Forum

[Flavianus Pytheas]

Immer noch auf Wohnungssuche

Der Weg von Haus B zu Haus A war nicht sehr weit. Ich joggte ein wenig, damit der vermeintliche Verwalter mir nicht durch die Lappen ging, und war so in wenigen Momenten auch schon da. Ich zügelte meine schritte, damit es nicht wie ein Überfall wirkte und hob zum Gruß eine Hand. “Salve! Bist du der Verwalter hier?“ fragte ich den mir unbekannten Mann und hoffte auf eine positive Antwort. 

Pytheas blieb stehen. Der Frager hatte höflich gesprochen. Er war ohne Zweifel ein Römer, doch der Medicus hatte ihn noch nie zuvor in Iscalis gesehen, obwohl er mittlerweile die meisten Römer zumindest flüchtig kannte. So wie der aussah, war er aber vermutlich auch noch nie krank gewesen; der Mann strotzte förmlich vor Kraft. Hätte er einen Militärgürtel getragen, so hätte Pytheas ihn für einen Soldaten gehalten:

"Salve Fremder, nein, ich bin leider nicht der Verwalter. Er heißt Hyginus Arvidus und stiefelt bestimmt irgendwo auf der Baustelle herum", er machte eine unbestimmte Geste:
"Ich habe eine Taberna angemietet und ihn gerade kennen gelernt, weit weg kann er noch nicht sein"

[Marcus Mucius Primus]

Das Wort Fremder allein wäre noch kein Grund gewesen, mich irgendwie anders zu verhalten. Man musste sich ja nicht gleich jedem vorstellen, auch wenn das vermutlich die höflichere Variante war. Da der Mann hier aber eine Taberna wohl frisch angemietet hatte und daher die Möglichkeit bestand, dass wir bald Nachbarn sein würden, wollte ich zumindest einen positiven ersten Eindruck hinterlassen, um Didia Corona das Leben später nicht unnötig schwer zu machen. Sie würde vermutlich selbst einfach durch ihre bloße Existenz schon auffallen, da sollte es nicht auch noch ihr Personal.
“Die Leute nennen mich Bo“, nannte ich den Namen, der jetzt seit ungefähr zwei Jahren irgendwie zu mir gehörte. Den anderen musste niemand wissen, mit dem ging ich nicht hausieren und erst recht wollte ich nicht, dass irgendwer ihn in einem Brief nach Rom erwähnte. Jede Aufmerksamkeit, die wir vermeiden konnten, war gut.
Ich musterte den Mann vor mir. Jünger, schmächtiger, komische Augen. Irgendwas an ihm kam mir vage bekannt vor, aber das mochte meine allgegenwärtige Paranoia sein. Wahrscheinlich hatte ich ihn schon einmal hier in der Stadt flüchtig gesehen. Er schien aber kein schmutziges Gewerbe zu haben, seine Haut hatte keine Verfärbungen und er stank auch nicht. Wie ein Lustknabe sah er… naja, vielleicht ein bisschen aus, aber ich tippte auf Schreiber oder Rechtsanwalt oder etwas vergleichbar ruhiges. Nichts, was mit Krach einherging. Also auch nichts, was mich von der Wohnungssuche hier abhalten könnte.
“Kannst du mir beschreiben, wie er aussieht? Ich bin auch auf Wohnungssuche für meine Herrin und hoffte, ihr bei meiner Rückkehr schon ein entsprechendes Angebot präsentieren zu können. Wenn ich den Verwalter aber nicht finde, wird das wohl schwer.“

[Flavianus Pytheas]

Pytheas überlegte, wie er Bo am geschicktesten weiterhelfen konnte, der nach eigenen Worten in Diensten einer Herrin stand. Für Diener empfand er Sympathie, er war lange selbst einer gewesen.Und Herrinnen konnten zuweilen ...hmm anspruchsvoller in ihren Wünschen sein als jeder Herr:
„Salve Bo, dann willkommen in der Nachbarschaft. Ich heiße Pytheas. Ich bin der Medicus am Ort“, sagte er.

Flavianus ließ er weg. Flavianus benutzte er nur wenn er jemanden beeindrucken wollte. Bei diesem Bo musste er keinen Eindruck schinden:
„Meister Arvidus ist in mittleren Jahren, kräftig, dunkle Haare, ein Grieche.  Aber wenn Du eine Wohnung für eine Dame mieten möchtest, ist es vielleicht besser, im Officium Thorianum im Handelshaus des Salvius Falco auf dem Forum vorbeizuschauen, dort haben sie auch gleich die Hauspläne zur Hand. Und du würdest mit den Gebrüdern Thorius direkt sprechen können“,

er lächelte: "Da ich in Richtung Forum muss, zeige ich dir gerne, wo das ist. Habt ihr denn jetzt schon eine Unterkunft?"

[Marcus Mucius Primus]

Medicus also. Da war meine Einschätzung gar nicht so weit davon entfernt. Und solange er bei sich in der Praxis nicht auch amputierte, was wohl nicht anzunehmen war, war mit keiner Lärmbelästigung zu rechnen. Außerdem war es nicht schlecht, schon einen Mediziner zu kennen, sollte doch einmal etwas geschehen, bei dem Didia Corona Hilfe bräuchte.
Und im Moment war er ein Quell des Wissens für mich, denn er kannte nicht nur den entsprechenden Verwalter, sondern wusste obendrein noch die wirklich passende Anlaufstelle für mein Anliegen. Einsehbare Baupläne waren dabei das schlagende Argument, denn damit konnte ich mir wirklich einen Überblick nicht nur über eine mögliche Wohnung und ihre Ausstattung, sondern auch eine ebensolche der Nachbarschaft machen, was im Falle eines Falles sehr hilfreich wäre. Wer wusste schon, ob wir nicht doch einmal untertauchen mussten. Und selbst wenn nicht, ich war gern möglichst umfassend informiert. Alte Berufskrankheit.
“In dem Fall nehme ich deine Hilfe sehr gerne an, Pytheas. Es klingt wirklich sehr erfolgversprechend, und direkt mit den Eigentümern anstatt des Verwalters sprechen zu können, kann keinesfalls schaden.“ Auch wenn ich alle Parteien würde in Augenschein nehmen müssen. Ich würde die halbe Stadt noch in Augenschein nehmen müssen. Aller Anfang war mit Arbeit verbunden.

Auch, wenn es mir widerstrebte, Informationen preiszugeben, sah ich es in dem Fall als gerechtfertigt an. Die Stadt war klein, wenn der Medicus uns finden wollte, hätte er damit wohl wenig Probleme. Außerdem war ich noch immer mit vertrauensbildenden Maßnahmen für gute, unauffällige Nachbarschaft beschäftigt. “Im Moment residiert meine Herrin im Gasthaus zum weißen Pferd. Es wurde mir in Londinium auf dem Weg hierher empfohlen. Allerdings wollen wir möglichst rasch eine richtige Unterkunft, wo meine Herrin sich wirklich von den Strapazen der Reise erholen kann und sich häuslich einrichten kann.“ Das alles war soweit nichts ungewöhnliches. Eine Geschichte, wie sie hundert andere neu Herziehende auch erzählen würden. Oder anders ausgedrückt: Keine Gefahr.

[Flavianus Pytheas]

„Ja, gehen wir. Und wenn du etwas gemächlicher ausschreitest, können wir uns dabei sogar unterhalten“ , Pytheas grinste, aber er musste sich anstrengen, mit Bo Schritt zu halten, der so groß und durchtrainiert war:

„Der Eigentümer ist umgänglich. Besonders wenn man die Miete im Voraus bezahlt“, sagte er: „Das Weiße Pferd kenne ich gut, das ist sozusagen die erste Anlaufstelle für Fremde. Sauber und ordentlich...“ >>>>