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Auf dem Wochenmarkt
01-26-2025, 09:20 PM,
Beitrag #11
RE: Auf dem Wochenmarkt
Síofras Frage, wann sie anfangen könnte, kam leise, beinahe flehend, und ihre großen Augen suchten meinen Ausdruck ab, als hinge alles von meiner Antwort ab. Ein schwaches Lächeln huschte über mein Gesicht, doch in meinem Inneren zog sich das Herz zusammen bei dem Gedanken an all das, was dieses Mädchen schon ertragen hatte.
"Natürlich darfst du sofort anfangen," sagte ich sanft, ließ die Worte aber bewusst eine Weile in der Luft stehen, bevor ich fortfuhr. Mein Blick wanderte zu ihren beiden Schafen, die nun friedlich neben uns standen, als hätte es den Tumult von vorhin nie gegeben. "Aber vielleicht solltest du dich zuerst um deine Tiere kümmern. Bring sie nach Hause und schau nach deiner Mutter. Dann komm morgen zu meiner Weberei, und wir fangen an."
Der Weg nach Cheddar war weit, besonders zu Fuß. Eine Stunde brauchte man mindestens, und mit zwei Schafen, die wohl nicht unbedingt folgsam waren, konnte es gut und gerne noch länger dauern.

"Ich kann dir für den Anfang zwei Sesterzen pro Tag zahlen," fügte ich hinzu. "Es ist vielleicht nicht viel, aber es wird dir helfen, dich um deine Familie zu kümmern. Und wenn du gut arbeitest, können wir uns auch über mehr unterhalten," stellte ich ihr in Aussicht.
"Du findest meine Weberei im Neubaugebiet, im Osten von Iscalis," erklärte ich weiter und hielt ihren Blick fest, damit sie sicher wusste, wo sie hinmusste. "Dort stehen zwei riesige Steingebäude. Die Römer nennen sie Thorianum A und B. Meine Weberei ist im Thorianum B. Frag einfach nach der Weberei der Furiana Nivis, und man wird dich zu mir bringen."
Ich hoffte, sie würde den Weg gut finden und sich unterwegs nicht noch weitere Sorgen aufladen. Als ich sie ansah, bemerkte ich, dass ihre Haltung sich leicht aufrichtete. Vielleicht war es der Gedanke, dass jemand bereit war, ihr zu helfen, oder vielleicht die Sicherheit, einen klaren Plan zu haben. Egal, was es war – es war ein Anfang.
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
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01-26-2025, 09:45 PM,
Beitrag #12
RE: Auf dem Wochenmarkt
Für einen kurzen Augenblick verkrampften sich Síofras Finger gar etwas fester um das Seil, welches die beiden Schafe an ihrer Seite hielt. Hatte sie zu vorschnell gesprochen? Zu rasch die Antwort über ihre Lippen dringen lassen? Vielleicht hatte sie die Rothaarige mit ihrer Antwort auch überrumpelt und die junge Frau würde nun einen Rückzieher machen? Ihr die rettende Türe direkt vor der Nase zuschlagen? So war es nicht verwunderlich, dass ein banger Ausdruck über Síofras Gesicht huschte. Denn von Nivis Antwort hing so vieles ab. Was ihre Zukunft und vor allem die Zukunft ihrer Familie betraf. Als die Rothaarige sanft sprach, dass sie natürlich sofort anfangen könnte, wäre Síofra ihr am liebsten um den Hals gefallen. Vor Freude und Glück. Doch bezähmte sie sich, auch wenn man am strahlen in ihren Augen ihre Freude ob dieses Angebots deutlich ablesen konnte. Schon waren es die beiden Schafe die Síofras Aufmerksamkeit forderten, denn eines davon begann jämmerlich zu blöken und Nivis forderte, dass sie sich zuerst um ihre Schafe kümmern sollte, bevor sie am nächsten Morgen zu ihrer Weberei kommen sollte. “Oh ja. Natürlich. Die Schafe.“ Etwas verwackelt wirkte Síofras Lächeln, als sie einem der Schafe, jenem welches geblökt hatte, sanft über die Stirn strich. Sie würde sich am morgigen Tag sehr früh auf den Weg machen. Dies bedeutete für sie, dass sie noch früher aufstehen musste, wenn sie zuerst die kleine Hütte säubern wollte und sich danach um die Schafe kümmern wollte. Auch ihre Mutter sollte bei alledem nicht zu kurz kommen. Hoffentlich würde der Trank und die Salben der groac'h ihrer Mutter zumindest etwas Linderung verschaffen. Schon bildete sich eine steile Sorgenfalte zwischen Síofras Augenbrauen, als sie an ihre schwer kranke Mutter dachte und ihr der Tag auf einmal gar nicht mehr so hell und strahlend vorkam. “Ich werde morgen pünktlich an deiner Weberei erscheinen.“ Auch wenn sie noch keine Uhrzeit ausgemacht hatten, doch wenn Síofra mit ihren täglichen Pflichten fertig war, würde sie sich auf den Weg machen.

“Vielen Dank edle Dame. Zwei Sesterzen pro Tag? Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich…“ Schon verstummte Síofra, nicht dass sie noch vollkommenen Blödsinn quasselte und man bemerkte, dass sie doch nur von Bauern abstammte. Zwei Sesterzen sind viel Geld für mich und meine Familie. Damit kann ich meiner Mami bestimmt helfen und bessere Medizin kaufen.“ Etwas wie Hoffnung schwang nun tatsächlich in Síofras Stimme. Wie gut dass sie nicht wusste, dass sich das Leben ihrer Mutter wahrlich auf Messers Schneide befand und sie wohl in diesem Moment ihre letzten Atemzüge tat. Den festen Blick Nivis spürte Síofra auf sich und erwiederte diesen, wenngleich sich die Sorge deutlich auf ihrem jungen Gesicht abzeichnete. “Im Neubaugebiet. Im Osten von Iscalis. Thorianum B. Weberei der Furiana Nivis.“ Wiederholte die Keltin alle Begriffe die für sie wichtig waren, um die Weberei der rothaarigen Keltin schnell ausfindig machen zu können. “Ich bin glücklich Furiana Nivis.“ Und diese strahlen ließ ihre Augen tatsächlich für einen Moment aufleuchten und sogar die düsteren Wolken aus ihrem Gesicht vertreiben. “Dann werde ich mich nun auf den Weg machen edle Dame. Bis ..morgen.“ Jetzt lächelte Síofra sogar und neigte ihren Kopf einer respektvollen Geste. Bevor sie leise mit ihrer Zunge schnalzte und den langen Rückweg in das Dorf Cheddar antrat. Die beiden Schafe liefen artig an der Seite des Mädchens. Und Síofra erhoffte sich, dass sie ohne weitere Zwischenfälle nach Cheddar gelangte.
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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