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Niamhs Hütte
01-25-2025, 04:38 PM,
Beitrag #21
RE: Niamhs Hütte
Wenn es sie störte, dass ich meinen Namen nicht genannt hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Aber vielleicht war das auch so, weil ich gerade sehr vertieft darin war, die dumme, kleine Schleife böse anzustarren und sie nicht wirklich beachtete. Wenn sie etwas anfasste, würde sie schon sehen, was sie davon hatte.

Dann fing sie mit einem Mal an zu reden und fragte nach Ceridwen. “Hast du Angst vor Magie, kleine Catia?“ fragte ich mit einem schiefen Grinsen und wandte ihr wieder meinen Blick zu. Meines Erachtens nach war Ceridwen in etwa so gefährlich wie ein Hundewelpe. Sie gab sich ominös und kratzte so ein wenig an der Oberfläche des tiefen Zaubers, der die Welt zusammenhielt, aber das war es auch schon. Ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass ich mehr Zaubermacht besaß, als sie sich auch nur erträumen konnte. Warum also sollte ich mich vor ihr fürchten?

“Und es sind meine Sachen, und ich habe keine Sesterzen. Was ich habe, sind Körbe. Mit Eiern, mit gefärbter Wolle - wozu auch immer  ich die brauchen sollte – mit getrocknetem Fleisch und Fisch. Aber vor allen Dingen Körbe.“
Wahrscheinlich hatte ich sogar irgendwo noch römisches Geld, aber ich empfand es als genauso nutzlos, wie das Pferd. Wenn ich es brauchte, holte ich es mir einfach, und ansonsten brauchte ich es schlicht nicht.

Und dann sagte sie den einen Satz, der so urkomisch war, dass ich nicht anders konnte. Ich sah sie einen Moment an, dann brach ein Lachen aus mir heraus, dass durch keine Macht der Welt hätte aufgehalten werden konnte. Ich musste so sehr lachen, dass es mir schon wieder weh tat und ich mir den Bauch halten musste. “Bist du das? Louarns kleiner Vogel, ja?“ Ich lachte noch einmal und sah sie mir an. “Wo hat der rote Idiot dich gefunden? Hat er dich gerettet?“ Ich legte den Kopf schief und wischte mir die Lachtränen aus den Augen. “Ist er da? Und hat dir nicht gesagt, welches Haus das hier ist?“
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Falke
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01-26-2025, 05:35 PM,
Beitrag #22
RE: Niamhs Hütte
"Vorräte würde ich auch nehmen", sagte Catia schnell und warf einen Blick auf die Körbe auf dem Bett. Geld wäre besser gewesen, falls sie in der Castra jemanden bestechen musste, doch zu Essen brauchte sie auch, und was übrig blieb, konnte man vielleicht verkaufen.
"Hast du Angst vor Magie, kleine Catia?", fragte da der Hausherr. Catia konnte es nicht besonders leiden, wenn man sie Kleine nannte; meist war das der erste Schritt, bevor man plötzlich eine Hand an der Brust oder am Gesäß hatte..brrrr

Sie zuckte die Schultern. Sie ärgerte sich immer noch über sich selbst, dass sie "Louarn" anstatt "Angus" gesagt hatte. Und der Kerl reagierte auch noch prompt darauf, indem er in Gelächter ausbrach:
“Bist du das? Louarns kleiner Vogel, ja? Wo hat der rote Idiot dich gefunden? Hat er dich gerettet?“ er legte den Kopf schief und wischte sich Lachtränen aus den Augen. “Ist er da? Und hat dir nicht gesagt, welches Haus das hier ist?“

Erst Kleine und dann das.Und er schien Louarn zu kennen. Vielleicht war Louarn öfter in Cheddar, und sie kannten sich daher. Oder er meinte einen anderen Louarn. Louarn und rot, das musste nicht ihr Louarn sein. Doch das war ganz und gar kein Grund, sie schallend auszulachen, fand sie:

"Ich bin niemandes Vögelchen", fauchte Catia: "Und nein, ich weiß nicht, welches Haus das hier ist. Ich bin nicht von hier. Aber Louarn ist kein Idiot!"
sie legte eine Hand wie beiläufig auf den Tisch mit den vielen Sachen:
"Und nein, er hat nicht mich gerettet, sondern ich ihn, obwohl ich nicht weiß, was dich das angehen sollte!" Catia schnaubte durch die Nase. Ihr Ärger über sich selbst machte allmählich einem Ärger über den Bewohner dieser Hütte Platz.  Er sollte nicht glauben, dass er sich alles erlauben durfte, nur weil sie ein harmloses Landmädchen war. Catia dachte nicht mehr daran, dass sie angeklopft und um Arbeit gefragt hatte, und es nicht umgekehrt gewesen war:

"Ich glaube, ich habe gar keine Lust mehr dazu, deinen Bettel aufzuräumen, Herr Ich-sag- dir- meinen - Namen -nicht! Suche dir doch eine andere Magd!"

Sie warf den Kopf zurück, dass ihr Amulett klimperte.

Wenn der Mann versuchen würde, sich ihr in den Weg zu stellen, so würde sie seinen Tisch mit all den feinen Gefässen umwerfen, dass es nur so krachte und dann so schnell davon laufen, wie sie nur konnte.
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01-26-2025, 06:50 PM,
Beitrag #23
RE: Niamhs Hütte
Offenbar verhinderte die Schleife keine spontanen gefühlswallungen. Das kleine Vögelchen brauste auf und drohte mir. Das konnte ich gar nicht leiden. “Wenn du das denkst, dann kennst du ihn noch nicht gut“, meinte ich nur mit schiefgelegtem Kopf, als sie meinte, Louarn wäre kein Idiot. Ich erkannte seine Vögelchen, wenn sie vor mir standen, und genau deshalb wusste ich, dass er wieder dumm gewesen war. Auch wenn es ein interessantes Detail war, dass sie wohl ihn diesmal aufgepickt hatte und nicht anders herum.

Was aber mehr meine Aufmerksamkeit erregte, war, wie sie meinen Tisch festhielt. Ich blickte auf ihre Hand und dann langsam hoch in ihr Gesicht. Meinte sie das ernst? Gut, sie wäre wahrscheinlich tot, bevor sie zur Tür raus wäre, und ich verstand die Feinheiten des Gastrechts nicht so wirklich, aber so weit ich wusste, durfte man auch als Gast in einem Haus nicht einfach aus Wut Dinge kaputt machen, auch wenn man das gerne wollte. Zumindest ich durfte mit dieser Begründung nie Dinge kaputt machen, auch wenn ich sehr gute Gründe dafür immer hatte und sie gerade einfach nur beleidigt war, weil ich die Wahrheit gesagt hatte.

“Ich suche für gewöhnlich andere Dinge“, meinte ich nur fasziniert und sah mir an, was sie jetzt vorhatte. Und fragte mich, wieso der Zauber der Schleife auf sie nicht so wirkte, wie ich mir gedacht hatte, dass er wirkte.
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Falke
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01-28-2025, 12:25 PM,
Beitrag #24
RE: Niamhs Hütte
Manche der kleinen Fläschchen, die auf dem Tisch standen, schienen von innen her zu leuchten. Sie waren sehr hübsch, aber Catia schaute sie lieber nicht zu lange an. Bestimmt war das irgendwie doch Magie.

"Du bist wohl kein Freund von Louarn?", meinte Catia, aber sie nahm die Hand vom Tisch und trat wie vornhin wieder einen Schritt zurück. Sie hatte nicht das Gefühl, dass der Hausherr sie jetzt gerade angreifen würde.

 Allerdings hatte sie Sorge, an ihm vorbeigehen zu müssen. Das war... Catia wusste nicht so recht, wie sie es ausdrücken sollte, doch es gab Menschen, die, wenn ein Schmetterling oder sonst etwas an ihnen vorbei flog, dann im letzten Moment doch rasch zugriffen. Vielleicht wollten sie nur das Zappelige, Lebendige, in ihrer Hand spüren, aber zu oft endete es damit, dass der Schmetterling zwischen ihren Fingern zerquetscht wurde.

"Ich suche für gewöhnlich andere Dinge", sagte der Hausherr dann, als sie ihn anfauchte, er solle eine andere Magd suchen

"Vielleicht ja deinen Namen?", schlug Catia vor, und zu ihrer eigenen Überraschung grinste sie sogar ein wenig, und ihre Anspannung ließ nach.
Obwohl die Hütte kahl und wenig anheimelnd war, hätte sie ein freundlicher Ort sein können, wenn man sie ein bisschen gemütlich herrichtete. Solch ein Haus hätte sich Catia auch gewünscht, wenn sie künftig mit ihrem Vater Aper auf dessen Veteranenland leben würde. Denn das war es doch, was sie wollte, sagte sie sich selbst.

" Ich wollte gar nicht so giftig sein, tut mir Leid.  Ich mag nur keine falschen Erwartungen erwecken, wenn ich zu nett bin. Du machst aber auch wirklich ein Geheimnis aus allem, was dich betrifft. Man könnte direkt Angst kriegen", während sie plauderte, hatte Catia die Tür fast erreicht.

Sie blieb stehen und warf einen Blick zurück. Der Hausherr war noch jung und bestimmt nicht unansehnlich. Aber ein seltsamer Kauz war er irgendwie. Ob das daher kam, dass er ganz für sich war und keiner für ihn sorgte? 

"Weißt du was, nachher bereite ich in der Hütte von Boduognatus ein Kaninchen zu. Es ist nicht viel dran, doch für vier Leute wird es reichen, damit jeder ein Stück bekommt. 
Ich bringe dir davon und auch frisches Brot. Du hast nicht zufällig ein paar getrocknete Küchenkräuter in deinen Körben? Oder etwas Mehl?" sagte Catia. 

Bei sich dachte sie: Warum sage ich denn das jetzt? Die Gutherzigkeit bringt mich noch einmal ins Grab.
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01-28-2025, 08:02 PM,
Beitrag #25
RE: Niamhs Hütte
Ich legte den Kopf in die andere Richtung und dachte über ihre frage nach. War ich kein Freund von Louarn? Dieses Prinzip der Freundschaft war eines von diesen menschlichen Konstrukten, die ich nie so ganz erfassen hatte können. Es teilte Menschen meiner Meinung nach zu sehr in Gruppen ein und meiner Erfahrung nach bedeutete Freundschaft meistens nicht mehr, als dass jemand nützlich für jemanden war. Unter dem Gesichtspunkt war Louarn vermutlich mein Freund, denn er war mir durchaus nützlich. Manchmal zumindest, wenn es roher Muskelkraft bedurfte. “Wir wuchsen gemeinsam auf und ich kenne ihn besser, als er sich selbst“, fiel also meine Antwort aus. Er bezeichnete mich mitunter als seinen Bruder, aber mein einziger Bruder war gerade weit entfernt im Norden. Der Rest der Falken war mehr sowas wie nützliche Gelegenheitsbekanntschaften. Und ich verstand auch nicht, warum ich sie als Brüder ansehen sollte, nur weil wir zufällig alle von Cathbad eingesammelt worden waren.

Und sie wollte einen Namen. Warum nur wollten alle einen Namen wissen? Ich fand das lästig. Also sagte ich ihr den, den ich den nervigsten der Dorfbewohner auch genannt hatte und der mir schon in dieser Gegend Dienste geleistet hatte. Und man sollte nicht den Fehler begehen, in einer Gegend mehrere Namen anzunehmen, wenn man dort länger blieb. Das führte früher oder später zu Verwicklungen. Also sagte ich einfach nur: “Pally“ und hoffte, dass sie damit Ruhe geben würde.

Und schließlich ruderte sie doch noch zurück, ging vom Tisch weg und gab sich etwas kleinlauter. Ich fragte mich zwar, wofür genau sie sich entschuldigte, denn es war überhaupt nichts passiert. Sie hatte nichts gestohlen oder mich angegriffen, und was sie sagte, kümmerte mich herzlich wenig. Aber auch das war so etwas, was andere Menschen wohl einfach so machen, auch wenn es keine objektiven gründe dafür gab. Ich bezweifelte, dass ich Menschen da je verstehen würde. Sie waren so schrecklich unlogisch und wechselhaft.
“Wenn es nur wirken würde, dass die Leute Angst hätten und mich in Ruhe ließen...“, meinte ich nur. Nein, die Leute hatten keine Angst vor mir. Sie sahen nicht. Nichtmal dann, wenn man sie mit der Nase darauf stieß. Sie öffneten erst dann ihre Augen vor der Wahrheit, wenn ihr kleines, erbärmliches Leben im Begriff war, zu enden, und all die kleinen Lügen und Blindheit ihnen nichts mehr nützten.

Sie ging an mir vorbei, und ich wollte mir eigentlich gerne vorstellen, wie ich die Wahrheit in diese Augen zaubern konnte, aber es ging einfach nicht. Der verdammte Zauber hinderte die Bilder daran, hervorzukommen.
“Welches Kraut brauchst du?“ fragte ich nur nach. In den Körben war nichts, aber ich selbst hatte einen reichen Vorrat an Kräutern, von denen einige auch für so unwichtige Dinge wie Kochen verwendet werden konnten. “Und in irgendeinem dieser Körbe ist Korn. Das Mehl daraus musst du mahlen.“ Warum sollte auch jemand gemahlenes Mehl zu mir bringen? Entweder, man verbackte es gleich, oder man ließ die Körner ganz, damit sie länger hielten. Oder man machte es wie ich, sparte sich die Arbeit und warf die Körner einfach ins Wasser und kochte sie so lange, bis sie weich genug zum Essen waren.

Bevor sie loswuselte, um es zu suchen, fiel mein Blick noch einmal auf die Schleife. “Und kommst du vielleicht an die Schleife da oben dran? Löse doch bitte das Band. Ich schenke es dir.“ Menschen waren dumm und hinterfragten Geschenke nicht, solange sie hübsch waren. Ich wollte das Ding los sein, damit es mich nicht länger blockierte. Nur wollte ich nicht derjenige sein, der den Zauber brach. Ich könnte es vielleicht, ohne dass er auf mich zurückfiel, aber warum es riskieren, wenn man es auf jemanden abwälzen konnte, der keinerlei Ahnung von Magie oder gar vom tiefen Zauber der Welt hatte?
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Falke
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01-29-2025, 03:08 PM,
Beitrag #26
RE: Niamhs Hütte
"Ach, du bist einer seiner Brüder, Pally?", sagte Catia, die verstand, was sie gerade gerne verstehen wollte, noch freundlicher. Sie schaute den Hausherren genauer an. Er sah Louarn auf den ersten Blick gar nicht ähnlich, aber vielleicht tat er es ja doch ein bisschen? Ein Zug um den Mund, die Nase... und nicht alle Brüder glichen sich.

Das er kein Kaninchen wollte, sagte er auch nicht. Stattdessen bot er ihr Kräuter an, und rasch suchte Catia das Passende heraus:  Getrockneten Quendel, Brennessel und Löwenzahn zuerst, dann aber fand sie auch, was die Römer ins Land mitgebracht hatten: Thymian und Salbei, und sie roch daran und war begeistert. Römer verstanden etwas vom Kochen. Sie steckte die Kräuter in ihr Bündel. Damit konnte sie etwas anfangen. Dann stieß sie auf das Korn, und nickte, als Pally ihr sagte, dass sie es mahlen müsse.
"Ich weiß, dass ich Korn mahlen muss. Auch wenn ich laut Louarn die zweitschlechteste Köchin von Britannien bin", entgegnete sie vergnügt.

Doch bevor sie ging, hielt er sie noch einmal zurück. “Und kommst du vielleicht an die Schleife da oben dran? Löse doch bitte das Band. Ich schenke es dir.“ , sagte er und wies auf ein buntgewebtes Band, das im Reetwerk des Daches eine Schleife bildete.

Catia sah hin. Sie hatte nicht viel eigene Dinge, und das Band schien ihr sehr schön zu sein. Solche filgranen Muster konnte sie selbst nicht weben. Dennoch: Es hatte etwas Liebliches an sich, als dufte es süß und nach Freude, die nie aufhörte. Es war bestimmt Magie. Kleine Zaubereien machten die Dorfmädchen auch, wenn sie einen Liebsten haben wollten:

"Das ist bestimt ein Liebeszauber. Eine Frau wollte einen Mann an sich binden", sagte sie zögernd. Sollte sie ihn wirklich fortnehmen?

Wieder schaute Catia mit ihren schwarzen Augen forschend Pally an.  Ob seine Frau einst diese Schleife gebunden hatte? Ob sie jetzt fort war? Oder gar tot? Vielleicht war er deshalb so eigentümlich und wollte nur noch in Ruhe gelassen werden. Sie musste dringend Louarn danach fragen.

"Ich nehme ihn aber fort, wenn du gerne möchtest"

 Die Versuchung war zu groß. Sie zog sich ein wenig am Flechtwerk empor und  erreichte die Schleife mit ihren Fingerspitzen. Aber sie musste sie gar nicht aufnesteln, fast wie von selbst fiel das Band in ihre Hand. Catia umwickelte rasch damit einen ihrer Zöpfe, der danach ein wenig steif abstand, und von dem die Enden hinunterhingen, und lächelnd wandte sie sich an Pally:

"Ich danke Dir sehr für das Essen und die schöne Schleife. Bis später, Pally!" 

Sie hoffte, dass ihr das Band gut stand, und dass Louarn es vielleicht auch schön finden würde.
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01-29-2025, 05:57 PM,
Beitrag #27
RE: Niamhs Hütte
Da war es schon, dieses Wort: Bruder. Nein, ich war nicht sein Bruder. Nicht mal ein bisschen. “Das hat er dir also erzählt?“ fragte ich also einfach nur zurück, ohne die Frage wirklich zu beantworten. Die meisten Menschen hörten sowieso immer, was sie hören wollten, und interpretierten eine Antwort so, wie es in ihre eigene Vorstellung am besten passte.

Dass sie von selbst lostrabte und meine Kräuter durchsuchte, gefiel mir nicht wirklich. Sie hätte sagen können, was sie wollte, dann hätte ich es ihr gegeben, ohne dass sie meine Ordnung durcheinanderbrachte. Vermutlich kannte sie die Hälfte der getrockneten Pflanzen gar nicht. Wohl auch besser, sonst hätten alle nach dem Essen am Ende noch eitrige Pusteln an ihren intimsten Teilen. Sie nahm nur einfachste, um das Kaninchen damit zu würzen. Noch so eine Sache, die ich für völlig überbewertet hielt.

Sie hatte Angst, dass ein Liebeszauber auf der Schleife lag. “Oh, keine Sorge, es liegt kein Liebeszauber darauf“, sagte ich nur ehrlich und sah zu, wie sie sich streckte und die Schleife löste, um sie sich in die Haare zu binden. Aber mir war gleich, ob sie sich einen Gürtel damit band oder es in ihr Haar verflocht, Hauptsache, das Ding würde weg sein. Ich spürte nach wie vor den Zauber, der darin wohnte, und vermutlich würde er Catia davor bewahren, von irgend jemandem einschließlich mir absichtlich angegriffen zu werden. Abseits von Krankheiten, Feuer, Blitzschlag, Überflutung und verirrten Pfeilen würde sie wohl ein langes Leben damit haben. Aber sollte sie den vermutlich mächtigsten Zauber, der mir je untergekommen war, ruhig im Haar tragen, solange sie ihn von mir entfernte.

Sie lächelte und verabschiedete sich, und ich tat das erschreckendste, was mir als Antwort einfiel: Ich lächelte zurück. Und dann war sie erst einmal weg.

Und ich wartete. Ich ging zu meinem Tisch und mischte schnell mit geübten Handgriffen einige Dinge zusammen, zermalmte sie in meinem Mörser und atmete das Pulver tief ein, um meine Sinne zu weiten. Dann drehte ich mich um und sah mir die Hütte an. Da, an den Rändern fing es an, wie ein Flimmern, wie ein Schleier aus Luft, der von der Welt gehoben wurde und sich immer weiter zurückzog. Und darunter die Linien, mit denen die Welt gebunden war, freilegte. Nicht nur die feinen, gütigen, goldenen, die das Leben selbst spann, sondern auch die rotfelligen aus Zorn und selbst die schwarzen des Todes. Die Musik der Welt, ihre ursprüngliche Symphonie der tausend Stimmen, erklang aus allen Poren und ich konnte sie hören. Mir war nicht aufgefallen, dass sie weg gewesen war, aber jetzt wo sie wieder da war, war sie ohrenbetäubend, und ein wehklagender Laut entrang sich meiner Kehle, als diese vielen Eindrücke wieder auf mich einstürzten.

Oh, diese HYBRIS, die mich befallen hatte, dass ich geglaubt hatte, den Willen der Götter zu ihrer Zufriedenheit schon erledigt zu haben und deshalb ihre stimmen nicht zu hören! Ich war so unglaublich wütend auf mich selbst, dass ich nicht darauf gekommen war, dass es nur dieser Zauber war, der alles besänftigt hatte, als wäre die Dunkelheit nicht genauso wertvoll wie das Licht und die Balance zwischen beiden der wahre Frieden!
Dass es erst ein einfältiges Mädchen brauchte, Louarns kleinen Vogel, um mir die Augen zu öffnen! Oh, ich verdiente es, dass die Götter mit mir geschwiegen hatten! So verblendet, wie ich gewesen war in meinem Hochmut! So dumm in meiner eingelullten Friedlichkeit!

Ich schnappte mir ein paar Dinge, die ich brauchen konnte, vor allen Dingen meine Messer. Ich würde ein paar Tage wohl unterwegs sein. Aber was scherte es mich? Es gab wesentlich wichtigeres als das hier!
Von meiner eigenen Wut beseelt ging ich nach draußen und nahm mir das erste Pferd, das ich finden konnte, um loszureiten. Ich musste etwas finden, das ich töten konnte.

Etwas, das schreien konnte.
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Falke
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