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Das Tablinum
04-03-2023, 10:58 PM,
Beitrag #21
RE: Das Tablinum
Afon GNatürlich war der Römer alles andere als amüsiert, auch wenn er so tat. Ich nahm stark an, dass er nicht alle Tage Paroli von seinen Sklaven geboten bekam. Dennoch blieb er dabei, mich als seinen Leibwächter einzusetzen, wenn ich mich ihm fügte. Er sprach davon, dass ich einen Ausbilder erhalten würde. Gleichzeitig stellte er mir eine Entlohnung in Aussicht. Mal abgesehen davon, dass dies gegen meine eigenen Prinzipien verstieß, war die Aussicht, sein Leibwächter zu werden wesentlich erstrebenswerter zu sein, als bis zu meinem Lebensende Pisspötte ausleeren zu müssen.
Schließlich legte er mir auch recht überzeugend dar, was mit mir und den anderen Sklaven des Hauses passieren würde, wenn er durch meine Hand zu Tode käme. Natürlich wünschte ich Flavian nicht einen solchen Tod. 
„Ein gutes Argument!“ entgegnete ich und verzog mein Gesicht kurz zu einem Schmunzeln. „Doch du hast  von mir nichts zu befürchten. Ich hege gegen dich keinen Groll. Es ist nichts Persönliches. Du kannst nichts dafür, dass du ein Römer bist.“ Dann wandte ich mich zu der Kanne Wein um, die auf einem Tischchen bereit stand. Zufälligerweise standen dort auch noch zwei Becher. Ich füllte beide gleich voll, nahm sie und reichte einen der Becher dem Balventius. Ich setzte mich und hob meinen Becher. „Lechyd da!*“, sagte ich und nippte kurz an dem Wein.

„Nun, wo soll ich anfangen? Ich stamme aus einem Dorf namens Llanmellin. Das ist … war eine Höhensiedlung westlich des Afon Gwy**. Ihr nennt diesen Fluss Vaga. Dort wuchs ich mit meiner jüngeren Schwester Gwyn auf. Mein Vater war, so wie auch ich später, ein Krieger. Eines Tages brachte er einen römischen Gefangenen mit nach Hause, der meiner Schwester und mir eure Sprache beibrachte.“ Wieder nahm ich einen Schluck und fuhr dann Fort. „ Vor gut drei Jahren vertrieben die Römer uns von unserem Land. Sie zwangen uns, in ihrer neuen Stadt zu leben, in Venta Silurum, fernab von unseren Bräuchen und unserem Glauben. Ich schloss mich einer Gruppe junger Männer an, die das alles nicht hinnehmen wollten. Wir lebten im Verborgenen und versuchten den Römern zu schaden, wo es nur ging. Vor gut einem Jahr stellten wir uns einer Patrouille Soldaten in den Weg. Doch irgendetwas ging schief. Die meisten meiner Mitstreiter wurden getötet. Der Rest von uns und auch ich wurde gefangengenommen. Sie verkauften mich an einen Sklavenhändler und der verkaufte mich an einen Ludus weiter.  Dort behandelten sie uns wie Tiere. Der Lanista und sein Ausbilder dort waren Schweine. Als sich die Gelegenheit bot, schlug ich dem Ausbilder den Schädel ein. Der Lanista wollte mich zuerst an Kreuz schlagen lassen, meinte aber dann, dass ich in den Minen besser aufgehoben wäre. Woraufhin er mich wieder verkaufte. Den Rest kennst du, “ endete ich und nahm noch einen weiteren Schluck.
 



* = Trinkspruch, wörtlich übersetzt "Auf die Gesundheit!"
** = Fluss Wye
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04-10-2023, 08:14 PM,
Beitrag #22
RE: Das Tablinum
Varro lauschte der Geschichte mit steinernem Gesichtsausdruck. Er hatte nie etwas anderes erwartet. Als Madoc geendet hatte, bot er dem Sklaven endlich den Platz zum Sitzen an, ehe er sprach:
"Dein Schicksal, wenngleich tragisch, unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem vieler anderer Sklaven. Sie alle haben tragische Geschickten zu erzählen. Ich kann den Hass, den du spüren musst, durchaus nachvollziehen. Doch du musst auch verstehen, diese Zeiten sind vorbei. Du bist kein freier Mann mehr. Kein Rebell. Und auch wenn ich persönlich deinen Mut bewundere, dich mit einem Lanista anzulegen und auch noch davon erzählen zu können, gehörst du jetzt mir. Und ich will, dass du weißt, dass dies ein weit besserer Ausgang von dem ist, was sonst hätte geschehen können. Du wirst eine gute Stelle bekleiden und Ansehen unter meinen Sklaven erhalten, Geld und Weiber, wenn du es wünschst. Das ist weit mehr, als jeder deiner Genossen in der Mine behaupten kann. Und wer weiß, vielleicht findest du ja irgendwann deine Schwester.
Ich weiß jedoch eines: Ziehst du den Plan in der irrigen Annahme durch, du würdest einen Schlag gegen mich überleben, ist diese Chance und die Chance, jemals wieder frei zu sein, für immer dahin."
Auch Varro nahm sich nun von dem Wein und nahm einen Schluck.
"Du bist kein dummer Mann, daher gehe ich davon aus, dass du die Logik meiner Worte durchaus erkennst. Du wirst mir da einfach vertrauen müssen. Ebenso, wie ich dir vertrauen müssen werde, wenn du einst mich und meine Familie schützen wirst. Du wirst deinen Hass einfach ertragen müssen."
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04-14-2023, 04:01 PM,
Beitrag #23
RE: Das Tablinum
Es war durchaus möglich, dass sich meine Gesichte und die von unzähligen anderen Sklaven ähnelte. Es war doch immer das Gleiche! Wir wehrten uns gegen die Römer in einem ungleichen Kampf. Diejenigen, die nicht getötet wurden und in Gefangenschaft gerieten, machte man zu Sklaven. Doch welches Volk ließ sich freiwillg von einem anderen fremden Volk besetzen und unterdrücken? Welcher Mann gab freiwillig sein Land, sein Eigentum und nicht zuletzt seine Freiheit auf? Wäre er an meiner Stelle gewesen, hätte er sicher genauso gehandelt! Doch ja, ich musste es einfach hinnehmen. Auch wenn es schwer zu ertragen war!

"Mir bleibt eh nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren, wie es nun ist. Ebensowenig werde ich etwas daran ändern können. Es sei denn, ich wäre lebensmüde. Aber wisse, in diesem Fall würde ich das schon selbst erledigen. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe ihn schon so oft gesehen. Er kann mich nicht erschrecken," entgegnete ich ihm und sah ihm dabei in die Augen. "Mir ist auch bewusst, dass du mich vor einem schnellen Tod bewahrt hast, als du mich in dein Haus geholt hast. Daher werde ich tun, was du von mir verlangst und ich gebe dir mein Wort, dass ich dich und die deinen beschützen werde. Es ist das Wort eines Kriegers, das noch nie gebrochen wurde!" Darauf nahm ich einen weiteren Schluck Wein.
"Im Übrigen mache ich mir nicht viel aus Weibern, " sagte ich so daher. "Falls ich irgendwann über Geld verfügen sollte, werde ich es sicher in andere Dinge investieren!" Ich war nicht der Typ, der sein ganzes Geld ins Hurenhaus trug. Solche Dinge konnte man auch kostenlos haben, wenn man es richtig anstellte.
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04-17-2023, 08:35 PM,
Beitrag #24
RE: Das Tablinum
"Du irrst dich", antwortete Varro gelassen. "Ich habe dich nicht vor einem schnellen Tod bewahrt. Ich habe dich vor einem überaus langsamen, schmerzhaften und demütigenden Tod bewahrt.
Aber das ist nicht der springende Punkt, findest du nicht?" Er widmete sich wieder dem Schreiben, setzte den Stift an, sprach dann jedoch weiter, denn Madoc schien nicht zu verstehen:
"Der springende Punkt ist der, dass du nur durch dein Überleben es möglich machen kannst, deine Schwester zu suchen und wiederzusehen."
Er schmunzelte.
"Nun, dann eben, falls du dir was aus Burschen machst, mir ist es gleich. Beweis du mir erstmal, dass du eine Bezahlung verdienst, mein Lieber."
Den letzten Satz hatte Varro mit einem Lächeln gesagt. Er hatte Madoc nicht für einen gehalten, der männliche Gesellschaft bevorzugte, aber das konnte ja vielleicht einmal vergnüglich werden.
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04-19-2023, 11:24 PM,
Beitrag #25
RE: Das Tablinum
Im Grunde war es nur eine Frage der Sichtweise. Langsam oder schnell - das war relativ. Schmerzhaft war sicher jeder gewaltsamer Tod und demütigend? Demütigend war auch mein Dasein als Sklave. Demütigend war es, als die Soldaten mir meinen Torques vom Hals gerissen hatten und mich nackt in einen Verschlag gesperrt hatten, in dem ich mich kaum bewegen konnte.Danach hatte es noch viele demütigende Momente gegeben. Zum Beispiel auf dem Sklavenmarkt oder als ich in der Baracke und unter Tage im Bergwerk in Ketten gelegt war.
"Meine Familie lebt nun in Venta Silurum. Das hoffe ich zumindest! Und meine Schwester ist bei ihrem Mann." Hoffentlich hatten sie ihnen keine Schwierigkeiten gemacht, nachdem ich gefangengenommen worden war. Aber vielleicht wusste der Römer etwas darüber, weil er bereits zum zweiten Mal meine Schwester erwähnt hatte und nun auch so schmunzelte. Was mit Branwen war konnte ich nur erahnen. Sie hatte sich sicher einen anderen zum Mann genommen, nachdem ich endgültig fort war.
Ich wurde aus dem Römer nicht schlau, denn nun lächelte er auch noch so, als ich sagte ich mache mir nichts aus Weibern. Aber erst recht nichts aus 'Burschen'. Wahrscheinlich hatte ich einen ziemlich irritierten Gesichtsausdruck gemacht. Am besten ich sagte gar nichts mehr dazu.
"Dann sag mir, was ich tun soll und gib mir eine Chance, mich zu bewähren!" Dann sollte mein Überleben auch einen Nutzen haben, möglichst schnell mein demütigendes Dasein als Sklave in ein Leben in Freiheit zu verwandeln. Ich trank noch einen Schluck Wein. Langsam gewöhnte ich mich an den Geschmack. Der Wein war recht süffig und ich begann ihn zu mögen.
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04-27-2023, 10:19 PM,
Beitrag #26
RE: Das Tablinum
"Schön, wenn es dir reicht, ihren Aufenthaltsort zu kennen und sie nicht zu treffen...", sagte Balventius nur mit gleichgültigem Tonfall und beendete sein Schreiben. "Und was deine Bewährungschance angeht, ich werde nach einem Trainer schicken lassen. Sicher kannst du dich ganz gut wehren, das sieht man dir ja an, aber als Beschützer eines anderen kommt es auf anderes an. Daher wirst du uns eine Kostprobe von deiner Kraft geben und dafür wird man dich derart schleifen, dass du deine neue Aufgabe auch ausführen kannst.
Wenn ich mit deinen Fortschritten zufrieden bin, können wir uns über... Privilegien unterhalten. Und brauchst du etwas anderes, so wende dich an Flavian. Und wenn du meinem Bruder begegnest, so ignoriere ihn einfach. Aber sein Sklave Ganymed eignet sich hervorragend dazu, ein paar Aggressionen loszuwerden, wenn du darauf bestehst."
Er ließ offen, ob es ein Witz war oder nicht.
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05-01-2023, 09:02 AM,
Beitrag #27
RE: Das Tablinum
Ich atmete erleichtert auf, als ich sah, dass sich meine Befürchtungen nicht bestätigt hatten. „Es ist besser, wenn meine Familie unbehelligt bleibt. Ich will sie nicht unnötig in Gefahr bringen.“ Das verstand er doch sicher. Solange man sie nicht in direkte Verbindung zu einem Rebellen und Aufwiegler brachte, konnten sie in Ruhe und Sicherheit ihr Leben weiterleben.
 Als er schließlich auf meine Bewährungschance zu sprechen kam, versprach er, mir einen Trainer zu besorgen, der mich auf alles vorbereiten sollte. Zwar klang es aus seinem Mund fast wie eine Drohung, doch das störte mich nicht weiter. Auch erwähnte er gewisse Privilegien, die ich erhalten sollte, wenn er zufrieden mit mir war. Allerdings ließ er offen, was genau er damit meinte. Vielleicht das Privileg, sich frei in der Stadt bewegen zu können, nahm ich an. Für alles andere würde Falvian mir weiter helfen. 
Zu Guter Letzt erwähnte er dann noch seinen Bruder und dessen Sklave, an dem ich mich bei Bedarf austoben könne. Ich wusste erst nicht, was er damit wohl meinte. Vielleicht sollte dieser Ganymed so eine Art Trainingspartner werden. 
„Du hast einen Bruder?“ fragte ich überrascht, denn ich hatte bisher angenommen, dass er allein hier lebte.
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05-05-2023, 11:40 PM,
Beitrag #28
RE: Das Tablinum
"Ich habe einen Bruder", seufzte Varro unwillig. "Er ist ein aufsässiges, lästiges und obendrein tölpelhaftes Parvenü und übergibt die Verantwortung für sein Leben zuvorderst an andere, statt sie selbst zu übernehmen.
Natürlich ist er ein Balventius und dir daher vorangestellt. Dennoch will ich vornherein klarstellen, dass deine Befehle von mir kommen. Dieser Faulpelz soll es hier bloß nicht zu bequem haben. Wenn du hie und da einen bösen Blick für ihn übrighaben solltest, würde ich wohlwollend darüber hinwegsehen."
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05-17-2023, 03:51 PM,
Beitrag #29
RE: Das Tablinum
Offenbar hatte ich da ein sehr unleidiges Thema angesprochen. Tja, aber man konnte sich seine Familie leider nicht aussuchen, dachte ich bei mir. Ein Bruder konnte der beste Frund oder der ärgste Konkurrent sein. Ich wünschte, ich hätte meinen noch gehabt. Leider war er bereits gestorben, als meine Schwester und ich noch Kinder gewesen waren.
Ich sollte ihn also einfach ignorieren. Hatte ich das so richtig verstanden? Nur mit seinem Sklaven sollte 'üben' und ihm selbst hin und wieder einen bösen Blick zu werfen? "Das lässt sich machen," meinte ich trocken ohne mein Gesicht  zu einem Grinsen zu verziehen.
Ich nahm an, dass dies nun alles war. Dennoch wartete ich, bis er mich aus seiner Gegenwart entließ.
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07-20-2023, 06:22 PM,
Beitrag #30
RE: Das Tablinum
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Ich klopfte an der Tür des Tablinums und trat ein. "Tribun Ovidius und zwei Legionäre möchten dich sprechen. Es geht um eine geschäftliche Angelegenheit," wiederholte ich schön brav Carthus' Worte.
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