten Mal erlebten, war er höchst entzückt über die Schönheit des Gewebes. Er sah die Goldfäden, er sah, was die Welt miteinander verband. 
Aber Ciaran zeigte ihm nun die Stelle, an denen das Lied-in-allem in Iscalis zerstört worden war; nämlich durch das Bergwerk des Balventiusbruders, welches sich in wie eine gefräßige Raupe in die Gedärme der heiligen Erde selbst bohrte, angetrieben durch die unmäßige Gier des römischen Volkes nach Metall. Die Fäden, welche das Leben mit den Sternen über ihnen verbanden, zerrissen mehr und mehr.  

Der Balventius spürte den Schmerz.  Sein Herz schien nicht ganz und gar verstockt. Nein, das darf nicht geschehen!, rief er erschrocken über den Schaden, der angerichtet worden war.

Dunduvan mit den uralten äschernen Zeichen in seinem Gesicht trat nun vor ihn hin. Seine Stimme war sehr ernst, als er sprach:
"So bereitwillig bist du zu uns gekommen, Balventius von Rom, um dein Schicksal zu erfüllen.Wärst du denn bereit, etwas von dir herzugeben, um dieses Gleichgewicht...", der Druidenschüler wies um sich auf die erstaunliche Welt, die sie umgab: "... wieder herzustellen?"
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Falke
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11-07-2023, 03:52 PM,
Beitrag #75
RE: Falkenhöhle
Das Gift der Spinne hatte sofort gewirkt. Dadurch wurde die Fliege ganz still und wehrte sich nicht mehr, als die Spinne begann, sie mit ihren Fäden einzuspinnen. Sie hatte dabei keine Eile damit, denn ihr Opfer war inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gab. Die Fliege war dem Tod geweiht! Die Spinne brachte die Fliege schließlich zu ihrem Versteck, das sie unter einem Blatt gebaut hatte. Sie legte die Fliege neben anderen Fliegen, die sie schon gefangen hatte.

Das Ende von allem Schönen. Soweit durfte es nicht kommen! Doch glücklicherweise schien es einen Ausweg zu geben, um das Schlimmste zu verhindern. Der Freund des Sklavenjägers schien eine Ahnung davon zu haben, was man tun konnte. Nein, was ich tun konnte. Ob ich bereit sei, etwas von mir herzugeben, fragte er mich. Ich blickte einen Moment in sein geschwärztes Gesicht und dachte nach, was ich denn geben könnte, um all die Zerstörung aufzuhalten. Das Problem war doch, dass ich völlig mittellos war. Mein Bruder hatte mir den Geldhahn abgedreht. Wie sollte ich da etwas geben können?
"Was könnte ich dir den von mir geben? Ich habe doch nichts, außer den Kleidern, die ich am Leib trage?" fragte ich, obwohl ich tief in meinem Innersten bereits die richtige Antwort kannte. Denn alles Materielle war nicht ausreichend, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Dafür brauchte es etwas Größeres und Wertvolleres! Was gab es wertvolleres als ein Leben? Auch wenn ich mich zunächst gegen diesen Gedanken wehrte, merkte ich schnell, dass es keine Alternative dazu gab! 
 Noch einmal zeigte er mir diese bunte und wundervolle Welt, die so sehr zerbrechlich und bedroht war. Es gab nur eins, was ich geben konnte! "Ich kann dir mein Blut geben, um damit die Erde zu begießen, damit sie wieder heilen kann und ich kann dir meine Körper geben, damit aus ihm neues Leben entsprießen kann, wenn er vergangen ist." sagte ich schließlich recht freimütig, als ging es gar nicht um mein eigenes Leben, sondern um das eines anderen, mir völig fremden Mannes.
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11-07-2023, 09:41 PM,
Beitrag #76
RE: Falkenhöhle
Das ging leichter, als ich gedacht hatte. Dunduvan sang seine Beschwörungen, während ich dem Römer alles zeigte, und fast wie von selbst kam er auf die Idee, dass er einfach sich selber hingeben könnte, um das Gleichgewicht zu bewahren. Die wenigsten Leute kamen von selber auf diese Idee, nicht einmal in unserem Volk. Es gab so manchen Hirschkönig, der glaubte, zwanzig Jahre zu herrschen – was durchaus vorkam – aber in dem Jahr, in dem sein Opfer verlangt wurde, dann flüchtete und erst gehetzt werden musste wie der Hirsch, der er war. Und der Römer hier war ganz friedlich und hielt es für eine gute Idee, sich selbst zu opfern. Ob er es auch dann für eine tolle Idee hielt, wenn wir ihn zwischen die Bäume binden und in Brand stecken würden, wäre fraglich, aber erst einmal war er ein williger Gehilfe.
Ich lächelte ihn freundlich an. “Das ist eine ausgezeichnete Idee, und sehr großzügig. Du wirst mit den Göttern selbst reden und sie davon überzeugen, dem Land ihren Segen zu geben, so dass es heilen und noch fruchtbarer sein wird, als je zuvor. Oh, ja, du wirst sehr überzeugend sein, das weiß ich genau.“

Ich klopfte ihm auf die Schulter und schob ihn in Richtung Dunduvan. “Mein Freund wird dir den perfekten Platz dafür zeigen. Du wirst von dort schon hinter den Schleier blicken können. Es wird wunderschön werden.“ Nun, letzteres wohl eher für mich. Aber ich brauchte noch einen Moment der Vorbereitung, und das sollte den Mann nicht erschrecken.
Ich schickte ihn also mit Dunduvan vor und ging nochmal in die Höhle, um alles durchzusehen, was dort so lagerte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich durchgewühlt hatte, aber schließlich hatte ich den skelettierten Pferdeschädel gefunden, zusammen mit den Flügeln einiger Raben und meinem weiten Umhang. Wenn wir diesen Römern den Göttern opferten, wollte ich es auch wirklich richtig machen, als Druide, wie es sich gehörte. Nicht versteckt, als normaler Mensch verkleidet, immer getarnt, wie Cathbad das so gerne verlangte. Nein, nur die Götter, ich, und die reinigenden Schreie des Opfers. So wie es sein musste.

Ich legte mir den Umhang um die Schultern, setzte den Pferdeschädel auf und legte mir die Rabenfedern um den Hals. Jetzt war ich der Bote der Morrigna und Crom Cruach, ihr williger Diener und Wandler zwischen den Welten! Ich nahm noch eine Hand voll Kräuter, die ich verbrennen wollte, um mich ganz den Göttern zu übergeben, wenn ich Dunduvan und den Römer gefunden hätte, und machte mich auf, ihnen zu folgen.
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Falke
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11-08-2023, 12:31 PM,
Beitrag #77
RE: Falkenhöhle
Während Ciaran sich vorbereitete, war Dunduvan Balventius Begleiter in den Tod. Er führte ihn zu einer Stelle, die von großen, alten Eichen und jüngeren Laubbäumen gesäumt wurden, die hoch standen wie ein römischer Tempel. Eine klare Quelle entsprang dort. Hier unter der Erde schliefen die Menhire der Vorfahren, von denen niemand außer den Druiden noch wusste, für was sie ihnen gedient hatten. Die Druiden sagten, dass die Alten einst mächtiger gewesen waren als sie selbst. Seltsamerweise war Balventius Scapula der einzige Römer, den Dunduvan nicht hassen konnte. Er versuchte, den tiefen schwarzen Hass in seinem Herzen zu finden, aber er war wie weggeblasen. 
Er blieb mit ihm stehen, atmete die würzige Luft ein und sprach immer noch sanft: 
"Du hast ein großes Herz, Balventius und sehr viel Mut. Sei dir sicher, dass du das Richtige tust. Noch heute wirst du von den Göttern selbst empfangen werden. Du kannst ihren Glanz schon jetzt erkennen ", sprach er:
"Schau, ich werde dich für ihre Hallen vorbereiten" Er bückte sich an der Quelle und nahm das Wasser in beide Hände:
"Ich reinige dich, Hirschkönig, mit diesem klaren Wasser", sprach er und berührte Balventius Kopf und Gesicht. Er half ihm seine Kleidung bis zu seiner weißen Untertunika abzulegen. Der Römer würde nicht frieren, der Zauber hielt ihn warm. 
Die bloßen Körperstellen wusch Dunduvan mit festem Griff, er bückte sich auch, um ihm die Knie und Füße zu waschen. Die Haut unter seiner Hand war seltsam weich für einen Mann, als hätte der Römer immer in Seide gelebt.

"So ist es gut", sagte der Falke, als er fertig war. Da er auch sah, hörte er das Schwirren in der Luft, als sich die Goldfäden sammelten, noch bevor er Ciaran erblickte. 

Nein, es war nicht Ciaran. Es war der Bote von Morrigna und Crom Cruach, der Wandler aus der Zwischenwelt mit einem menschlichen Leib und einem Pferdeschädel, und Rabenfedern umloderten ihn wie schwarze Flammen. Wo er schritt, leuchteten die goldenen Fäden noch heller.

 Nein, es war nicht Ciaran. Doch er hatte auch nichts mit Cathbads Kalkül zu tun oder mit Caradocs Güte oder mit Cartivels Versuchen, mit allen Menschen gut aus zu kommen. Der hier war viel älter, so alt wie das Land selbst, die düstere, grausame Seite des Druidentums verkörpernd.

"Er ist gekommen", sprach Dunduvan leise. Er nahm Balventius Hand und drehte sich mit ihm gemeinsam um zu ihm.
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Falke
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11-09-2023, 11:22 PM,
Beitrag #78
RE: Falkenhöhle
Ich lächelte ganz versonnen, als der mir versicherte ich sei sehr großzügig. Die Götter würde ich sehen, versprach er mir und ich würde sie überzeugen können, dem Land ihren Segen zu geben. Er klopfte mir auch die Schulter und schob mich dann zu seinem Freund. Er kannte den perfekten Platz, sagte er. Ich war ganz aufgeregt, denn es würde wunderschön werden, versprach er.

Er brachte mich zu einem Ort, an dem große, uralte Bäume standen, die fast bis in den Himmel reichten. Auch eine Quelle entsprang dort. Es hatte etwas Idyllisches an sich. Früher hatte ich mir aus solchen Kleinigkeiten nichts gemacht. Doch heute fand ich es sehr anrührend.
Der Freund des Sklavenjägers blieb stehen. Auch er fand, dass ich großherzig sei und dass ich das Richtige tat. Zum ersten Mal in meinem Leben! Ich atmete auch einmal tief diese würzige Luft ein. Es tat so gut. Endlich konnte ich es klar und deutlich vor mir sehen. Heute würde sich endlich erfüllen, wovon ich immer geträumt hatte. "Ja, ich sehe den Glanz!" rief ich sehnsüchtig.
Dann begann er mich zu reinigen und zu entkleiden. Das kalte klare Wasser konnte mir nichts anhaben, es ließ mich noch klarer sehen. Ja, so war es gut! Und so sah ich alles in einem dunklen goldenen Licht erstrahlen und hörte ein Surren. Ob nun die Götter kamen?

Mein Begleiter nahm mich an der Hand und verkündete, Er sei gekommen. Gemeinsam mit ihm wandte ich mich um und erblickte diese fremdartige Gestalt, die nicht Menschliches an sich hatte. Dies musste ein uraltes Geschöpf sein. Aus den ersten Tagen der Menschen. Noch war ich neugierig und schaute ganz erstaunt. Nein, ich fürchtete mich nicht. Noch nicht!
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11-10-2023, 02:29 PM,
Beitrag #79
RE: Falkenhöhle
Der Pferdeschädel roch nach Tod und Erde. Es war dieser ganz feine Geruch, der irgend etwas tief in den Eingeweiden dazu brachte, sich ängstlich zusammenzuziehen und einem ganz deutlich zu vermitteln, dass gerade Gefahr bestand. Mein Herz schlug schneller und meine Sicht wurde noch einmal strahlender. Nie fühlte ich mich so lebendig, wie wenn ich göttlichen Willen umsetzte.
Ich folgte Dunduvan und dem Römer zu dem Ort, an dem hier die feinen Linien zusammenliefen, gebündelt von Steinen, die zu tief vergraben waren, um sie zu sehen, und dennoch so machtvoll, alles Leben auf diesen Punkt zu konzentrieren. Wie zum Beweis erhoben sich alte Eichen darüber und reckten ihre Äste in den Himmel. Ihr Laub trotzte noch dem ersten Hauch des Winters und hing golden in den Kronen. Nur ein wenig war als feiner Teppich schon herabgefallen und breitete sich wie eine Decke um uns alle aus.

Langsam ging ich auf den Römer zu, der noch ganz verzückt war. Ob er wusste, was der Preis sein würde? Ob er es wirklich verstand? Er sah mich an und seine Augen wurden groß wie die eines Kindes, das zum ersten Mal den alten Zauber erblickte. Nun, er erblickte ihn wohl auch zum ersten Mal.
“Sei bereit, Kind des fleischgewordenen Feuers, Kind von Erde und Wind und Wasser, durch die Schwelle zu treten, die hier und jetzt von dort und dann trennt“, sprach ich die alten Worten.

Mit einer schnellen Bewegung meiner Hände schlug ich Funken aus Eisen und Stein auf ein Stück Zunderschwamm, der trotz der feuchten Witterung sofort anfing, sich zu entzünden. Ich gab die brennende Flamme an Dunduvan, damit er damit ein richtiges Feuer entzünden möge und wandte mich dem nackten Mann vor mir zu. Mit meinen Fingern malte ich ihm Runen klein auf Brust, Arme und den Kopf. Ich dachte nicht darüber nach, was ich schrieb, die Worte kamen von allein. Das Schicksal des Römers, geschrieben ins Nichts, und doch sah ich die goldene Spur, wo mein Finger ihn berührt hatte, während ich anfing, in einer Sprache zu singen, die so viel älter war als er und ich und alles, was jetzt lebte. Es war die Sprache, die die Tuatha de Dannan und die Formori sprachen. Die Sprache der Götter und der ersten Menschen.

Als das Feuer brannte, nahm ich die von mir mitgenommenen Kräuter und warf sie in die flammen. Sofort bildete sich dicker, weißer Rauch und waberte um mich herum. Tief atmete ich die Dämpfe ein und fing an, zu lachen, als mein Geist ersetzt wurde durch den sehr viel älteren Geist, den die Götter mir schickten, bis sich meine Stimme unter dem Pferdeschädel nicht mehr nach meiner Stimme anhörte, sich meine Hände nicht mehr wie meine anfühlten und meine Haut nicht mehr die Meine war. Ich sah noch durch meine Augen, aber ich war nicht ich, als ich eine Hand voll Asche direkt aus dem Feuer holte und dem Opfer ins Gesicht blies.

Ich weiß noch, dass ich sehen konnte, wie sich die Pupillen des Balventiers noch mehr weiteten, als seine Arme von Seilen auseinandergezogen und er an der Eiche festgebunden wurde und mein Körper sich nach einem großen, runden Stein bückte und ein Messer zog, während meine Stimme beständig weiter Worte sang, die kein lebender Mensch verstehen konnte.
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Falke
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11-11-2023, 08:21 PM,
Beitrag #80
RE: Falkenhöhle
Dunduvan band Balventius, er zog die Stricke nicht allzu straff, nur so fest wie es notwendig war. Auf dessen Brust prangten die Runen, die ihm das Geschöpf aus der Zwischenwelt, das die alten Gesänge raunte, beibrachte. Dunduvan entzündete nun das Feuer, das sogleich hoch aufloderte. Er wandte den Blick nicht ab, und es war ihm, als höre er deutlich Cathbads Stimme:

"So viel Hingabe habe ich unter keinem meiner Söhne gefunden!"

Das war wahr. Sein Leben für das Land hinzugeben, das erforderte den Mut der Besten. In dieser Beziehung waren sie wohl alle eine Enttäuschung für ihren Vater. Besonders er, Dunduvan Deimos...

Dann aber hörte Dunduvan Calums Stimme, als der Caradocs Auslegung der Prophezeiung der Priesterinnen wiedergegeben hatte, so klar, als stände der Bruder vor ihm:

Doch was Gewissheit war, wird keine mehr sein.
Die Fremden werden Dinge geschehen lassen,
die unser Leben ein für allemal verändern.
Die Welt wandelt sich.


So wie das Land von seinem Opfer getränkt, so würde der junge Balventius ein Teil des Oran Mór werden. Unmerklich war der Wandel, aber gewiss. Kind von Erde und Wind und Wasser nannte ihn der Bote. Er würde in der Erde sein, im Wind und im Wasser ... Albion und seine uralten Götter öffneten jetzt  ihre  Arme, der Wandel, die Ster....DER GLANZ.....
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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