Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Falkenhöhle
09-10-2023, 11:16 AM,
Beitrag #51
RE: Falkenhöhle
Unterwegs? Ich sah weiter zu Dunduvan, durch ihn hindurch mit offenen Augen. Der Schatten war immer noch da, direkt hinter ihm, und griff nach ihm. War er gegangen, um ihn loszuwerden, oder um ihn zu finden?
“Ja, sie wird meinen Drachen zur Welt bringen“, bestätigte ich seine Frage und beobachtete die Reaktion des Schattens darauf. “Er wird die Welt in Flammen setzen, wenn er erwachsen ist. Du wirst es sehen. Vielleicht wiedergeboren als Käfer, aber du wirst es sehen.“
Ich grinste und deutete ihm an, mit mir hinein zu kommen. “Bereust du, nicht mit mir gekommen zu sein?“ fragte ich ihn, da ich ihn damals ja durchaus eingeladen hatte, sich mir anzuschließen. Es war nicht wichtig gewesen, ob ich den Drachen zeugte, nur dass er gezeugt wurde, und ich war nicht so besitzergreifend oder anhänglich wie andere Falken, was Mädchen anging.

Er fragte auch nach dem Feuer. “Ich habe sein Geheimnis ergründet und muss nicht mehr forschen. Und die Herstellung hängt von den Rohstoffen ab. Es ist nicht so schwer. Ich hab nur nicht mehr so viel hier. Nochmal so viel, wie das bei Erwan, denke ich. Wieso, was planst du?“
Ich führte Dunduvan hinein in die Höhle. “Cinead ist irgendwo draußen. Er mag mein neuestes Experiment nicht“, verdrehte ich die Augen und ließ mich dann neben meinem Wildschwein in die Hocke nieder, um über das Fell zu streicheln. “Hast du schon einmal so etwas gesehen? Er ist jetzt schon seit fünf Tagen so. Das schwierigste ist, ihm Wasser einzuflößen, damit er nicht verdurstet.“ Ja, ich war stolz auf mein Werk. Eine Seele in einen Körper zu sperren, ich kannte niemanden außer mir,d er dieses Zauberstück vollbracht hätte.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
09-11-2023, 02:29 PM,
Beitrag #52
RE: Falkenhöhle
Dunduvan schaute sich um: "Dann wird dein Drache diese Welt beenden", bemerkte er, denn auch er kannte die alte druidische Prophezeiung, dass die Welt einst in Flammen vergehen musste. Es konnte gut sein, dass Ciaran, der anders war als andere Menschen, der Anfang des Endes war, doch wenn das jemand sicher wusste, war es der Rat der Druiden im Norden:
"Nein, ich bereue es nicht, nicht mitgekommen zu sein", sagte er mit einem kleinen Lächeln und wurde dann ernst: 

"Ich bräuchte mehr, viel mehr vom Pyr Automatón als damals bei Erwan. Ich habe noch einmal nachgedacht. Ich möchte die Römer, wie es Cathbad befahl, vom Iscalischen Silber abschneiden. Cathbad wollte zuerst das Bergwerk sprengen lassen, aber da würden viele unschuldige Sklaven sterben. Das ist vielleicht auch unnötig. Dein Drachenfeuer könnte einen Steinschlag hervorrufen und die Zufahrtsstraße nach Iscalis verschütten. Mehrere Steinschläge sogar,  so viele, dass die Straße nicht mehr genutzt werden kann. Nie mehr vielleicht. Dann kann das Metall nicht mehr abtransportiert werden, und ist für die Römer wertlos. Wie viele der Rohstoffe brauchst du, um genügend Drachenfeuer herzustellen? Ich werde sie Dir besorgen"

Jetzt wusste Dunduvan, woher die Kälte kam. Von dem ganz still daliegenden Wildschwein ging sie aus, als sei da etwas, was völlig gegen jede Natur war. Tot und doch nicht tot. Dunduvan war sich sicher, dass selbst die Weiße Göttin zögern würde, ihm näher zu kommen.

"So etwas habe ich noch nie gesehen", gab er zu: "Was hast du getan, Ciaran?"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
09-11-2023, 03:13 PM,
Beitrag #53
RE: Falkenhöhle
“Nicht beenden“, widersprach ich. “Nur…. Öffnen. Verändern. Erneuern. Du wirst es schon sehen.“ Ich war mir sicher, es wäre nicht der Ende. Es wäre der Anfang. Ich wusste nicht genau, von was es der Anfang wäre, aber ich wusste, dass es so sein würde.

Dunduvan unterdessen kam auf den Grund seines Besuches zu sprechen. “Du willst einen Berg sprengen?“ fragte ich noch einmal mit Neugier und Vorfreude nach. Das war wirklich ein interessantes Unterfangen. An so etwas hatte ich noch nicht einmal gedacht. Aber ja, es wäre möglich. Man musste es nur an die richtigen Stellen bringen, damit die Kraft des Feuers nicht einfach nur in den Himmel hinausbrüllte, sondern den Berg tatsächlich sprengte.
“Im Wesentlichen wird die Menge von einigen wenigen Zutaten bestimmt. Am wichtigsten ist Naphta, was schwer zu bekommen ist. Und dann brauche ich gelöschten und ungelöschten Kalk, Schwefel… viel Schwefel. Und für meine spezielle Mischung in großen Mengen gemahlenen Magnetstein. Magnesit, Dolomit… Dafür müsste jemand noch einmal nach Eriu. Je mehr ich von diesen Sachen kriege, umso mehr kann ich herstellen. Das Birkenpech kann ich selber machen.“

Dunduvan besah sich nun auch meinen Keiler, der hier so friedlich lag und sich nicht rührte. Ich grinste wie ein Kind und klatschte aufgeregt in die Hände. “Ein Gift. Mein Gift, nur jetzt besser! Ich hatte immer das Problem, dass nach einiger Zeit, in der mein Lähmungszauber gewirkt hatte, er immer stärker wurde und die Atmung aussetzte. Aber jetzt hab ich es raus, die Kaskade rechtzeitig zu unterbrechen, ohne dass die Wirkung abfällt. Die ersten versuche wachten alle wieder nach einigen Stunden oder einem Tag auf, aber das hier… es wirkt seit fünf Tagen. Stell dir vor, einen Römer so in seinen Körper zu sperren…“ Oh, ich wollte es so unbedingt ausprobieren.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
09-13-2023, 12:58 PM,
Beitrag #54
RE: Falkenhöhle
"Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie die Welt nach uns wird, außer der Tatsache dass wir keinen Platz in ihr haben werden. Wenn dein Drache sie erneuert, dann wird ein Stück von dir zurück bleiben. Was wäre eine Welt schon ohne Ciaran und Drachen? Arm wäre sie. Wer weiß, in welcher Gestalt ich sie sehen werde?", erwiderte Dunduvan. Er konnte den Blick nicht von dem Wildschwein wenden. Es war ihm, als stände es für sie alle, die Seele gefangen in einer äußeren Form, die man weder erstrebt noch sich ausgesucht hatte. Ihn schauderte, und gleichzeitig war er von  Ciarans Druidenzauber fasziniert:
"Einen Römer so im eigenen Leib einzusperren, wäre grausamer als ihn zu töten", sagte er nachdenklich: "Aber vielleicht wird es sie lehren, dass wir sie hier nicht haben wollen. Wenn sie lernen. Sie sind so viele. - Aber ja, ich dachte daran, einen Berg zu sprengen. Du sagst, dass es dir möglich sei?"
Er hatte die Zutaten, die Ciaran ihm nannte, im Kopf behalten, ohne bei allem zu wissen, um was es sich handelte:
"Ist Naphta nicht dieses Steinöl aus dem Osten?" fragte er nach. Die Sachen zu bekommen, war selbst für Druiden schwierig, obwohl einige der Meister Beziehungen bis nach Baktrien und Hyrkanien unterhielten und über die Galater zudem zu allen großen Häfen. Auf jeden Fall würde es Zeit kosten, die gewünschten Ingredienzien nach Britannien zu schaffen.  Dunduvan würde zumindest bis nach Gallien und  dann nach Hibernia reisen müssen. Er überlegte, überschlug die Reisedauer und erwiderte:
"Sagen wir in einem und einem halben Monat treffen wir uns hier wieder. Dann bringe ich dir, was Du für deine Arbeit haben musst. Dann werden wir es den Göttern gleich tun, und Berge versetzen und Wasser wird brennen", er lachte auf, und sein Blick schweifte zum Wildschwein zurück.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
09-13-2023, 04:54 PM,
Beitrag #55
RE: Falkenhöhle
“Wir werden einen Platz in ihr haben, Dunduvan. Vielleicht erst einmal als Hund oder Ziege, aber irgendwann werden wir auch wieder als Menschen wiedergeboren. Also denk ruhig auch einmal darüber nach“, riet ich ihm, als er meinte, er habe sich nie über die Welt nach uns Gedanken gemacht. Ich machte mir ständig Gedanken. Nicht explizit darum, wie die Welt sein würde und wie ich sie verändern würde. Die Welt würde sein, wie die Götter sie haben wollten. Ich half dabei höchstens ein wenig. Aber über die Einzelteile von allem und wie sie zusammenhingen, darüber dachte ich sehr viel nach. Und ich verstand schon so viel und doch gleichzeitig so wenig davon. Wann immer ich eine Sache durchdrungen hatte, tauchten dahinter noch viel größere Mysterien auf.

Dunduvan meinte, einen Römer so einzusperren wäre schlimmer als der Tod. “Ja! Ist das nicht wundervoll?“ stimmte ich begeistert zu und weckte einmal mehr meinen Keiler. Er schlug die Augen auf, die Atmung ging kurz schneller, aber das war es schon an Reaktion. “Anfangs hat er versucht, sich zu wehren, aber irgendwie scheint er sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. An diesem Problem muss ich vielleicht noch arbeiten“, gestand ich, denn so war es eher weniger eine wirkliche strafe als mehr ein Verhindern einer Wiedergeburt. Aber immerhin hatten wir geschworen, dafür zu sorgen, dass die Römer nicht wiedergeboren werden würden. Also ich für meinen Teil war gerade sehr zufrieden mit meiner Leistung zu diesem ziel.
“Ja, wir können den Weg zur Mine unbrauchbar machen. Wir brauchen nur die richtigen Stellen und müssen vielleicht in den Fels bohren, damit das Feuer richtig wirkt und auch alles wegsprengt und nicht nur auf der Oberfläche brennt. Da müssen wir uns dann das Gelände genau ansehen. Braucht ein wenig. Aber prinzipiell, ja, klar, sprengen wir auch einen Berg.“ Ich hatte es noch nie gemacht und wusste auch von niemandem, der das schon versucht hatte. Aber ich wüsste jetzt auch nicht, was dagegen sprechen sollte. Außer, dass wir vielleicht ein paar Elfen wecken würden, die wahrscheinlich nicht begeistert wären.
“Da hinten steht ein Krug von dem Zeug, kannst du dir anschauen. Das schmierige, schwarze“, wies ich mit der Hand in Richtung meines Experimentiertisches.

Dunduvan wollte dann auch rasch los und alles besorgen. Wenn er weg wollte und sich die Reisen antun wollte, hielt ich ihn sicher nicht auf, auch wenn ich nicht wusste, ob die bemessene Zeitspanne reichen würde. “Sende eine Nachricht durch das Wasser, wenn du dich verspätest“, meinte ich zu ihm. Ich würde mir zwar keine Sorgen machen, aber die anderen Falken vielleicht. Und mein Bruder würde wahrscheinlich nachfragen, und ich wollte wenigstens so tun, als würde ich diese zwischenmenschlichen Dinge wirklich verstehen.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
10-10-2023, 01:13 PM,
Beitrag #56
RE: Falkenhöhle
Dunduvan war nach hinten zu dem Krug gegangen und starrte in die schwarze, ölige Flüssigkeit. Sie war wirklich schwarz, von einer Schwärze, die er noch nie gesehen hatte. Alles Schwarze auf der Welt trug einen Unterton einer anderen Farbe in sich, rötlichschimmernd oder blauschimmernd. Diese da tat es nicht:
" Dein Zeug stammt wahrhaftig aus der Unterwelt. Es scheint das Licht ganz und gar zu schlucken", sagte er fasziniert:
"Ich schicke Dir Nachricht, doch nicht über Wasser. Das Wasser gehört zu Brigid", in seiner Vorstellung waren Siofra die Ältere und die Weiße Mutter zu einer einzigen Gestalt verschmolzen, und er mied sie:
"Besser über den Wind. Ich hoffe, dass ich vor dem Ende des Sommerhalbjahres und vor anfad zurückkomme"

Anfad bedeutete unheilvoll und bezog sich auf den höchst komplizierten Kalender der Druiden - tatsächlich war er durch seine Aufteilung in Zeitalter und mad und anfad wesentlich komplizierter als der römische:

"Dein Wildschwein ist als ein Tier geboren worden, Ciaran. Tiere wehren sich nach einer Zeit nicht mehr und nehmen ihr Leben, wie es kommt. Nur wir Menschen klammern uns an das betrügerische Geschenk der Hoffnung. Ein Mann würde viel mehr leiden", antwortete Dunduvan und überlegte bei sich, dass es nett sein könnte, zur Abwechslung einmal ein Hund oder eine Ziege zu sein. 

Ob Cathbad Bescheid weiß, fragte er sich dann, über all das was Ciaran gelernt hat und tun kann? Ich bin mir nicht sicher. Er hat ihm Cinead an die Seite gestellt, um ihn zu bändigen, doch es scheint nicht so, als ob sein Zwillingsbruder ihm noch folgen kann. Ciaran ist ein Druide von außergewöhnlicher Macht geworden. Wenn er es darauf anlegen würde, könnte er den Rat beherrschen. Aber er legte es auf nichts wie gewöhnliche Männer an - das war ja der Witz:

"Lebe also wohl bis zu unserem Wiedersehen. Und grüße Cinead von mir", eine weite und nicht ungefährliche Reise lag nun vor Dunduvan Deimos >>>
Zitieren
 
10-16-2023, 03:37 PM,
Beitrag #57
RE: Falkenhöhle
Ich verdrehte leicht die Augen, als Dunduvan den Wind dem Wasser vorzog, weil er anscheinend etwas gegen Brigid hatte. “Was immer du bevorzugst, Dunduvan. Wind, Wasser, Feuer… Wenn die Götter wollen, dass ich es sehe, werde ich es sehen.“ Und wenn nicht, dann eben nicht.

Er begutachtete das bewegungsunfähige Wildschwein und meinte, dass es bei einem Mensch schwieriger wäre, weil sich Tiere nicht so lange wehren würden. Ich lächelte, denn mein Bruder wusste vieles nicht, was ich durchaus wusste. Was ich durchaus schon gesehen hatte. Aber das gehörte zu den Dingen, über die ich nicht sprechen durfte, weil die meisten Menschen, auch die Falken, sie nicht verstehen konnten.
“So verschieden sind Menschen nicht von den Tieren, Dunduvan. Wir reden uns gerne ein, dass wir besonders sind, dass wir anders sind. Aber letzten Endes, so ist meine Erfahrung, unterscheiden wir uns nicht allzu sehr von denen, die auf vier Beinen laufen.“ Der menschliche Geist war so zerbrechlich. Es genügte schon, einen Menschen für ein paar Tage, nicht einmal eine Woche, in einen völlig dunklen Raum zu sperren, damit er vollkommen den Verstand verlor, weil seine eigene Stimme im Kopf so laut und dröhnend wurde, dass er sie nicht mehr von Stimmen außerhalb unterscheiden konnte. Ich hatte das schon gesehen. Ein Mensch, ein Mann, würde genauso zerbrechen wie dieses Schwein, da war ich mir sicher.

Dunduvan also verabschiedete sich und wollte losziehen, alles zu besorgen. Ich nickte und begab mich auch erst einmal wieder nach draußen. Es war ein schöner Tag, und Cinead würde meckern, wenn ich die ganze Zeit im dunklen verbringen würde und nicht in der Sonne
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
10-21-2023, 04:36 PM,
Beitrag #58
RE: Falkenhöhle - Berge bewegen
Zwei Monde später >>>

Der Herbst war gekommen, ein kalter Nordwind hatte die Bäume ihrer Blätter beraubt und das Laub unter Dunduvans Füßen raschelte bei jedem Schritt, während die Krähen krächzten und die Bäume ihre kahlen Äste gegen die dahinfliegenden Wolken streckten.
Dunduvan zog seinen Mantel über seine Schultern und steckte ihn mit seiner Fibel, die aus Eisen gearbeitet war und einen Hirsch zeigte, enger zusammen. Die Schritte seiner vier übrig gebliebenen Maultiere waren, weil er ihre Hufen sorgfältig umwickelt hatte, weder zu hören noch würden sie erkennbare Spuren zurücklassen, nicht einmal im durch den Regen schwer und morastig gewordenen Boden.
Im Land, das die Römer Hibernia nannten, hatte er gelebt, wie einst die Vorfahren gelebt hatten. Uathach war freigiebig gewesen, in ihren Armen hatte er sich zuweilen so lebendig gefühlt wie es seinen Jahren entsprach. Aber Albion – hier ruhte die Last vieler Jahre auf ihm, die, so dachte er, nicht einmal seine Jahre waren. Je weiter sich Dunduvan von der Insel Eireann entfernt hatte, desto mehr war wieder Cathbads Stimme in sein Bewusstsein gedrungen. Die Falkenbrüder dagegen, sie suchten ihren Weg und ihr Glück. Nur Ciaran wollte nichts Bestimmtes. Dunduvan wusste, dass der Bruder sich nichts aus ihm machte, das war nichts Persönliches, es war so, weil Ciaran überhaupt wenig mit anderen Menschen teilte. Dennoch war er gerade der Einzige, den er um sich herum haben konnte. Alle anderen waren vom rechten Weg abgekommen. Zumindest war das Cathbads Ansicht. Caradoc hätte vielleicht gesagt, dass die Welt im Wandel war und dass es wie in der Prophezeiung gerade keine Gewissheit über den richtigen Weg gab.

Ich hätte in Hibernia bleiben können, dachte Dunduvan. Ich hätte das Alte Leben weiterführen können. Manche der Tuatha de Danaan haben dunkles Haar und dunkle Augen, sagten sie, denn in grauer Vorzeit kam der Vorvater der Kelten erst über das Meer. Zuvor lebten andere Völker hier, und sie waren ganz verschiedenartig. Ich hätte ein Krieger sein und mich einem ihrer Fürsten anschließen können, und Uathach hätte vielleicht ihren Mann verlassen, um mit mir zu leben.

Er blieb stehen, erschrocken über seine Gedanken. Alles was er war, stand dagegen. Erst müssen die Römer aus Albion verschwinden, dachte er. Vorher gibt es nichts für uns. Und damit beschütze ich auch Uathach. Denn schon haben die Römer ein Auge auf ihre Insel geworfen. Sie würden kommen, wie sie auch hier gekommen sind: Unbarmherzig wie die Flut.

Dunduvan setzte seinen Weg durch. Mit dem Herbstwind schickte er eine Botschaft, wortlos, nur das Bild eines Hirsches, der durch den Dickicht brach. Er bekam aber keine Antwort, dennoch hoffte er, dass die Zwillinge ihn vernahmen.

Nahe der Höhle rief er wie der Falke rief, um sich anzukündigen.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
10-28-2023, 03:59 PM,
Beitrag #59
RE: Falkenhöhle
Ich war voller Bärlappsporen. Das Zeug klebte einfach ü-ber-all an mir. Oder nein, das war falsch. Es gab nichts, das Wasser so sehr abwies wie Bärlappsporen. Das Zeug wurde nicht mal nass, wenn man es unter Wasser tauchte, sondern es kam vollkommen trocken wieder nach oben. Es war faszinierend. Weshalb ich es einsammelte. Aber wie feinster Staub hing es mir an der Kleidung und in den Haaren und überzog mich mit gelblichem Puder. Und es war eine andersweltliche Arbeit gewesen, das Zeug in die Jutesäcke zu bekommen, da jeder Windhauch es wieder weiterwehte. Aber ich brauchte die Sporen, denn ich hatte weitere Experimente vor. Das wundervolle an Bärlapp war nämlich nicht nur, dass Wasser nicht hinein konnte. Es brannte auch wahnsinnig schnell und leicht und hell. Wenn man die Sporen mahlte und mit verschiedenen Pigmenten vermischte, bekam man sogar sehr schöne, farbige Flämmchen.
Aber es gab die Sporen nur im Herbst, nur an sonnigen Tagen, und dann musste man schneller als der Wind sein. Und ich wollte das Zeug haben.

Ich ging also gerade zurück zur Höhle und überlegte schon, wie ich am besten die Sporen an mir loswurde, denn ich hatte keine Lust, in Flammen aufzugehen, als ich Dunduvan pfeifen hörte. Ich wusste, dass er es war, ohne darüber nachdenken zu müssen, und ging unbekümmert weiter. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn sah, wie er durch das Dickicht stapfte und das Laub rascheln ließ, auch wenn er leiser als viele war.
“He, Dunduvan“, grüßte ich ihn ganz unbekümmert. Wie lange war er weg gewesen? Keine Ahnung, ich war mir nicht einmal sicher, welche Zeit es jetzt gerade war. Kurz vor Samhain. Aber noch war die Pforte zwischen den Welten nicht geöffnet. Das hätte ich mitbekommen.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
10-31-2023, 03:19 PM,
Beitrag #60
RE: Falkenhöhle
"He, Ciaran. Ich habe mitgebracht, was du brauchst" 
Dunduvan lud ab, baute Päckchen und verkorkte Amphoren in einem trockenen, abgeschirmten Winkel der Höhle auf und versorgte die Tiere. Er erwartete nicht, dass Ciaran ihm half. Ein Maultier würde er vielleicht behalten, die anderen jedoch in Cheddar wieder verkaufen. Er reiste mit leichtem Gepäck. Schwerer wog Cathbads Meinung über ihn. Anfad, dachte Dunduvan, Unheil, unheilvoll, unheilverheißend...

Er nieste einmal: "Was ist das, was an dir klebt? Hast du dich in Safran gewälzt?", fragte er: "Ein neues Experiment?" Ciaran war während Dunduvans Abwesenheit  bestimmt nicht untätig gewesen.
Er behielt seinen Vorratssack, der voller Würste, Käse und frischem Brot war, über der Schulter und verstaute die letzten kleinen Amphoren:  
"Was macht  eigentlich dein Wildschwein? Lebt es noch? Willst du es nicht den Göttern opfern, damit die große Explosion gelingt. Oder...?"

Er hätte nun Ciaran gerne eine Hand auf den Arm gelegt, damit er ihm genau zuhörte, doch das tat er nicht. Nur seine Stimme wurde eindringlicher:
"Ich weiß nicht mehr, was die Götter wünschen. Ich weiß nur, dass sich die Schlinge enger und enger zieht"  das war das, was er fühlte, seit er Eireanns Ufer und Uathachs Arme verlassen hatte. Ihr Schutzzauber hatte ihm nicht geholfen :
"Wenn ihnen ein Wildschwein nicht genug ist, dann bin ich bereit, mich selbst zu opfern, Ciaran. Ich vertraue es dir an, denn du bist der einzige der Brüder, dessen Hand dabei nicht fehlgehen würde" Dunduvan grinste sein schiefes Grinsen: 
"Wie ein guter kleiner Hirschkönig bin ich bereit"

Vielleicht wäre Dunduvans Meister dann endlich stolz auf ihn. Dunduvan hatte Louarns Niamh nicht getötet, als er es tun sollte. Er hatte es nicht fertig gebracht. Jetzt war da eine Lücke im Gewebe der Welt, lose Enden, die sich nicht verknüpft hatten, ein Loch, das nichts als Unglück bescherte. Das Loch musste heil gemacht  werden. Es musste mit Blut gestopft werden:
Noch während Dunduvan von Tod und Verderben sprach, hatte er sich hingesetzt und seinen Vorratsbeutel geöffnet. 

"Nimm dir so viel du magst", sagte er freundlich und teilte einen Teil für Cinead ab, falls der Zwilling dazukommen sollte. Leben und Tod lagen sehr nahe beieinander.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 4 Gast/Gäste