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Falkenhöhle
12-05-2024, 05:39 PM,
Beitrag #111
RE: Falkenhöhle
Cathbad warf Louarn einen Blick zu, als sei der etwas unter seinen Schuhen, was man so schnell wie möglich abzustreifen wünschte. Aber seine Stimme behielt jene gelassene Wärme bei, als er fragte:

"Das willst du mir tatsächlich weismachen, Louarn? Du und ich - wir wissen es doch besser. Wölfisch war sein Verrat. Niederträchtig sein Tun. Er wird ohnehin nicht in die Anderswelt gehen und auch nie wiedergeboren werden, denn seine Existenz war von Anfang an nur geliehen. Er hätte nie sein dürfen, und jetzt ist es Zeit, diesen Irrtum zu beenden"

Das Gesagte galt nicht nur für Calum, es galt für alle Falken:

"Sein bloßer Tod ist nicht genug. Jeder, an dem nur der Geruch des Verräters haftet, muss am Tag unserer Rache sterben.
Zunächst einmal ist es jener fette römische Ritter, der ihn adoptiert hat. An seinen Eingeweiden soll er aufgehängt zu werden wie an Stricken. Zieht sie ihm soo langsam heraus aus seinem Wanst, ich will mich an seinem Winseln erfreuen! Und dann der Grieche, mit dem Calum seine Tage und Nächte vergeudete, als ob ich das nicht wüsste, den kastriert und .....",


Cathbad zählte minutiös auf, welche Schändung und welchen Tod jeden Einzelnen in der Villa Plautia ereilen sollte. Weder Sklaven, weder Alte, weder Frauen noch Kinder, ja nicht einmal die Pferde der Albata  sollten verschont werden. Alle sollten sie auf die möglichst grausame Weise sterben. Nur den dreifachen Tod? Cathbad ersann den vier- und den fünffachen.  
Und die ganze Zeit über sollte der abtrünnige Falke Calum am Leben bleiben müssen, um den Untergang seiner Welt mit an zu sehen, bis er entweder schon vorher den Verstand verlor oder schließlich um seinen eigenen Tod betteln würde. Zuvor gehäutet zu werden, das brachte ihn nicht um, wenn er man es nur geschickt genug tat. ...
Oh, Cathbad tobte vor Wut. Die Wut galt nicht Louarn, sie galt dem Jungen, der sich seiner Gewalt so frech entzogen hatte. Welches Recht hatte Calum denn, sich eine neue Familie zu suchen, wo er doch schon einen Vater (den Druiden!) und Brüder (die Falken!) besaß? Welches Recht, seine heilige Pflicht, die Rache für seine Mutter, zu vergessen?!

Schon die letzten Sätze hatte Cathbads Stimme in ein unheilverkündendes Krächzen verwandelt. Da war nur noch Hass, der seinen gebrechlichen Körper aufrecht hielt, da war der Schatten, das Ding mit den glühenden Augen, das sich damals schon in Dunduvans Herz gekrallt hatte. Der Druide verstand nur noch, zu hassen. Und jeder, der hasste, geriet in seine Fänge , und er konnte ihn manipulieren.

"Ciaran, Cinead,  Alun und Fintan werden mit mir und dir zusammen die Bestrafung vollziehen, wenn sie von mir erfahren haben, was Calum uns allen angetan hat.  Das Haus der Plautier selbst soll dann dem Erdboden gleich gemacht werden. Streut Salz, damit dort nie wieder etwas wachsen kann, und ich persönlich werde den Ort auf alle Zeiten verfluchen!"

Cathbad räusperte sich:

"Du selbst musst Calum aber kein Haar krümmen, wenn dir das schwer fällt", sprach er dann und nun schaute er Louarn direkt an. Seine Augen glichen zwei schwarzen Abgründen:

" Lege gleich noch Holz auf, das Feuer geht fast aus....
....Du fragst dich gewiss weiterhin, warum ich heute nur dich habe rufen lassen und keinen von den anderen?"
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12-06-2024, 03:15 PM,
Beitrag #112
RE: Falkenhöhle
Cathbad hörte gar nicht mehr auf, zu erzählen, welche Grausamkeiten er vollstrecken wollte. Es reichte ihm nicht, Calum zu töten, er würde ihn vorher leiden lassen. Er würde Flavianus Pü vor seinen Augen einen langsamen und qualvollen Tod sterben lassen. Einen Mann, der niemandem etwas böses getan hatte. Den ich gerettet hatte. Alles sollten sie sterben, und Cathbad hatte sehr viel Phantasie dabei, wie er jeden umbringen wollte.

Mir war schlecht. Ich versuchte, nicht weiter zuzuhören, mich in mich selbst zu flüchten, an einen dunklen Ort wo nichts existierte außer dem Tropfen der Zeit in den See der Unendlichkeit. Aber ich fand diesen Ort nicht, Cathbad versperrte den Weg mit Blut und schlimmeren.
Ich stand auf, konnte nicht mehr sitzen bleiben, und kämpfte wieder mit meiner Übelkeit. Wie konnte ein Mensch so grausam sein? Unsere Welt war manchmal grausam und erforderte schlimme Dinge, und da wir Kelten an die Wiedergeburt glaubten, war es an und für sich auch nicht schlimm, dass hin und wieder mal ein Mensch starb Aber das, was Cathbad vorhatte, so etwas würde selbst Ciaran übertrieben finden. Glaubte ich zumindest. Vielleicht. Egal. In jedem Fall war mir schlecht.
Ich sah vor mir nur Calum, den dürren Jungen mit den irgendwie zu großen Gelenken an Armen und Beinen und den viel zu großen Augen, die immer ängstlich oder traurig blickten. Dessen Blick sich so nach Zuneigung und Trost sehnte.Den ich so oft in den Arm genommen hatte, um ihm eben das zu geben, auch wenn es das Loch in seinem Herz nie ganz hatte füllen können. Und der so glücklich gewirkt hatte in Gegenwart von Flavianus Pü. Friedlich. Zumindest eine Weile.

Ich hörte nur halb zu, was Cathbad weiter erzählte, und hörte so seine Aufforderung nicht, Holz nachzulegen. Ich stand nur da wie ein Gefangener, der genau weiß, welches Schicksal ihn erwartet. Daher merkte ich erst, dass Cathbad mich direkt angesprochen hatte, als sich Schweigen zwischen uns ausbreitete. “W-was?“ fragte ich mit einem leichten Kopfschütteln nach. Ich wollte es eigentlich gar nicht wissen, gar nicht hören. Nichts von alledem.
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Falke
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12-06-2024, 03:41 PM,
Beitrag #113
RE: Falkenhöhle
"Du musst Calum persönlich nichts antun, wenn du nicht möchtest“, wiederholte Cathbad mit jenem merkwürdigen Langmut, den er dem rothaarigen Falken an jenem Tag bewies:

"Lass das die Brüder erledigen. Und wenn sie fertig sind mit ihrer Rache, habe ich eine Aufgabe für dich. Eine einzige nur, denn du bist der beste Krieger unter den Falken und deine Pfeile und deine Axt gehen nicht fehl. Keiner wird unnötig leiden müssen. Aber Du töte sie danach alle!“

Cathbads Lippen verzogen sich in grausigem Triumph:

"Du hörst richtig! Töte sie, einen nach dem anderen. Die Falken nützen mir nichts mehr. König Cahir und seine Briganten werden den Krieg weiterführen und Rom besiegen. Er hat mir durch sein Opfer gezeigt, dass er den Göttern viel ergebener ist als ihr es je wart. Ich habe gesehen, dass das Imperium fällt, und es wird geschehen, aber die Falken sind kein Teil jener neuen Welt“

Ihm ergeben meinte er. Sein Leib war hinfällig, und auch wenn er hätte die Falken vergiften lassen können, an Ciaran traute er sich nicht heran. Die Magie der Zwillinge  fürchtete er besonders:


" Dein Lohn, Louarn ?! Du wärst frei. Du würdest leben. Wenn du willst, ernenne ich dich zu meinem Stellvertreter im Rat der Druiden. Nach meinem Tod – und der ist in meinem Alter niemals fern – würdest du die Druiden von Albion anführen, du alleine, Fuchs“

Von der Prophezeiung, die Louarn betraf und der wahre Grund war, warum Cathbad Louarn am Leben ließ, verriet er ihm kein Sterbenswörtchen. Er bot ihm jedoch etwas Fürchterliches an: Die Möglichkeit, keine Marionette mehr zu sein, sondern ein Marionettenspieler:

"Wenn du aber zu feige bist, deinem Vater zu gehorchen und den Willen der Götter zu tun, so habe ich meine Hunde, die mir ergeben sind wie die Hunde dem Herren der Toten, und sie werden jeden einzelnen Falken gewiss zu Tode hetzen,  ganz gleich wohin er auch flieht“
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12-07-2024, 11:53 AM,
Beitrag #114
RE: Falkenhöhle
Frei? Irgendwas in mir wollte anfangen, hysterisch zu lachen, wurde aber von dem Entsetzen erstickt, das sich in mir ausgebreitet hatte. Ich wäre nicht frei. Ich wäre der Mörder meiner Brüder, und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass Cathbad mich auch töten würde. Nicht, dass ich nach so einer Tat würde leben wollen, aber trotzdem wusste ich, dass das eine Lüge war.
Dass Cathbad uns alle einfach nur umbringen wollte, riss mir den Boden unter den Füßen. All die Jahre, die wir nur gelernt und für seine Rache gelebt hatten, die wir nie gelebt hatten, waren vollkommen bedeutungslos. Wie oft er uns gesagt hatte, dass unser einziger Lebenszweck nur die Rache an Rom wäre, und jetzt war es nicht einmal das? Wir sollten einfach so sterben, weil er uns mit irgendeinem Fanatiker im Norden ersetzt hatte? Warum überraschte mich das? Ich hätte es wissen müssen.

Aber was mich wirklich fertig machte, war seine Drohung, meine Brüder umzubringen, wenn ich es nicht tat. Sie alle. Es war nicht so, als hätte ich mit Ciaran und Cinead ein enges Verhältnis gehabt, Ciaran war unheimlich wie sonst noch was, aber ich hatte doch trotzdem mich immer auf sie verlassen können. Und Alun, obwohl er so wahnsinnig römisch geworden war zuletzt, war doch trotzdem auch immer mein kleiner Bruder, der mit sich selbst haderte. Fintan… war eine verdammte Nervensäge, und ich sagte oft, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn er sterben würde, aber das hieß nicht, dass ich ihn umbringen wollte. Und Calum,,, Calum…
Ich schloss die Augen und sah sie alle vor mir, wie wir als Kinder waren. Diese traurigen, entsetzten Augen, als man uns sieben zusammengepfercht hatte, wie sie noch den Tod ihrer Mütter vor Augen hatten und nicht verstanden, was gerade geschehen war. Und wie ich an diesem Tag beschlossen hatte, dass ich ihr großer Bruder sein würde, weil ich schon zwei Jahre mit Cathbad überlebt hatte. Dass ich sie beschützen würde.

Ich öffnete die Augen, und Cathbad stand vor mir. Ich schaute auf ihn herunter. Keine Ahnung, ob er noch etwas gesagt hatte oder warum er mich so ansah. Alles, was ich sah, war das verkrüppelte Kind, das er erwürgt hatte, und die schwarzen Schatten mit dem Kohlenlächeln. Und die Gesichter meiner Brüder mit ihren großen, angsterfüllten Augen.

Ich zog Cathbad in meiner Arme und hielt ihn fest. Ich drückte ihn ganz fest an mich. Er war mir immer so riesig vorgekommen, aber jetzt im Moment war ich größer als er und konnte ihn festhalten, damit er meinen Brüdern nicht weh tun konnte. “Ich liebe meine Brüder. Ich liebe Calum. Ich will ihnen nicht weh tun“, sagte ich mit leerem Blick in die Dunkelheit vor mir, murmelte es immer wieder, während sich meine Armmuskeln spannten und ich Cathbad festhielt, damit er ihnen nicht weh tat.
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12-08-2024, 06:13 PM,
Beitrag #115
RE: Falkenhöhle
Cathbad erstickte. 
Sein Körper war wie ein dürres Blatt, welches, wenn man es vom Boden aufhob, zwischen zwei Fingern zerrieselte. Er konnte sich nicht aus Louarns Umklammerung befreien, der ihn einfach nur festhielt, so sehr er sich wehrte und aufbäumte, und allmählich stellte er das Atmen ein. Einen letzten Gedanken mit seinem letzten Atemzug  hatte der Druide für seinen Mörder, den er absendete wie einen vergifteten Pfeil, ohne zu wissen, ob er seinen Empfänger je erreichen würde. 

Gwyneth hat dich behalten wollen.... ich hätte euch beide zugleich umbringen sollen, als ich die Gelegenheit hatte....

Die Silurerprinzessin hatte sich in Cathbads Plan, der vorsah, dass die Priesterinnen heldenhaft ob ihrer Schande in den Tod springen sollten, nicht fügen wollen. Sie liebte das hilflose Neugeborene, das man ihr in die Arme legte, auch wenn sein Erzeuger ihr bitteres Unrecht angetan hatte, als ihren Sohn....

Aber das war Vergangenheit.

Cathbad, der Erste im Rat der Druiden, der selbsternannte Merlin von Albion, der die Falken geschaffen hatte und sie kaum zwanzig Jahre später wieder zerstören wollte, als seien sie keine jungen Männer mit eigenem Willen, sondern bloße Dinge, die ihm gehörten, starb jetzt.

Der Leib des alten Druiden wurde schlaff. Sein Mund war halbgeöffnet und die Augen waren geöffnet, wenn auch erloschen.  Er wog kaum noch etwas, als hätte er schon längst nicht mehr in diese Welt gehört.

*

Die Anderswelt war nicht, was Cathbad sich vorgestellt hatte. Er traf weder auf eine Apfelinsel noch auf ein Land der Ewigen Jugend, er sah kein reines Albion, vom römischen Joch befreit, glänzend wie neugefallener Schnee im Schein der Sonne liegen. Da waren auch keine Götter, kein Silberrad, kein Lebensbaum und keine Wiedergeburt.

Nur ein gesichtsloses Jenseits war dort und die stummen Anklagen aller seiner Toten.
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12-08-2024, 07:20 PM,
Beitrag #116
RE: Falkenhöhle
Das Blut rauschte in meinen Ohren wie ein Wasserfall. Ich hörte gar nichts, nur das. Nicht einmal meine eigene stimme. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich noch redete oder ob Cathbad etwas sagte oder nicht. Das erste, was ich wieder hörte, war dieses KNACKEN, das alle anderen Geräusche schluckte und nur absolute Stille zurückließ.
Erschrocken öffnete ich die Arme und wich einen Schritt zurück. Ich musste die Luft angehalten haben, denn jetzt gerade forderte meine Lunge sie in schnellen Atemzügen doppelt ein und mein Herz hämmerte mir so sehr gegen die Brust, dass es schmerzte. Mein Blick war angstvoll geweitet und auf dieses Bündel geheftet, das vor mir auf dem Boden lag. Es war so… klein, und zerbrechlich. Nicht mehr schrecklich. Angsteinflößend. Bedrohlich. Todbringend. Mächtig. Nur noch ein kleiner, verdrehter Haufen, in einen Umhang gehüllt, an dem hier und da Blut getrocknet war.

Was hatte ich getan?! Wie konnte ich…? “Ich wollte das nicht!“ sagte ich, obwohl niemand hier war, der mich hätte hören können. Am liebsten wollte ich sagen Ich war das nicht, weil in meinem Kopf dieser Akt nicht mit meinem restlichen Leben auch nur irgendwie zusammenpassen wollte. Das konnte eigentlich nicht möglich sein. Aber es war möglich. Und ich war es. Ich hatte das getan. Ich war schuldig.
“Es tut mir leid!“ war das einzige, was ich noch als zusammenhängenden Gedanken formulieren konnte, ehe ich rückwärts stolperte und dann aus der Höhle flüchtete.

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Falke
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12-09-2024, 12:39 AM,
Beitrag #117
RE: Falkenhöhle
Wo waren sie alle?
Fintan, der dank Calum und diesem Kurtisan in Cheddar eine Bleibe und eine Lehre gefunden hatte, fragte sich immerzu, wie lang es dauern würde. Bis ihn Cathbad fortrief, seine Brüder wieder Arbeit erwartete. Ihre letzte Versammlung hatte die Kluft nur weiter aufgerissen. Calum hatte sie mehr oder weniger verlassen. Er hatte ihn gesehen. Mit seinem sauberen Römergewand. Aber er war immer noch Calum.
Hin und wieder zog es Fintan hierher zurück, an den Ort, den er fürchtete. Nicht vor Cathbad. Der Druide hatte keine Gewalt über ihn, denn seine Mutter hatte ihm einen eigenen Auftrag gegeben. Sie hatte das Band des Jungen zu dem alten hageren Gespenst durchtrennt und seine Seele vor dessen kalten Klauen gerettet.
Doch seine Brüder, die fürchtete Fintan. Seine Ahnungslosigkeit hatte sie von ihm fortgetrieben. Und nun wusste er nicht, was er sagen konnte. Alun vielleicht, ja. Und Calum, er hörte zu, wenn er auch argwöhnisch war und vermutlich nicht glaubte, dass er es ernst meinte.
Die Zwillinge? Die interessierten sich kaum für weltliche Belange. Ihr Band zu ihren Brüdern war nur schwach und wer vernünftig war, der fürchtete das Chaos ihrer Seelen.
Er wartete immer noch auf die Gelegenheit, mit ihnen allen zu sprechen. Sich zu erklären, auch wenn dies der denkbar schlechteste Ort war. Hier, wo Cathbads Augen auf ihnen ruhten... Augen voller Kälte.
Augen voller Kälte. Tote Augen.
Fintan hielt den Atem an. Banale Endgültigkeit war es, die ihn erwartete. Klein, zusammengeschrumpelt und erbärmlich war der knöcherne Leib in seinen Roben. Nicht in Flammen aufgegangen oder erfüllt von göttlichem Licht aus Weisheit und Erkenntnis.
Das Herz des Falken klopfte, flatterte wie ein junger Vogel, als er auf das hinabblickte, was einmal Cathbad gewesen war. Geachtet und gefürchtet. Ein Monster jedoch, versteckt im Körper eines Mannes. Seine Hülle war nur noch Haut und Knochen. Und er lag schon eine Weile hier.
'Calum', dachte Fintan alarmiert. Er hatte es ihrem sanftmütigsten Bruder nicht zugetraut. Doch der Kampf Calums gegen das Schicksal war offenkundig gewesen. Sie alle hatten seine Drohung gehört. Doch... nein. Keine Wunden. Fintan untersuchte Cathbad, so nah er sich an den Alten herantraute. Ganz als ob er wieder aufspringen und ihn fressen könne.
Die Haut war an einigen Stellen bläulich verfärbt. Und da und dort, kleine Punkte von Rot im Gesicht.
"Du bist erstickt, alter Mann", hauchte er leise, beinahe beeindruckt. So klapprig der Druide auch gewesen war, Calum hätte dies nicht fertiggebracht. "Dann war es... Ciaran? Beide Zwillinge?" Doch hätte Ciaran ihn nicht eher vergiftet? Scheinbar hatte er unterschätzt, wie sehr der Alte den verrückten Zwilling genervt hatte. Jemand anders wollte Fintan nicht in den Sinn kommen.
Doch was sollte er nun tun? Den Alten begraben? Ihm die alten Riten zukommen zu lassen? Obwohl er ein schlechter Schüler gewesen war, wusste er, was er tun musste.
Aber etwas hielt ihn zurück. Er konnte es. Aber er WOLLTE nicht... Wollte den Alten nicht bestatten.
"Calum hat dir nicht gehört", flüsterte Fintan, voller Abneigung, aber auch voller Faszination und Ehrfurcht, "Ich habe dir nicht gehört. Und wer immer dir das angetan hat, er hat dir auch nicht gehört... Armer Dunduvan. Du hast ihm alles bedeutet. Doch du hast ihn nie geliebt. Keinen von uns, nicht wahr? Was waren deine letzten Worte? Was hat dein Schicksal besiegelt? Hast du gedroht? Ihn bespuckt? Oder hast du Süßholz geraspelt?"
Natürlich würde der Druide verschwinden müssen. Unauffällig, wie Fintan nun erkannte. Verschwand Cathbad in der Wildnis, so war dies egal. Doch er hatte seine verborgenen Freunde. Und bekamen sie den Eindruck, seine Söhne hätten ihn ermordet, so würde sein Zorn die Falken auch nach seinem Tod noch treffen. Und Fintan, dem die Aufgabe zufiel, ihre Seelen zu beschützen, musste das verhindern.
"Na komm, du alte Krähe. Suchen wir dir ein schönes Loch zum drin schlafen..."
Während Fintan sich nach etwas umsah, das er zu einer Art Trage umbauen konnte, atmete er langsam ein und aus. Sein Herz pochte nun schmerzhaft gegen seine Brust, als eine Erkenntnis ihn erfüllte.
"Ich bin frei", flüsterte er in die Stille der Höhle und des Waldes. "Wir sind frei, meine Brüder..."
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Falke
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