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[Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
08-12-2023, 04:51 PM,
Beitrag #41
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Also wollte er sich nicht anpinkeln lassen. Schade, ich könnte nämlich gerade. Aber dann eben den Essig, wenn er meinte. Ich ging zu dem Gefäß und roch einmal an seinem Inhalt. Scharf, sauer, stechend. Das würde brennen. Aber wenn er meinte. Ich hatte jetzt also alles bereit und hörte mir seine Ausführungen zu dem Bohrer an.
“Diese Worte sagen mir nichts“, meinte ich, als er mit Fachworten um sich warf, wie der Bohrer aussah. “Und ich bezweifle ein wenig, dass wir uns noch einmal wiedersehen. Aber ich weiß den Versuch, es mir zu erklären, durchaus zu schätzen.“ Tat ich wirklich. Ich lernte gern neue Dinge, aber vieles musste man sehen und erleben, um es zu verstehen. Das wusste ich besser als die meisten Menschen. Anders als die meisten Menschen war ich aber auch bereit, dieser Erkenntnis Taten folgen zu lassen.
Ich bugsierte ihn so in Position, wie ich ihn haben musste, um ihn nun zu verarzten. Es war irgendwie seltsam, mit wachen Menschen zu hantieren, die sich selbst bewegten, aber auch interessant. Er meinte, er habe Angst, dass ich Ärger bekommen könnte, weil ich ihm half. Ich musste jetzt wirklich lachen. “Bei der Menschenmasse da draußen und einem wütenden Louarn? Nein, der kommt nicht wieder. Und selbst wenn, wie viele Soldaten soll er wegen dir mitbringen und mit welcher Begründung?“ Ich hatte da wirklich wenig Sorgen. Und falls die Römer doch so dämlich sein sollten, jetzt wieder zurück zu kommen, könnte ich verdammt viele von ihnen in den Tod reißen, ehe sie mich auch nur erreichen würden. Entweder das, oder ich verschwand unauffällig durch das nächste Fenster. Vielleicht auch beides. Aber nein, Sorge hatte ich keine.
“Den Rest musst du Louarn fragen. Aber erst, wenn ich dich genäht habe. Und das wird weh tun. Normalerweise würde ich dich erst betäuben, damit du still hältst. Aber ich hab Angst, dass dein Kopf das nicht aushält. Ich brauche dich also wach. Es wird also weh tun. Ich hoffe, du bist kein Weichei.“

Und dann fing ich auch an. Die schmutzigen stellen wusch ich als erstes mit dem Essig gründlich aus, was sicherlich ordentlich brannte. Mehr als Urin auf jeden Fall. Dann nahm ich die zerschnittenen Hautstücke sehr sorgfältig und legte sie so, wie sie sein mussten und begann, mit kleinen Stichen gründlich zu nähen. Ich war sehr gut darin. Nur an einer Stelle war dieser Römer schlampig gewesen, weshalb ich nicht sicher war, ob das alles wieder so zusammenwachsen würde, wie es sollte. Immer, wenn ich eine Naht fertig hatte, schmierte ich vorsichtig erst eine Schicht Honig darüber, und dann dick die Paste, die ich angerührt hatte, und bedeckte sie zuletzt mit einem Eichenblatt. Ab dem Zeitpunkt sollte Pytheas nichts mehr von den Schmerzen spüren, denn etliche Kräuter wirkten auch betäubend und lindernd, so dass er nach und nach immer weniger Schmerzen haben sollte.
Ich lenkte ihn auch ein wenig ab, in dem ich meine Neugierde stillte. Er hatte mich gefragt, jetzt fragte ich ihn. “Warum interessiert sich ein römischer Anführer für einen kleinen Heiler so sehr, dass er ihn foltert?“ fragte ich ihn. Aber auch einfachere Dinge, wie “Was ist in den Gefäßen dort an der Wand?“ und schließlich, als ich fast fertig war, ihn zu verarzten, kam ich auf die frage zurück, die er mir gestellt hatte, ohne sie zu stellen. “Und warum willst du mit Druiden reden?“ Jap, ich hatte das durchaus verstanden, dass er das wollte. Aber wieso?
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Falke
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08-13-2023, 05:35 PM,
Beitrag #42
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Ciaran schmiss mich regelrecht raus. Nein, das passte mir nicht. Ja, ich machte mir Sorgen darum, was er mit Flavianus Pü anstellen würde. Aber ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Er nähte nur schnell meinen Arm und schmierte mir irgendein Zeug drauf, das ich sowieso nicht identifizieren konnte und schickte mich dann nach draußen. Verbinden durfte ich mich wohl selber. Ich schnappte mir dafür auf dem Weg nach draußen eine Verbandsrolle und bat draußen eine Frau, mir zu helfen, weil das allein wirklich nicht so einfach war.

Und dann hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich hatte ja nicht einmal eine Ahnung, was passiert war, aber was ich jetzt machen sollte, wusste ich noch viel weniger. Erst mal mein Pferd versorgen, ehe der Braune mir einging. Ich quälte mich durch die Menge zu den Pferden, ignorierte die Fragen von links und rechts, und nahm den Zügel. Der Braune zitterte. Scheiße. Ich nahm ihn am Zügel und fing an, ihn herumzuführen, damit er langsam trocken wurde. Zuletzt nahm ich etwas Stroh und rieb ihn ab. Erst dann führte ich ihn zum nächsten Brunnen und ließ ihn ein wenig saufen. Ich hoffte, sein Kreislauf machte jetzt nicht schlapp.

Die Hure von vorhin schlüpfte durch die Menge und baute sich vor mir auf. “Du schuldest mir was!“ sagte sie und war ganz eindeutig nicht amüsiert. Ja, ich hatte sie ein wenig hereingelegt. Ja, ich verstand, dass sie jetzt Angst hatte, verdammt viel Ärger zu kriegen. Immerhin war ein Mord geschehen und sie irgendwie darin verwickelt, weil sie einen Teil der Täter abgelenkt hatte. Sie war Zeugin, und sowas war in ihrem Stand nie gut.
Ich seufzte, griff an meinen Gürtel und zerrte den schmalen Beutel mit Münzen davon herunter, um ihn ihr komplett zuzuwerfen. So viel war sowieso nicht darin, aber vermutlich mehr, als sie in zwei Wochen verdiente. Aber das Geld interessierte mich grade echt am wenigsten.“Da, nimm. Und am besten vergessen wir beide, dass wir uns kennen“., schlug ich vor. Sie schaute mich einmal scharf an, nachdem sie in meinen Geldbeutel gesehen hatte. Offensichtlich wägte sie ihre Chancen ab, mich erpressen zu können, war dann aber klug genug, ihr Glück nicht zu strapazieren. .“Noch einen schönen Tag, Süßer“, meinte sie fröhlich winkend und zog von dannen.

Und ich war wieder mit meinen Gedanken allein und der Frage, was ich tun sollte.
Calum! Verdammt, warum fiel er mir erst jetzt ein?! Ich musste Calum bescheid sagen. Wenn Flavianus Pü starb, und er nicht da wäre, er würde es sich nie verzeihen. Und auch sonst würde er es wissen wollen. Ich würde es definitiv wissen wollen, wäre ich an seiner Stelle.
Da mein Brauner heute aber definitiv schon mehr als genug geleistet hatte, ließ ich ihn hier und eilte also zu Fuß los in Richtung der Schmiede, in der Calum arbeitete.
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Falke
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08-13-2023, 05:58 PM,
Beitrag #43
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Pytheas warf Ciaran einen prüfenden Blick zu, doch drehte er sich vertrauensvoll so hin, dass der an seinen Rücken kam. Es brannte zunächst, aber er hielt es aus. Der Schmerz war ein weiteres Zeichen, dass er am Leben war. Das Nähen war fast noch schmerzhafter als die Desinfektion, doch auch hier schwieg er. Er hatte selbst schon genäht. Den Excenturio Sabinius Merula hatte er sogar regelrecht quälen müssen, und er quälte ihn immer noch, wenn er täglich kam, um sein Bein zu strecken. Doch dann spürte er etwas Adstringierendes auf seinen Wunden, als würde sich eine kühle, lindernde Hand auf seine Haut legen:
"Warum ich mit Druiden reden möchte? Ich denke, es ist so, dass jedes Land seine ganz eigenen Geheimnisse der Heilung besitzt. Die Heilung ist hier im Wasser, in der Erde, in der Luft und in den Pflanzen. Die Druiden sind diejenigen, die die Weisheit des Landes Britannien hüten. Ich würde gerne von ihnen lernen. Ich bin auch dabei, eure Sprache zu lernen, aber da ihr sie nicht aufschreibt, bin ich oft zu müde dazu, mir viel zu merken",
 Pytheas zitterte vor Anstrengung, bis Ciaran fertig war, aber dann lächelte er ihn an:
"Es ging eigentlich nicht um mich, sondern um einen Freund von mir, einen Centurio in der Legion. Er und der andere Anführer sind Feinde", erwiderte Pytheas, und als er das aussprach, war ihm klar, dass es so war: 
"Aber auch darum ging es nicht wirklich. Der Römer foltert schlicht zum Vergnügen. Außerdem ist er vermutlich nicht in der Lage, den Geschlechtsakt auszuführen, wobei ich als Ursache eine unbehandelte Phimose vermute, die zu einer chronischen Balanoposthitis geführt hat", Pytheas zuckte die Schultern:

" Der Körper ist zuweilen einfacher zu behandeln als der Geist.  Den Geist jenes Anführers zu behandeln, übersteigt meine Gelehrsamkeit.  - In den Gefäßen an der Wand sind Kräuter, die ich medizinisch einsetzen kann. Einige sind potentiell tödlich: Bilsenkraut, Nieswurz, Schierling, Fingerhut und Doryknion. Daher muss ich Louarn unbedingt etwas Wichtiges anvertrauen. Wenn ich gestorben wäre, wäre ich nicht mehr dazu gekommen", er schaute jetzt besorgt drein und auch ein wenig traurig:
"Ich bedaure es wirklich, wenn dies unsere erste und letzte Begegnung ist, Heiler Pally", sprach er.
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Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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08-13-2023, 07:10 PM,
Beitrag #44
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Der Mann hier hielt mehr aus, als ich ihm zugetraut hätte. Er hielt still, nur die kleinen Muskelzuckungen, die man nicht kontrollieren konnte, verrieten, dass er sehr wohl mitbekam, was ich tat, und dass es schmerzhaft war. Ich hatte schon Kerle doppelt so groß und schwer wie er wie kleine Babies weinen sehen, wenn sie zusammengeflickt wurden.
“Woher weißt du das mit der Entzündung?“ Ja, alle medizinischen Fachwörter kannte ich natürlich nicht. Aber Cathbad hatte uns nicht nur Latein, sondern auch griechisch lernen lassen. Und wie alle Kerle merkte man sich natürlich genau die griechischen Wörter, die den eigenen Schwanz zum Thema hatten. So eben auch Balanos, und Phimos war ein Knebel. Eine -itis war immer eine Entzündung. Was ich also verstand, war, dass der Kerl, der das getan hatte, eine Entzündung an seinem besten Stück hatte und deshalb keinen hoch bekam. Aber woher wusste Pytheas das? “Hat er dir sein Ding gezeigt oder versucht, dich zu nehmen?“ Es war kein Spott in meiner Stimme, nur Neugierde. Wenn ein neuer Spieler da war, wollte ich ihn verstehen. Ich hatte bislang nur seine Arbeit gesehen, und die war unausgereift. Wenn Pytheas mir noch Motive dazuliefern konnte, war das nützlich.

Ich setzte jetzt abschließend einen lockeren, luftigen Verband an. Einige Pflanzen, die er aufzählte, kannte ich. Aber nicht alle. “Was ist Doryknion? Wie wirkt es und wozu benutzt du es?“ Ich fragte nicht, warum er Gifte besaß. Ich selber hatte mehr als genug Gifte bei mir. Bilsenkraut zum Beispiel nutzte ich selbst. Schierling wuchs hier in Britannia nicht, aber er war im römischen Reich weit verbreitet als Gift und daher nicht so schwer zu beschaffen. Aber die Dinge, die ich noch nicht kannte, die interessierten mich am meisten. Und wenn Pytheas mir Fragen stellte, stellte ich ihm auch welche. Ich würde ihm seine sogar beantworten, nur stellte er jetzt wenige.
“Ich lass Louarn gleich wieder herein. Ich bin soweit fertig. Es sollte eigentlich keine Entzündung geben. Nur eine Stelle ist ein wenig schief, da hat er wirklich unsauber geschnitten. Ich denke, ich habe es gut vernäht. Sollte es aber doch eitern und grau werden, empfehle ich dir, Maden zu setzen, die das verdorbene Gewebe wegfressen. Dann hast du für ein paar Wochen zwar eine offene Wunde, aber die Stelle ist nicht groß und sollte dann von selbst abheilen.“
Ich hatte gerade meinen großzügigen Tag und blieb sitzen. “Die meisten Leute sind sehr froh, wenn sie mich nur einmal in ihrem Leben sehen. Ich nehme mir ein wenig von deinen Kräutern. Im Tausch darfst du mich, wenn du willst, fragen, was du möchtest. Wenn ich die Antwort weiß, verrate ich sie dir.“ Ja, Druidenwissen ging nur von Druidenmund zu Druidenohr. Bla bla bla. Die tiefere Magie verstand Pytheas ohnehin nicht. Konnte er gar nicht. Und wenn er etwas über die Pflanzen hier wissen wollte, konnte das nicht schaden.
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Falke
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08-15-2023, 04:22 PM,
Beitrag #45
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Pytheas hatte die griechischen Ausdrücke benutzt, doch der Heiler, der offensichtlich eine gute Ausbildung genossen hatte, verstand ihn. Der Medicus sah einen Moment lang ins Leere:
"Als er schon einmal hier war, fiel ihm wohl ein, dass er noch Verschiedenes ausprobieren könnte. Es gibt eine Art von Verbrechern, die fließendes Blut zu ihren Verbrechen reizt. “, bestätigte er die Frage von Pally. Er hoffte, nicht allzu oft daran denken zu müssen. Das Erlebnis mit dem Tribun war ein weiteres Gespenst seiner Vergangenheit. Er würde es ganz tief unter seine Toten und Verschwundenen stecken, dorthin, wo er nicht ständig darüber stolperte:
"Doryknion ist eine Giftpflanze, die von Medicus Pedanius Dioskurides beschrieben wird. Ich hatte hier eine Zusammenfassung seiner Pharmazeutik.  Ich fürchte jedoch, dass der Tribun mir die Schriftrollen zerrissen hat.  Doryknion sieht aus wie ein kleiner Ölbaum, seine Blüten sind weiß. Es wächst in der Nähe unseres Meers. Sein Sud wurde früher dazu benutzt, Speerspitzen zu vergiften, Dory bedeutet Lanze. in geringer Dosis ist es ein Schlafmittel“, Pytheas nickte zustimmend, als Pally ihm sagte, dass er ein paar Kräuter haben wollte:
"Nimm sie dir ruhig, was dich interessiert“
Von der Madentherapie hatte er gehört, sie jedoch noch nicht selbst verwendet: "Ich werde meinen Gehilfen bitten, die Heilung der Nähte zu kontrollieren. Ich hätte es zunächst einmal mit dem Auftragen von Honig versucht“, er grinste ein wenig, als er sich vorstellte, was sie auf dem Palatin zu Maden gesagt hätten:
"Du meinst, dass die meisten Menschen froh sind, wenn sie dir nur einmal im Leben begegnen? Ich gehöre nicht dazu. Ich habe noch nie einen Mann getroffen wie Dich, und ich kenne einige Ärzte, doch etwas an dir ist anders. Wo wurdest du ausgebildet, Heiler Pally? Ich nehme an, dass du, da dein Volk nichts aufschreibt, alle deine Kenntnisse im Kopf aufbewahrst. Wie bist du zu solchen Geistesgaben fähig? Ich bin schon zufrieden, wenn ich mich daran erinnere, wo ich in meinen Büchern nachschlagen muss“
[Bild: 3_20_01_23_11_54_02.png]
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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08-15-2023, 05:37 PM,
Beitrag #46
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Der Typ war zwei Mal hier gewesen? Das erste Mal, um Phyteas seinen Schwanz zu zeigen, und beim zweiten Mal, um ihn zu foltern? Ich erkannte ein Muster, wenn mir eines präsentiert wurde. “Es geht nicht um das Blut. Es geht um die Macht“, berichtigte ich Phyteas, als er meinte, das fließende Blut würde Männer wie ihn – also eher Männer wie mich – zu ihren Verbrechen reizen. “Das Blut ist nur Mittel zum Zweck. Es fließt nur, solange ein Mensch lebt. Solange es also fließt, hat man noch die Möglichkeit, Macht auszuüben. Es ist der direkte Beweis des Lebens. Ebenso wie der Atem. Deshalb strangulieren manche ihre Opfer so gerne.“ Keine Ahnung, ob er verstehen konnte, wovon ich redete. Die meisten verstanden bei diesem Thema nur Pferdewechselstation, selbst wenn man es ihnen zu erklären versuchte.

Stattdessen aber erklärte er mir, was die Pflanze bewirkte, von der er gesprochen hatte. Ein Schlafmittel also. Etwas, das den Kreislauf verlangsamte. Ich nahm davon vorsichtig genug aus dem Gefäß, um es bei meinem nächsten Experiment ausprobieren zu können, und packte es in einen leeren Beutel von mir und anschließend sorgfältig in die Satteltasche. Sehr schön. Ich freute mich immer, wenn ich auf diesem Gebiet etwas neues fand. Meine Helferinnen bei meinen Experimenten eher weniger.
“Honig habe ich jetzt drauf getan, das kannst du auch in den nächsten Tagen immer wieder, wenn ihr die Verbände wechselt und die Wunden wascht. Aber der hilft nicht, wenn das Gewebe abstirbt. Solange die Wundränder rot und durchblutet sind, jucken und heilen, hilft Honig. Ich kann dir auch noch anderes dalassen. Aber wenn es abstirbt oder brandig wird – du kennst die Zeichen – dann zögere nicht. Die Maden arbeiten besser als jedes Messer, und in vielen Fällen verhindern sie schlimmeres.“ Wundbrand war eine unanständige Sache. Wenn er zu weit reichte, konnte man nur das betroffene Körperteil abschneiden und hoffen, dass es reichte.

Ich fuhr mit meinen Fingern an seinen anderen Schätzen entlang. Er hatte eine erlesene Sammlung an Pflanzen, das musste ich ihm lassen. Auch die Schriftrollen hob ich auf und überflog kurz ihren Inhalt, soweit das im zerrissenen Zustand ging. Und derweil stillte er seine Neugierde.
“Ich hatte viele Lehrer, nicht nur einen. Zum Teil reiste ich zu ihnen viele Meilen, ein paar andere kamen zu mir. Und vieles brachte ich mir selbst bei in langen Experimenten. Nicht alle waren erfolgreich, aber gerade die Fehlschläge lehren uns häufig am meisten, nicht? Wenn man immer nur das tut, was andere schon wissen, lernt man nicht wirklich dazu.“
Ich legte eine Schriftrolle beiseite, die weitestgehend unbeschädigt war, und räumte sie fein säuberlich auf. “Kannst du schwimmen? Wenn ja, musst du dich jedes Mal daran erinnern, wenn du es tust, oder schwimmst du dann einfach?“ stellte ich eine Gegenfrage zu seiner Frage, wie ich mir das alles merken konnte. Ich merkte es mir einfach und dachte nicht darüber nach. “Mein Geist ist wie eine große Landschaft, auf der die einzelnen Teile mit goldenen Fäden verbunden sind. Alles hängt zusammen, auch wenn jeder Fels und jeder Baum seinen eigenen Platz hat. Und so hat auch jedes Wissen seinen eigenen Platz. Wenn ich es suche, muss ich mich nur im Geist zu dem Ort begeben und dem goldenen Faden folgen. Dann sehe ich, mit was es in Verbindung steht, was es beeinflusst und was am selben Platz ist, weil es so ähnlich wirkt.“[/]
Ich legte den Kopf schief. [b]“Du merkst dir, wo alles in deinen Büchern steht. Meine Bücher sind in meinem Geist. Ich muss nur wissen, wo ich nachschlagen muss und wie ich sie öffne.“


Ein neugieriger, kleiner Mann. “Warum zeigst du keine Angst?“ stillte ich also wieder meine Neugier mit einer Frage. “Ich hab Kerle, die doppelt so groß wie du waren, beim Anblick einer Nadel zusammenzucken sehen. Und wenn du ihm – damit meinte ich denjenigen, der ihn gefoltert hatte – “gegeben hättest, was er wollte, nämlich deine Angst und deinen Schmerz, dann hätte er dich schnell getötet und nicht das hier gemacht.“ Da war ich mir doch sehr sicher. Der andere war noch nicht so weit, sich beherrschen zu können. Das hier war impulsiv und gefährlich und dumm gewesen. Der Kerl war Anfänger auf dem Gebiet. Er würde aber lernen, ganz bestimmt. Dann würde es Tote geben. Und irgendwann würde er lernen, seinen Trieb zu zügeln und die Qual zu verlängern. Das hier aber, das war eher Frust als Lust gewesen.[/b]
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Falke
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08-17-2023, 03:35 PM,
Beitrag #47
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
" Ich werde deinen Rat bezüglich der Maden befolgen, Heiler Pally. Was außer Honig wirst du mir dalassen? Etwas Einheimisches?", fragte Pytheas und fuhr fort:
"Und ich glaube zu verstehen, was du mir über den Folterer sagen möchtest. Wohlhabende Römer haben allerdings sehr viele andere Möglichkeiten, diese Lust an Macht zu befriedigen. Beispielsweise können sie sich an ihre Sklaven halten. Grausamkeit gegen die Dienerschaft ist zwar gesellschaftlich nicht angesehen, doch wo es keinen Kläger gibt, gibt es auch keinen Richter.
 - Experimente… auch ich mache Experimente“ 
Es war für Pytheas sehr interessant, dass der Heiler dieses Thema anschnitt. Er hatte noch nie wirklich mit jemandem über seine Arbeit reden können, und er hatte wahrhaftig das Gefühl, einen verwandten Geist zu treffen:
"Ich bin hier mit dem Auftrag, Feldforschung über die Bleikrankheit, die bei den Minensklaven auftritt, anzustellen und möglichst ein Gegenmittel zu finden. Ritter Balventius, der Minenpächter, gab mir freie Hand, und ich habe einige der gängigen Mittel , die in der Literatur berschrieben werden, an den Arbeitern ausprobiert. Einige Autoren sind der Meinung, dass die Kur sich oft in der Nähe der Krankheitsverursacher befindet, und sie empfehlen Pseudoargyros, Scheinsilber, zur Behandlung. Und hier kam ich ans Ende meiner Möglichkeiten. Meine Probanden waren schlicht zu unwillig oder auch zu ungebildet, um mir berichten zu können, welche Wirkung der Stoff genau auf sie hatte. Obendrein verursachte er als Nebenwirkung hohes Fieber. Die Anzahl der Freiwilligen nahm rapide ab.  Wie hast du dieses Problem des Erkenntnisgewinns bei deinen Experimenten lösen können?“
Denn was Pally sagte über die Gegenstände, die man erforschte und die noch kein anderer erforscht hatte, das klang für Pytheas nach Wissenschaft, wie man sie in Alexandria und  noch in Rom betrieb, doch die er in Britannien nicht erwartet hätte:
"Und euch nennen sie Barbaren!“, rief er aus: "Verzeih, ich möchte weder Dich noch dein Volk beleidigen. Doch ich glaube, dass die Schriftsteller euch verkennen. -  Dein Geist ist wie eine große Landschaft, auf der die einzelnen Teile mit goldenen Fäden verbunden sind. Wenn du etwas suchst, musst du dich nur im Geist zu dem Ort begeben und dem goldenen Faden folgen. Dann siehst Du, mit was es in Verbindung steht, was es beeinflusst und was am selben Platz ist, weil es so ähnlich wirkt. Ich habe über solche Techniken wie du sie beschreibst, gelesen, aber noch nie jemanden getroffen, der sie wirklich beherrscht. Wir verlassen uns allzu sehr aufs Schreiben und Notizen machen, nehme ich an. Könnte ich das denn auch lernen? Vielleicht um endlich eure Sprache zu sprechen!“  Pytheas schaute den keltischen Heiler sichtlich beeindruckt an. Dann überlegte er  einen Moment, um eine fundierte Erklärung auf Pallys nächste Frage zu liefern:
"Ich hatte Angst, Heiler Pally, sogar große Angst.  Auch wenn mein Leben gewiss nicht mehr wert ist als dass der anderen Leute, hänge ich an ihm. Ich habe jedoch meine Kindheit und Jugend als Sklave der Römer verbracht. Ich habe sehr früh lernen müssen, dass es das Beste ist, sich nicht zu rühren,  ganz gleich was um dich herum geschieht, denn so geht es vielleicht an einem vorüber. Mittlerweile bin ich erwachsen und ein freier Mann. Aber das hier… es hat mich wohl an früher erinnert“, Pytheas schüttelte über sein eigenes Unvermögen den Kopf:
"Mein Angreifer hielt mich für arrogant, was ihn noch wütender gemacht hat. Dabei war ich nur wie versteinert vor Furcht. Und Nadeln mag ich nicht. Allerdings bin ich der Auffassung, dass ich das, was ich anderen zufüge, auch selbst einmal zumindest ansatzweise erdulden muss, um zu wissen, wie es ist. Daher blieb mir auch nichts anderes übrig, als das Scheinsilber an mir selbst auszuprobieren"
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Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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08-17-2023, 09:20 PM,
Beitrag #48
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
“Spitzwegerich, Schafgarbe, Frauenminze und Kamille. Denke ich“, meinte ich, als er mich fragte, was ich ihm dalassen würde, und legte den Kopf schief. Ich wusste nicht, was davon er kannte und wo das alles wuchs. Ich war nie südlicher als Nordgallien gewesen, auch wenn ich das für eine Verschwendung hielt. Wenn Cathbad wirklich die Römer vom Kopf abschneiden wollte, hätte er mich und Cinead nach Rom schicken sollen. Ich hätte schon einen Weg in den Palast gefunden, und von da an wäre es ein leichtes, alle umzubringen. Die Schwierigkeit wäre höchstens, dass ich mich nicht selbst mit vergiftete, aber das war höchstens eine kleine Unannehmlichkeit. Es wäre höchstens nervig, erst einmal ein paar Leben als Tier wiedergeboren zu werden, ehe ich mein Wissen vertiefen konnte.

Aber er verstand genausowenig wie die meisten, warum sein Peiniger sich an ihm ausgetobt hatte und eben nicht an einem Sklaven. “Es ist genauso wenig dasselbe, einen Sklaven oder einen anderen zu quälen, wie es dasselbe ist, ein Stallkaninchen zu schlachten oder einen Feldhasen zu jagen. Oder besser, einen Hirsch.“ Ich machte mir nicht die Mühe, den genauen Unterschied erklären zu wollen. Wer selbst nicht so empfand, wer selbst nicht so fühlte, konnte es nicht nachvollziehen. Für die sogenannten normalen Menschen war es unbegreiflich, dass es tatsächlich einen Unterschied machte, wen man tötete, und dass die Auswahl des Opfers nichts mit Zufall oder überwältigender Lust oder Zorn, Eifersucht oder niederen Instinkten zu tun hatte, sondern sorgfältig vorgenommen wurde und vor allen Dingen extrem schwierig war und Genauigkeit erforderte.
Und wahrscheinlich war meine Antwort auf die nächste Frage auch nicht das, was er erwartete. “Ich verlasse mich nicht auf Freiwillige, und erst recht nicht auf das, was sie sagen“, meinte ich mit schiefem Grinsen. Aber ja, es würde sich wohl kaum jemand freiwillig dafür melden, lebendig aufgeschnitten zu werden oder die Haut abgezogen zu bekommen. “Und diese Autoren, die meinen, dass man Dinge mit den Mitteln heilen kann, die die Krankheit auslösen, oder ähnlich sind, sind Idioten. Du würdest Fieber doch auch nicht damit heilen, den Fiebernden in einen heißen Raum zu stecken, oder jemandem, der sich den Magen mit schlechtem Essen verdorben hat, dafür nun schimmliges Brot geben. Wenn die Lösung so einfach wäre und direkt beim Problem zu finden wäre, bräuchte es keine Heiler, weil jeder Idiot früher oder später auf die Lösung käme.“
Ich war überzeugt davon, dass diese Bleikrankheit nicht mit einem anderen Metall einfach zu behandeln wäre, wobei ich dieses Scheinsilber noch nie so genau untersucht hatte. “Hast du denn die Personen, die an dieser Krankheit gestorben sind, untersucht? Ihre Organe?“ Die Römer hatten da aus irgendeinem Grund manchmal angst davor, Leichen aufzuschneiden und auseinander zu nehmen. Bei jedem Opfer betrachteten sie die Leber des Opfertieres sehr genau, um Krankheitsanzeichen zu finden, aber bei einem Menschen weigerten sie sich aus irgendwelchen Gründen. Wahrscheinlich, weil sie sie auch nicht opferten. Und ja: Uns nannten sie Barbaren!

Pytheas fragte auch, ob er es erlernen könnte, seinen Geist so zu gestalten. Ich zuckte als Antwort die Schultern. “Das wirst du wohl nur herausfinden, wenn du es versuchst“, meinte ich, denn in den Geist eines anderen zu schauen, vermochte ich trotz mannigfaltiger Bemühungen nicht.
Dann erzählte er doch noch etwas interessantes. Er war Sklave gewesen und hatte deshalb gelernt, sich bei Gefahr tot zu stellen. Ich kannte das von einigen Tieren, wenn die Situation ausweglos war, dass sie einfach so taten, als wären sie schon tot. Mäuse, Vögel… Aber Menschen schrien nach meiner Erfahrung nach eher, riefen um Hilfe, weinten, kratzten, jammerten, versuchten zu verhandeln, wo es nichts zu verhandeln gab. Ich legte wieder den Kopf schief und betrachtete Pytheas genau. “Ich experimentiere an mir selbst, wenn ich sicher bin, anders eine Antwort nicht zu erfahren. Aber nicht alles, was man anderen tut, kann man sich selbst tun. Oder könntest du dir mit deinem Bohrer selbst in den Kopf bohren?“ kam ich auf das Ding zurück, nach dem ich mich anfangs erkundigt hatte.
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Falke
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08-19-2023, 01:38 PM,
Beitrag #49
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
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Ich glaube, ich hatte Calum noch nie so schnell gesehen. Ich musste mir Mühe geben, mit ihm mitzuhalten, obwohl ich sonst eigentlich schneller war. Aber gut, ich war auch schon seit vor Sonnenaufgang auf den Beinen und entweder am Kämpfen, am Reiten oder am Rennen.
Er fragte nach dem Tribun, der Flavianus Pü verletzt hatte. “Keine Ahnung“, antwortete ich beim Laufen und zeigte in die Richtung des Thorianums, als Calum schon zur anderen Praxis abbiegen wollte. Was hatte Flavianus Pü auch zwei davon?
“Blond, schätzungsweise 25, ziemlich von sich selbst überzeugt. Und jetzt neuerdings wohl Besitzer einer Narbe quer über die Lippen. Bin dazugekommen, als er gerade seine zwei Wachleute dazuholen wollte und hab ihn erstmal meine Axt ein wenig küssen lassen. Aber leider ist er an mir vorbei nach draußen. Hat einen Jungen auf dem Weg erstochen, um mich aufzuhalten. Glaub mir, du erkennst ihn, wenn du ihn siehst.“
Auch wenn ich ihn nicht so getroffen hatte, wie ich wollte, war ich mir ganz sicher, dass die Lippe genäht werden musste und eine ziemlich deutliche Narbe bleiben würde. Zumindest die nächsten paar Jahre sollte der Typ sehr leicht zu identifizieren sein.

Im Dauerlauf kamen wir schließlich am Thorianum an, wo immer noch eine ziemliche Menschentraube ihre Neugierde zu stillen versuchte. Ich schob Calum und mir einen Weg durch die Meute und verscheuchte ein paar ganz neugierige Nachbarn von der Tür, wo sie wohl zu lauschen versuchten.
Ich klopfte an, damit Ciaran wusste, dass wir reinkommen wollten. Wenn er sich erschreckte, neigte er sonst zu übertriebenen Handlungen. Wie Leute mit vergifteten Messern bewerfen oder gleich die Kehle aufschneiden.
“Ciaran ist ein guter Heiler“, erinnerte ich Calum noch einmal, bevor wir eintraten. Wahrscheinlich war er der beste Druide unter uns allen. Wenn er nur nicht diese komischen, beängstigenden Anwandlungen hätten, die ihn erschreckende Dinge tun ließen.
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Falke
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08-19-2023, 03:56 PM,
Beitrag #50
RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
(08-17-2023, 09:20 PM)Ciaran schrieb: “Spitzwegerich, Schafgarbe, Frauenminze und Kamille. Denke ich“, meinte ich, als er mich fragte, was ich ihm dalassen würde, und legte den Kopf schief. Ich wusste nicht, was davon er kannte und wo das alles wuchs. Ich war nie südlicher als Nordgallien gewesen, auch wenn ich das für eine Verschwendung hielt. Wenn Cathbad wirklich die Römer vom Kopf abschneiden wollte, hätte er mich und Cinead nach Rom schicken sollen. Ich hätte schon einen Weg in den Palast gefunden, und von da an wäre es ein leichtes, alle umzubringen. Die Schwierigkeit wäre höchstens, dass ich mich nicht selbst mit vergiftete, aber das war höchstens eine kleine Unannehmlichkeit. Es wäre höchstens nervig, erst einmal ein paar Leben als Tier wiedergeboren zu werden, ehe ich mein Wissen vertiefen konnte.

Aber er verstand genausowenig wie die meisten, warum sein Peiniger sich an ihm ausgetobt hatte und eben nicht an einem Sklaven. “Es ist genauso wenig dasselbe, einen Sklaven oder einen anderen zu quälen, wie es dasselbe ist, ein Stallkaninchen zu schlachten oder einen Feldhasen zu jagen. Oder besser, einen Hirsch.“ Ich machte mir nicht die Mühe, den genauen Unterschied erklären zu wollen. Wer selbst nicht so empfand, wer selbst nicht so fühlte, konnte es nicht nachvollziehen. Für die sogenannten normalen Menschen war es unbegreiflich, dass es tatsächlich einen Unterschied machte, wen man tötete, und dass die Auswahl des Opfers nichts mit Zufall oder überwältigender Lust oder Zorn, Eifersucht oder niederen Instinkten zu tun hatte, sondern sorgfältig vorgenommen wurde und vor allen Dingen extrem schwierig war und Genauigkeit erforderte.
Und wahrscheinlich war meine Antwort auf die nächste Frage auch nicht das, was er erwartete. “Ich verlasse mich nicht auf Freiwillige, und erst recht nicht auf das, was sie sagen“, meinte ich mit schiefem Grinsen. Aber ja, es würde sich wohl kaum jemand freiwillig dafür melden, lebendig aufgeschnitten zu werden oder die Haut abgezogen zu bekommen. “Und diese Autoren, die meinen, dass man Dinge mit den Mitteln heilen kann, die die Krankheit auslösen, oder ähnlich sind, sind Idioten. Du würdest Fieber doch auch nicht damit heilen, den Fiebernden in einen heißen Raum zu stecken, oder jemandem, der sich den Magen mit schlechtem Essen verdorben hat, dafür nun schimmliges Brot geben. Wenn die Lösung so einfach wäre und direkt beim Problem zu finden wäre, bräuchte es keine Heiler, weil jeder Idiot früher oder später auf die Lösung käme.“
Ich war überzeugt davon, dass diese Bleikrankheit nicht mit einem anderen Metall einfach zu behandeln wäre, wobei ich dieses Scheinsilber noch nie so genau untersucht hatte. “Hast du denn die Personen, die an dieser Krankheit gestorben sind, untersucht? Ihre Organe?“ Die Römer hatten da aus irgendeinem Grund manchmal angst davor, Leichen aufzuschneiden und auseinander zu nehmen. Bei jedem Opfer betrachteten sie die Leber des Opfertieres sehr genau, um Krankheitsanzeichen zu finden, aber bei einem Menschen weigerten sie sich aus irgendwelchen Gründen. Wahrscheinlich, weil sie sie auch nicht opferten. Und ja: Uns nannten sie Barbaren!

Pytheas fragte auch, ob er es erlernen könnte, seinen Geist so zu gestalten. Ich zuckte als Antwort die Schultern. “Das wirst du wohl nur herausfinden, wenn du es versuchst“, meinte ich, denn in den Geist eines anderen zu schauen, vermochte ich trotz mannigfaltiger Bemühungen nicht.
Dann erzählte er doch noch etwas interessantes. Er war Sklave gewesen und hatte deshalb gelernt, sich bei Gefahr tot zu stellen. Ich kannte das von einigen Tieren, wenn die Situation ausweglos war, dass sie einfach so taten, als wären sie schon tot. Mäuse, Vögel… Aber Menschen schrien nach meiner Erfahrung nach eher, riefen um Hilfe, weinten, kratzten, jammerten, versuchten zu verhandeln, wo es nichts zu verhandeln gab. Ich legte wieder den Kopf schief und betrachtete Pytheas genau. “Ich experimentiere an mir selbst, wenn ich sicher bin, anders eine Antwort nicht zu erfahren. Aber nicht alles, was man anderen tut, kann man sich selbst tun. Oder könntest du dir mit deinem Bohrer selbst in den Kopf bohren?“ kam ich auf das Ding zurück, nach dem ich mich anfangs erkundigt hatte.

Pytheas setzte sich noch einmal langsam auf, und er hoffte, dass es diesmal keinen Blutsturz geben würde: "Du kennst dich in der Psyche von Menschen sehr gut aus, Heiler Pally.  Du meinst, nicht das Blut ist es, das den Verbrecher reizt sondern die Jagd an sich?
Die Kräuter, die du nennst, kenne ich auch. Welche hattest du eigentlich benutzt, um meinen Hirndruck zu mindern? 
Nein, natürlich kann ich mir nicht selbst in den Kopf bohren. Aber wenn ein Kollege das machen muss, sollte ich es zumindest ertragen - 
Die Autoren, die davon ausgehen, das Gleiches mit Gleichem geheilt wird, haben zuvor das Alltagsleben beobachtet: Beispielsweise verursacht eine Zwiebel Tränen und eine laufende Nase; Zwiebeln sind jedoch gut gegen Erkältung, die ähnliche Symptome hat und so weiter", er schaute nachdenklich drein:
"Die Bleikrankheit ist ein anderes Kaliber als mein Beispiel. Wenn sie nicht heilbar ist, so müsste man ihr eben vorbeugen, bevor sie ausbrechen kann. Nur dürfen alle Maßnahmen nur wenig oder am besten gar nichts kosten. Die Römer werden keine teure Ausstattung für Minensklaven bezahlen.

 Meine Ärzteschule arbeitet empirisch und gestattet keine Vivisektionen und kaum Autopsien. Es ist so, dass in der römischen Ärzteschaft ein Streit zwischen den sogenannten Theoretikern und den sogenannten Empirikern besteht. Theoretiker meinen, man müsse den Menschen präzise inwendig kennen, um zu heilen. Dagegen wenden die Empiriker ein, dass sich beim Öffnen die inneren Organe veränderten und dadurch die Befunde gar nicht verwertbar seien. Daher habe ich nur ein einziges Mal einen Toten aufgeschnitten. Das war noch in Rom. Und zum Vergleich hatte ich nur einen Schweinekadaver. 

Führt ihr keltischen Heiler denn Autopsien durch? Nach Vivisektionen frage ich nicht, die sind im ganzen Imperium mit Ausnahme von Alexandria verboten"


Er schaute Ciaran, mit dem er gerade mitten in einem Fachgespräch war, interessiert an. 
 Dann blickte er zur Tür. Wenn nur Louarn käme. Er wollte ihm etwas Wichtiges, was Atreus betraf, anvertrauen. Auch wenn der Medicus diesmal überlebt hatte, konnte es sein, dass der Tribun sein Vorhaben wiederholen und dann einfach mehr Glück haben würde. Und dann wäre jeder, der sich um seinen, Pytheas, Nachlass kümmern wollte, in großer Gefahr. 
Außerdem waren bestimmt Patienten da. Pytheas wollte sie nicht fortschicken. 

(08-19-2023, 01:38 PM)Louarn schrieb: “Ciaran ist ein guter Heiler“, erinnerte ich Calum noch einmal, bevor wir eintraten. Wahrscheinlich war er der beste Druide unter uns allen. Wenn er nur nicht diese komischen, beängstigenden Anwandlungen hätten, die ihn erschreckende Dinge tun ließen.

Und dann kam Louarn zurück. Er hatte Atreus dabei.
 Pytheas konnte es zunächst nicht glauben. Er dachte an ein Trugbild.  Danach kam die tiefe Freude, eine solch jähe Gefühlsregung, so dass Pytheas Augen aufleuchteten wie wenn die Sonne hinter Wolken hervortrat. Sein geliebter Freund war hier. 

"Wie...", wollte er Louarn fragen, wie er auf Atreus gestoßen war. Und er schaute zu dem jungen Römer: "Ich sehe schrecklich aus, aber mir geht es wieder gut, bitte sorge dich nicht", sagte er leise:
"Der Heiler Pally hat mir das Leben gerettet"
[Bild: 3_20_01_23_11_54_02.png]
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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