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Die Hütte von Boduognatus
01-26-2023, 02:32 PM,
Beitrag #11
RE: Die Hütte von Boduognatus
Raven, Raven hieß sie. Ein Name in seinen, Dunduvans Ohren, dunkel wie der der Morrigu, der fürchterlichen Rabengöttin, die mit ihrem Streitwagen über den Himmel fuhr. Ja, Raven, Iuventia Helena, war seiner Einladung gefolgt
Obwohl Dunduvan ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste er genau, wie es aussah: hell, mit feinen Zügen und dunklen Augen. Er hätte es lieb haben können, aber da war sie wieder, die Dunkelheit, an die er sich erinnerte und der er nicht entrann. Nur Römer töten machte die Dunkelheit leichter. Liebe war nicht für ihn. 
"Willkommen, gut, dass du hier bist ", sagte aber auch er. Kaum ertrug er ihre Gegenwart: "Ist Calum bei dir?", er wartete die Antwort nicht ab, sondern erhob sich geschmeidig wie eine Wildkatze und ging zur Türoffnung. Da tat er so, als würde er durch einen Spalt  Ausschau halten. Mochte Raven Meister Cartivel selbst erklären, wer und was sie war.
In Wirklichkeit brauchte er dringend frische Luft, und die sog er gierig ein.
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01-26-2023, 02:52 PM,
Beitrag #12
RE: Die Hütte von Boduognatus
(01-26-2023, 02:29 PM)Louarn schrieb: Als ich danach meinen Braunen sattelte, ging es mir tatsächlich schon sehr viel besser und ich dachte nicht mehr an den seltsamen Traum, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich führte ihn am Zügel hinaus aus Iscalis und saß dann auf in Richtung Cheddar, denn ich wollte Dunduvan sehen. Calum hatte mir ja gesagt, wo er war, und ich fand, ich sollte ihn auch gleich aufsuchen, damit auch er wusste, dass ich zurück war. Und vielleicht konnte ich ja mal vorfühlen, was an den Dingen alles dran war, die Calum so erzählt hatte, und ganz vielleicht auch schon ein paar Wogen glätten, sollten da welche sein. Außerdem wollte ich ihn auch einfach sehen und mich meinerseits überzeugen, dass es ihm gut ging und nichts schlimmes in meiner Abwesenheit passiert war.
Als ich nach Cheddar einritt, stimmte ich ein Lied an. Auch, wenn wir nicht so auffallen sollten im Allgemeinen und Römer was gegen das Singen hatten, seien wir ehrlich, ich war ein riesiger, rothaariger Kelte, ich konnte sowieso tun was ich wollte, die Römer würden mich bemerken. Da konnte ich auch singen. Außerdem sang ich gerne (und nach Aussagen anderer auch gut), war gerade gut drauf, und Dunduvan würde mich so kommen hören.
Ich stimmte also ein altes, silurisches Lied an, das wahrscheinlich jeder Kelte schonmal gehört hatte und mitsingen konnte.

“Nid wy'n gofyn bywyd moethus, (Ich wünsche mir kein Leben voll Luxus,)
Aur y byd na'i berlau mân: (Das Gold der Welt oder feine Perlen,)
Gofyn wyf am galon hapus, (Ich wünsche mir ein glückliches Herz,)
Calon onest, calon lân. (Ein ehrliches Herz, ein reines Herz.)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


So groß war Cheddar ja nicht, als dass man sich da verlaufen hätte können. Ich stieg vom Pferd und schaute mich nach einer Möglichkeit um, es anzubringen. Es war zwar normalerweise brav und rannte nicht weg, aber man musste es ja nicht riskieren.


“Pe dymunwn olud bydol, (Wenn ich mir weltliche Reichtümer wünschen würde)
Chwim adenydd iddo sydd: (Würden sie schnell wegfliegen)
Golud calon lân, rinweddol, (Die Reichtümer eines tugendhaften, reinen Herzens)
Yn dwyn bythol elw fydd. (Werden ewigen Gewinn bringen)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


Ich meinte zu wissen, welche Hütte die richtige war und drehte mich in die Richtung, während ich zum gesangstechnischen Finale ausholte, mit extra Herzblut:

“Hwyr a bore fy nymuniad (Abends und morgens, mein Wunsch)
Gwyd i'r nef ar adain cân (Steigt zum Himmel auf den Flügeln des Gesangs)
Ar i Duwiau, er mwyn fy Ngheidwad, (An die Götter, an meine Erlöser,)
Roddi i mi galon lân. (Mir ein reines Herz zu gewähren)


Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)

Calon lân yn llawn daioni, (Ein reines Herz voller Güte)
Tecach yw na'r lili dlos: (Ist schöner als die hübsche Lilie,)
Dim ond calon lân all ganu (Nur ein reines Herz kann singen)
Canu'r dydd a chanu'r nos. (Singen am Tag und singen in der Nacht.)“


Entweder würde Dunduvan mich umbringen, oder lachen, wenn er mich so singen hörte. Trotzdem stand ich da und grinste schief und wartete, dass die Tür hoffentlich aufging und er herauskommen würde, um mich zu begrüßen.



Es war nicht Calum. Als Dunduvan jedoch die Stimme hörte, traute er seinen Ohren nicht, aber dann glitt ein widerwilliges Grinsen über sein Gesicht und hob etwas die Finsternis. 
Louarn, das musste sein Bruder Louarn sein . Mit Louarn hatte Dunduvan nicht gerechnet und ihm auch keine Einladung geschickt. Sollte er sich nicht weit im Norden aufhalten?
Als einziger der Brüder sah Louarn kein bisschen römisch aus. Groß war er, stark, einer, mit dem die Mädchen sehr gerne übers Beltanefeuer sprangen. 
Und er stahl sich nicht etwa heimlich nach Cheddar, nein, auf einem Pferd kam er angeritten wie ein Silurerfürst. 
Und er sang. Es war das Lied über das reine Herz, und er sang es mit volltönender Stimme. Dunduvan verwünschte es ein wenig, dass er selbst kein Aufsehen hatte erregen wollen. Sonst hätte er Louarn spaßeshalber angegriffen. Mal sehen, ob der Kerl es noch drauf hatte.

Stattdessen riss er die Tür auf: "Bei der Göttin, Bruder, du bist ein wandelndes Klischee", bemerkte er und sein Grinsen wurde breiter:
"Doch es tut  unheimlich gut, dich zu sehen. Komm rein. Es sind bereits zwei da. Einen zumindest kennst du"
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Falke
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01-26-2023, 03:15 PM,
Beitrag #13
RE: Die Hütte von Boduognatus
Dunduvan öffnete die Tür und er grinste. Mein Grinsen wurde gleich noch breiter und ich stapfte auf ihn zu und zog ihn erst einmal in eine bärengleiche Umarmung, um ihn zu drücken. Da hatte er keine Wahl, da musste er durch. Aber ich musste einfach einmal fühlen, dass er echt war und es ihm gut ging. Als ich ihn wieder losließ, klopfte ich ihm einmal auf die Schultern und atmete erleichtert durch. “Ich hab zwar keine Ahnung, was du mit dem wandelnden Klischee meinst, aber es freut mich wahnsinnig, dich zu sehen, Bruder. Ihr habt mir wirklich gefehlt, ihr alle.“

Ich spähte in die Hütte und zögerte kurz. Es war jemand da, den ich kannte? Das konnte alles oder auch nichts heißen. “Ist Cathbad da?“ fragte ich, und Dunduvan kannte mich wahrscheinlich gut genug, um zu merken, wie sehr es mir grade widerstrebte, ihm unter die Augen zu treten. Natürlich würde ich es tun, keine frage, aber man musste sich ja nicht grade darauf freuen, vermutlich gleich wieder mit Enttäuschung überschüttet zu werden. Und ganz sicher wäre er enttäuscht von mir, wie er es eigentlich immer war. “Und hab ich etwas verpasst? Ich hab Calum schon in der Stadt getroffen und er hat mir von Samhain erzählt. Aber von einem Treffen hatte er da nichts gesagt.“ Und irgendwie schien es wohl ein treffen zu geben, wenn Dunduvan meinte, es seien schon zwei da, wenn ich auch nicht wusste, zwei wovon.
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Falke
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01-26-2023, 08:03 PM,
Beitrag #14
RE: Die Hütte von Boduognatus
Louarn breitete seine Arme zu einer Bärenumarmung aus, so dass es Dunduvan vorkam, als würden sämtliche seiner Knochen knacken. Dafür boxte er ihm vor lauter Wiedersehensfreude kräftig auf die Schulter. Er sagte es nie laut, aber Lou war ihm immer vorgekommen wie jemand, vor dessen Gegenwart Probleme schmolzen wie Schnee in der Sonne:

Es ist wirklich eine Überraschung, dich zu sehen – eine gute, Lou“, sagte er, doch bei der nächsten Frage des rothaarigen Falken wurde er wieder ernster:
„ Cathbad ist leider nicht hier. Stattdessen ist Meister Cartivel gekommen. “
in Dunduvans Gesicht malte sich eine gewisse Enttäuschung ab:
„ Ich weiß ja nicht, doch Cartivel erscheint mir irgendwie zögerlich. Für meinen Geschmack reitet er zu sehr auf der Deutung des diesjährigen Orakels herum. Die haben wir nicht, weil die verfluchten Römer Meister Caradoc während  der Samhainfeier verhaftet und später umgebracht haben. - Weißt du das überhaupt schon? Es gibt keine Schandtat, die SIE nicht begehen, flüsterte er: „Als ob Cathbads Prophezeiung alleine nicht reichen würde, um endlich in den Krieg zu ziehen“
Er bezog sich auf Cathbads berühmte Prophezeiung über das nahende Ende des römischen Reichs:

„Ich hoffe sehr, dass der Grund, warum Cartivel uns alle sehen will, ist, dass wir bald losschlagen werden. Er befahl mir, euch zu herbeizurufen. Von deiner Anwesenheit wusste ich ja leider nichts. Jetzt fehlt noch Calum, dann sind alle drei Falken, die permanent in der Nähe leben , hier versammelt"

Dann schaute er aufmerksam dem Bruder ins Gesicht. Er wusste wie Louarn aussah, wenn ihm etwas Bauchgrimmen verursachte:
"Du scheinst mir eher erleichtert zu sein, dass Cathbad  gar nicht hier ist", stellte er fest: "Welcher Wind trieb dich dann nach Cheddar? Hoffentlich kein schlechter?"
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01-26-2023, 08:45 PM,
Beitrag #15
RE: Die Hütte von Boduognatus
Cartivel? Kannte ich jemanden, der Cartivel hieß? Ich war mir nicht wirklich sicher, tendierte aber zu nein. Allerdings hatte ich die phänomenale Superkraft, Namen von Leuten zu vergessen, noch während sie sich vorstellten. Konnte also sein, dass Dunduvan ihn gemeint hatte, als er meinte, ich würde jemanden kennen. Oder er meinte sich selber.
Aber wer auch immer Cartivel war, er konnte nicht so schlimm wie Cathbad sein, und meine Erleichterung war mir wohl anzusehen, denn natürlich fragte Dundivan danach. “Ja, ich bin erst frisch zurückgekehrt von meiner Reise, auf die Cathbad mich geschickt hat. Du weißt ja, er wollte wissen, ob die Pariser und Briganten und Votadiner und so weiter sich zusammenschließen würden, um den Römern entgegenzutreten.“ Ich kratzte mir am Hinterkopf, weil es da irgendwie zu jucken schien. Etwas, das ich häufig machte, wenn ich nach Worten suchte, die nicht einfach heraus wollten. “Und naja, das war jetzt eher weniger erfolgreich, und ich bin jetzt nicht unbedingt scharf darauf, ihm das zu sagen“, gestand ich meinem Bruder schulterzuckend.

Das andere Thema war da schwieriger, da ich durch Calum Dinge wusste, die Dunduvan nicht wusste, und ich einen Moment hin und hergerissen war, was ich machen sollte. Ich wollte keinen meiner Brüder hängen lassen, aber es wäre irgendwie ganz blöd, jetzt so zu tun, als wisse ich nichts, und damit irgendwie beiden in den Rücken zu fallen. Und das, wo Calum sich ohnehin schon vor Dunduvans Reaktion fürchtete.
Ich zögerte also einen Moment, ehe ich ihn davon abhielt, hinein zu gehen, da ich nicht wusste, wer nun da drin war und was die wussten. Musste ja nicht jeder Geschwisterzank mitbekommen. “In Ordnung, warte kurz, Dundi. Du musst mir versprechen, nicht auszurasten. Oder… raste jetzt mir gegenüber aus, das ist okay, ich kann das ab. Aber wenn Calum nachher kommt, dann sei nicht wütend auf ihn, in Ordnung?“
Ich sah ihn kurz flehentlich an, weil ich grade wirklich nicht wusste, was das Richtige war, und sich alles falsch anfühlte. Aber so bekam wenigstens ich den Ärger ab und nicht Calum. “Ich hab Calum schon getroffen und er hat mir erzählt, was an Samhain los war. Er… er war wohl auch da, und war kurz vor dem Ende noch bei Caradoc. Und er macht sich fürchterliche Vorwürfe deshalb, was mit ihm passiert ist und… also… ich sag es einfach: Caradoc hat wohl eine Prophezeiung gedeutet und Calum anvertraut. Allerdings hat Calum ein wenig Schiss, sie dir weiterzugeben, weil er denkt, dass du dann sauer auf ihn wärst. Ich hab ihm schon gesagt, er soll es einfach sagen, weil du ja weißt, dass er nichts dafür kann, was der Inhalt ist, sondern er nur der Bote ist, aber… Er brauchte da einfach einen brüderlichen Schubser. Und deshalb bitte ich dich auch, deshalb nicht auszuflippen, weil es geht ihm wegen Caradoc wirklich schlecht, ja?“
Dass es mir wegen Caradoc auch wirklich schlecht ging, sagte ich nicht. Ich war noch nicht bereit, darüber wirklich zu reden. Der alte Druide war mir weit mehr Vater gewesen, als Cathbad das je hätte sein können. Von meinem Erzeuger ganz zu schweigen. Im Grunde war Caradoc der einzige Mann meiner Kindheit gewesen, der mich wirklich ermutigt und aufgebaut hatte, der mir Selbstwertgefühl und Güte beigebracht hatte. Und das Singen. Der mich auch ermutigt hatte, diesen Weg zu gehen, auch wenn mir das Talent für einen richtigen Filid wahrscheinlich fehlte. Er war der einzige, der wirklich und immer an mich geglaubt hatte und mich nie daran hatte zweifeln lassen, dass er mich aufrichtig liebte. Und sein Verlust tat mir weit mehr weh, als ich auch nur mir selbst gegenüber zugeben wollte.

Ich lenkte mich selbst ab und betrat die kleine Hütte, während ich weiter erzählte. “Aber der Wind, der mich hergeführt hat, scheint mir genau richtig gewesen zu sein, Dundi. Zumindest hat er mir schon das schönste Mädchen von ganz Britannia in die Arme geweht. Ja, ich weiß, ich sollte mich nicht ablenken lassen, aber… „ Ich grinste vielsagend. Mein Bruder kannte mich ja schließlich auch schon und wusste, dass ich mich durchaus vom schönen Geschlecht gerne mal ablenken ließ. Von meinem seltsamen Traum musste ich ihm ja nicht gleich erzählen, den behielt ich lieber mal für mich.
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01-27-2023, 04:32 PM,
Beitrag #16
RE: Die Hütte von Boduognatus
Dunduvan hieb nun leicht und ungeduldig mit der Faust gegen die Hüttenwand:
„ Cathbad kann nicht böse sein, wenn die Stämme im Norden sich so verdammt stur stellen. Sie glauben tatsächlich, dass sie weitermachen können wie bisher! Doch wo wären sie in einem Jahr, in zwei Jahren, in drei Jahren? Wissen sie denn nicht, dass Rom erbarmungslos ist wie die See?", rief er aus:
"Mach dir nichts draus, Lou, notfalls ziehe ich mit dir alleine in die Schlacht. Ein König und sein Wagenlenker wie in den alten Zeiten"

Geboren um zu sterben. Das war ihm ernst, und er vergaß es nie:

„Moment mal…  weshalb wütend? Weshalb sollte ich denn auf den guten Calum wütend sein? Unser Bruder würde nie was Unehrenhaftes tun… und wie kommt es, dass du neu angekommen bist und etwas über Calum weißt, was ich nicht weiß?“

Lou traf ein rascher, durchdringender Blick aus schwarzen Augen. Einen Moment lang flackerte in Dunduvan Misstrauen auf. Nicht die Angst vor Verrat, kein Falke würde je den anderen verraten. Sondern davor, dass sich der eine oder andere seinem Schicksal entziehen wollte. Leben, einfach nur zu leben wünschte. Cathbad hatte vor solchen Gedanken gewarnt:

Doch der nächste Satz Louarns, dass nämlich Calum bei Caradoc gewesen war, als dieser die Worte der Göttin deutete, ließ dieses Gefühl ganz und gar verfliegen: Da waren sie, die Götter. Manchmal schon hatte er gezweifelt. Doch nun waren sie wieder da mit all ihrer Macht, und sie hatten dafür gesorgt, dass die Botschaft Caradocs nicht verloren ging. Dunduvan schauderte es:
„ Dann sollte Calum schon längst hier sein. Dann hätte er uns zusammen rufen sollen und nicht ich"

 Ja, Calum war bestimmt traurig wegen Caradocs Verlust.  Viele Menschen waren das. Dem alten Druiden hatte innegewohnt, was Lou in seinem Lied erbeten hatte: Ein reines Herz voller Güte.

Ich trauere genauso um Caradoc“, sagte Dunduvan schließlich:
 „Sollte Calum nicht dann doppelt dafür brennen, Rache zu nehmen? Sehr bald werden SIE für die Ermordung von Meister Caradoc bezahlen….für alles Böse werden sie bezahlen, und die Rechnung wird immer länger....“, wieder unterbrach er sich:
„ Entschuldige, dass ich schon wieder vom Kampf spreche, bevor Du dich ausgeruht, erfrischt und dein Pferd versorgt hast. Ich vergesse die guten Manieren….“, bei Louarns letzten Worten lächelte er noch einmal. Es war gut, dass Louarn ihn zuweilen an die guten Dinge des Lebens erinnerte:

„Das schönste Mädchen Britannias, sagst du? Trafst du sie hier in Cheddar? Wie hieß sie? Komm herein zu Cartivel und Raven, zum Trinken und Essen. Ich schicke einen der Dorfjungen nach Met. Und dann möchte ich wissen, wie genau sie aussah  und was du ihr zum Abschied gesagt hast?"

Denn für einen Falken konnte es immer nur Abschiede geben.
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Falke
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01-27-2023, 05:16 PM,
Beitrag #17
RE: Die Hütte von Boduognatus
Oh, gütige Dana, warum musste immer ich derjenige sein, der letztendlich schlechte Nachrichten im Gepäck hatte? Hätte Calum nicht schon da sein können? Jemanden zu unterstützen war so viel leichter, als es selber zu tun. Aber nein, stimmte nicht, nicht für mich. Klar, ich wollte Dunduvan auch nicht verletzen oder ihn bremsen. Ich wollte ja selber Rache für Caradoc, denn nur ein Monster konnte jemanden wie ihn töten. Und Monster mussten erschlagen werden. Man konnte sie nicht frei herumlaufen lassen. Sonst verbreitete sich ihre Fäulnis nur immer weiter. Es war nicht einmal etwas, das ich aus Hass tun würde. Es war fast schon traurige Notwendigkeit.
Trotzdem sah ich mich in der Zwickmühle, was ich jetzt sagen sollte und was besser nicht. Aber ich war mir sicher, dass ich Zorn und Enttäuschung besser wegsteckte als Calum. Wahrscheinlich weil ich es gewohnt war, das rothaarige Schaf der Familie zu sein. “Wie gesagt, ich hab ihn in der Stadt getroffen und mit ihm geredet… Du weißt doch, wie das manchmal ist. Und er hat wohl deshalb nichts gesagt, weil die Botschaft wohl nicht so ist, wie du sie dir erhoffst, und er dir nicht mit deinen Plänen dadurch in die Quere kommen will. Er… er möchte einfach nur seine Familie ohne Streit, und… er hat einfach auf den passenden Zeitpunkt gewartet. Wie gesagt, sei ihm nicht böse. Ich bin mir sicher, wenn er nachher kommt, dann wird er dich aufklären, was Caradoc genau gesagt hat. Und du wirst dabei stets daran denken, dass Calum unser Bruder ist und sich das nicht ausgesucht hat. In Ordnung?“
Ich hoffte wirklich, dass wir das alle ohne größere Schlägerei in der kleinen Hütte hinter und bringen würden. Grade wenn Besuch da war, sollten wir Brüder sein und nicht… naja, sich prügelnde Brüder.

Ich trat also ein und ließ mir Cartivel und Raven zeigen, die am Tisch saßen. Ich war mir recht sicher, dass ich die beiden nicht kannte. Ich wusste nicht mal, wer wer war, da Dunduvan aber Cartivel zweimal erwähnt hatte, ging ich davon aus, dass das der Ältere war. Der sah mir ähnlicher als meine Brüder: rote Haare, roter Bart (gut, da hatte ich nur ganz wenig, die meisten Frauen mochten keinen Bart, hatte ich festgestellt), breite Schultern. Ich überlegte im ersten Moment, ihn zu einer kleinen Übungseinheit mit dem Schwert aufzufordern, denn er sah aus, als könne er das.
Der andere Bursche, Raven, war hingegen in seinem Umhang versunken und sah von der Statur her aus wie vielleicht zwölf, ein dürrer Bursche mit winzigen Händen. Vielleicht war das der Lehrling von Cartivel. War zumindest die logischste Erklärung.
Ich nickte also erstmal freundlich und redete weiter mit meinem Bruder, der etwas von Helena wissen wollte. Ich kannte ihn gut genug, um ihren Namen besser nicht zu erwähnen. Der allein würde schon reichen, sie als Römerin zu identifizieren, und ich war mir sicher, dass er schlagartig seine gute Laune mir gegenüber deshalb verlieren würde. Also konzentrierte ich mich auf das andere, während ich immer breiter grinste und mir ihr Bild ins Gedächtnis rief.

“Nein, ich hab sie in Iscalis gesehen, nicht hier in Cheddar. Und sie ist das schönste Mädchen, das… Kennst du das Gefühl in deiner Brust, wenn du morgens früh aufstehst im Winter, kurz vor Sonnenaufgang, und es hat die ganze Nacht geschneit, aber jetzt ist der Himmel klar und du trittst raus und siehst die Hügel vor dir, überzogen von weißem Puder. Und alles ist klar und eisig kalt und jeder Atemzug tut dir in der Lunge weh. Und dann kommt die Sonne, rot und gold, und verwandelt mit einem Mal diese unberührte Landschaft, als wäre der Schnee zu Diamanten geworden, und alles glitzert und funkelt, und du traust dich nicht, dich zu bewegen und versucht, diesen Anblick festzuhalten, und mit einem Mal ist dir ganz warm und du weißt, dass alles gut wird?
Oder in den Hochebenen ganz im Norden, wo die Adler fliegen. Stell dir da einen See vor, der so klar ist, dass sich der Himmel mit jeder kleinen Wolke darin spiegelt und du dir nicht sicher bist, ob er wirklich auf dem Boden ist oder frei schwebt. Und dann kommt Wind auf, der feine Wellen über die Wasseroberfläche treibt, die immer größer werden, als hätte ein Gott sie angestoßen.
Oder im Wald, wo es dunkel ist und du fühlst dich unheimlich und bedroht, und mit einem Mal fangen alle Vögel an zu singen, und du weißt, dass keine Gefahr droht und alles in Ordnung ist.“

Ich grinste schief. Das war jetzt wahrscheinlich einen Hauch zu poetisch gewesen. Vielleicht wäre ich doch kein ganz schlechter Filid geworden, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
“So hab ich mich gefühlt, als wir uns geküsst haben. Es war nicht mehr, nur dieser eine Kuss. Und… sie ist viel klüger als ich. Sehr viel klüger. Sie ist danach gegangen und…“
Ich schüttelte den Kopf und wurde wehmütig, realistisch. “Sie hatte recht damit. Ich weiß das. Ich meine, was könnte ich ihr schon anbieten, außer einem vermutlich frühen Tod und davor jede Menge Ärger? Und ich weiß, sie verdient jemanden, der ihr ein Heim bieten kann, wo sie zwanzig Kinder aufziehen kann und im hohen Alter mal umgeben von hundert Enkelkindern friedlich einschlafen kann in dem Wissen, dass alle, die sie liebt, sicher sind.“ Und ich hatte nicht einmal ein Haus, von einem festen Einkommen oder gar Frieden ganz zu schweigen. “Aber im Moment möchte ich diesen Idioten, wer auch immer das sein wird, am liebsten verprügeln.“
Und da sie Römerin war und ihr Zukünftiger damit höchstwahrscheinlich Römer sein würde, war es nicht ganz unwahrscheinlich, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen würde.

“Aber genug Liebesgeschwafel. Haia ihr beiden. Ich bin Louarn. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Du bist Cartivel?“ fragte ich den Älteren und hoffte, dass ich ihn jetzt nicht zu sehr mit meinen lyrischen Ergüssen gelangweilt hatte. Aber wir Kelten waren ein sehr leidenschaftliches Volk, da passierte sowas halt mal.
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Falke
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01-27-2023, 09:59 PM,
Beitrag #18
RE: Die Hütte von Boduognatus
Der Weg hierher war nicht einfach gewesen. Calum hatte nicht die üblichen Straßen genommen, schließlich sollte er, soweit man wusste, in Iscalis sein und sich seiner Schmiedeausbildung widmen. Je weniger man ihn mit Dunduvan und den anderen sah, desto besser für seine Aufgabe. Hätte er nur geahnt, was in Dunduvans Kopf für Befürchtungen Gestalt annahmen, hätte er seinem Bruder vielleicht weniger treu zur Seite gestanden als jetzt, wo er sich doch voller Zweifel und Angst zu ihm schleppte.
Ein normales Leben, nichts mehr wünschte sich Calum. Die Verzweiflung des Wissens, was er nicht haben konnte, nagte an ihm und die Wut darüber wurde bedeckt von einem Leichentuch aus Einsamkeit und Angst. Sein Herz wusste längst nicht mehr, wer der Feind war und die Möglichkeit, durch den zornigen Dunduvan den Tod zu finden war beinahe greifbarer, als durch die Hand der Römer.

Calum achtete darauf, dass ihm niemand folgte. Er konntee s nicht brauchen. Doch die Römer wussten noch nicht um die Gefahr, die ihnen von den Falken drohte. Noch nicht. Es würde der Tag kommen, an dem sie wirklich höfflisch aufpassen mussten. Jetzt gerade waren sie nichts als eine Horde unzufriedener Jungen.
Als er die Tür öffnete, hörte er gerade Dunduvans Stimme. Er und Louarn sprachen über ein Mädchen oder so. Schweigend trat er ein und verschloss die Tür wieder sorgfältig. Unter seiner Kapuze sondierte er den Raum. Seine beiden Brüder waren da. Von den anderen keine Spur. Und ein Mann, den er noch nicht kannte, doch er vermutete den Namen Cartivel hinter der Erscheinung, von dem er in Nachrichten gelesen hatte.
"Ich habe nicht viel Zeit", begrüßte er die Bande und verbarg das Zittern seiner Hände in seinem Gewand. "Kommt Raven nicht?"
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01-29-2023, 05:00 PM,
Beitrag #19
RE: Die Hütte von Boduognatus
Louarn war einen Kopf größer als er. Aber musste er deshalb immer den großen Bruder raushängen lassen?
Dunduvan schnaubte: „Schon gut, Lou, wir sind alle was wir sind. Und alle zusammen sind wir in der Hand der Götter. Ich werde also schweigen und gut zuhören, was Calum zu sagen hat, gut so?“

Auch wenn Calum manchmal mehr Taube als Falke war; Dunduvan hatte ihn lieb. So wie er Lou liebte. Seine Brüder. Wie wäre all ihrer Leben ohne das Unheil gewesen,  Das alte Leben , das die Stämme geführt hatten, bevor die Eroberer vom Tiber kamen? Auf die Jagd gehen, Land bestellen,  und die Sommerfeldzüge, damit man im Winter Geschichten zu erzählen hatte am Feuer? Vermutlich wären sie alle nicht einmal  Druidenschüler. Calum wäre bestimmt ein kunstfertiger Schmied. Und Louarn ein geachteter Krieger- Barde. Kunstfertig und weise mussten beide sein; nur den Römern konnte es einfallen, Schmiede und Sänger in den Sklavenstand herabzuwürdigen. Und er selbst, was wäre aus ihm selbst geworden? Und Schwestern hätte es auch gegeben; nicht nur Raven, sondern....

Oh welche Worte Lou gerade fand. Dunduvan lauschte und einen Moment war es ihm, als würden all die Bilder vor seinem inneren Auge erstehen. Es war schön, und es war rein.

....Hügel überzogen von weißem Puder…..Sonne, rot und gold, und verwandelt mit einem Mal diese unberührte Landschaft, als wäre der Schnee zu Diamanten, ein  See, der so klar ist, dass sich der Himmel mit jeder kleinen Wolke darin spiegelt ….

Lou schien es diesmal schwer erwischt zu haben. Die Frau musste eine wahre Zauberelfe gewesen sein. Das sie gegangen war, machte es leichter –  nicht für Louarn, der jetzt litt, doch für die Zukunft, die keinerlei Ablenkung gestattete.

„Alles was wir tun, tun wir ja für Menschen wie das Mädchen, dessen Kuss dir so viel bedeutet hat. Damit sie einst in ihrer Hütte ruhig schlafen kann. Selbst wenn sie niemals wissen wird, wem sie ihre Freiheit und ihr Glück verdankt “, versuchte er den Bruder zu trösten.

Dann ging erneut die Tür auf. Schweigend trat ein Neuankömmling ein und schloss sie hinter sich. Er verbarg seine Hände in seinem Umhang. Das war der Junge, den die Weiße Göttin selbst zu Caradocs Stimme  bestimmt hatten. Calum, ihr Bruder, war da.

„Sei gegrüßt Calum“, erwiderte Dunduvan und musterte ihn aufmerksam. Noch hatte er die Kapuze nicht abgenommen und verbarg sein Gesicht. Doch Dunduvan war sich sicher, dass er sich fürchtete:
„Wie viel Zeit wir heute brauchen liegt ganz bei Dir, meinst du nicht?“

Bei den rotohrigen Jagdhunden der Anderswelt, Dunduvan Deimos hatte sich vorgenommen, verständnisvoll zu sein, aber er konnte einen gewissen scharfen Unterton nicht vermeiden.
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Falke
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01-29-2023, 06:03 PM,
Beitrag #20
RE: Die Hütte von Boduognatus
Die Tür ging auf, ehe Cartivel zum Antworten kam, und Calum kam rein. Ich lächelte ihm aufmunternd zu, als Dunduvan eben einfach Dunduvan war und natürlich nicht einfach geduldig sein konnte. Gut, hatte cih auch nicht wirklich erwartet. Ich hoffte nur wirklich, dass es ohne Zank gehen würde, weshalb ich auch gleich aufstand und Calum erstmal auch nochmal drückte. “Haia, kleiner Bruder“, wurde auch er begrüßt.
Da wir eh schon so dicht beisammen standen und damit er nicht ins offene Messer lief, klärte ich ihn auch gleich schnell und leise auf, damit die unbekannten Gäste nicht gleich alles mitbekamen. “Ich hab Dunduvan schon gesagt, dass du bei Caradoc vor seinem Ende warst und keine guten Neuigkeiten im Gepäck hast. Dundi hat versprochen, nicht auszurasten. Keine Angst, es wird alles gut.“ Ich hatte meine Pranken noch in seinem Rücken, als ich ihn mit mir zum Tisch zog. “Und da sitzt doch Raven“, sagte ich wieder lauter und deutete auf die halbe Portion. Ein wenig fragte ich mich schon, warum Calum sich nach dem Kleinen erkundigte. Der schien mir jetzt nicht wirklich wie eine Schlüsselfigur unserer Runde zu sein, und ich dachte eh, dass der Bursche zu Cartivel gehörte.
“Komm, setz dich neben mich Calum und rette mich davor, noch mehr Unfug zu erzählen, und iss ein bisschen was.“ Ich lächelte ihm aufmunternd zu, um ihm die Angst zu nehmen, und sah dann einmal eindringlich zu Dunduvan rüber, dass der sich bitte ein bisschen beherrschen sollte. Ganz sicher war Dunduvan zwar der klügste von uns allen hier im Raum, die fremden inbegriffen, aber an seinem Taktgefühl musste er noch ein bisschen arbeiten.
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Falke
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