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Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
09-29-2024, 11:22 AM,
Beitrag #11
RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Während wir weiter voranschritten, verfolgte ich aufmerksam Plautius Leanders Worten. Obwohl er sich bemühte, höflich zu sein, trafen mich seine Aussagen tiefer, als  ich erwartet hatte. Unverantwortlich – ja das traf es wohl am ehesten.  Mein Vater, der mir selten etwas verwehren konnte, hatte unverantwortlich gehandelt. Nicht nur weil er mich alleine gelassen hatte. Auch weil er mich gegen den Willen meiner Mutter mit nach Britannien genommen hatte, nur weil ich ihm damit in den Ohren gelegen hatte. Ein flüchtiges Lächeln huschte über mein Gesicht, doch meine Augen spiegelten die Unsicherheit wider, die in meinem Inneren aufstieg.

"Es stimmt," begann ich leise mitkontrollierter Stimme, doch etwas härter als zuvor, "es ist nicht das erste Mal, dass mein Vater auf eine Expedition aufgebrochen ist. Ich wusste das, als ich ihn letztes Jahr angefleht hatte, ihn nach Britannien begleiten zu dürfen. Doch nun weiß ich, dass das ein Fehler war."

Mit einem betrübten Blick hielt ich inne und betrachtete den Plautius. Seine Worte waren gut gemeint, das konnte ich sehen, aber sie hatten auch einen Unterton von Bevormundung, der mich unruhig machte. Die Vorstellung, dass ein völlig Fremder mein Vormund sein sollte – jemand, der für mich nun alle Entscheidungen traf und der nicht einmal mit mir verwandt war, widerstrebte mir sehr.
"Ich bin dir sehr dankbar, dass du so sehr um mich besorgt bist," fuhr ich fort, "doch die Vorstellung, dass ein Fremder nun meine Angelegenheiten regeln soll, macht mir Angst. Was, wenn er Entscheidungen trifft, die weder mein Vater noch ich gutheißen würde?" Die Momente, in denen man sich eingestehen musste, dass man einen großen Fehler begangen hatte, waren nie einfach und alles andere als angenehm. Entmutigt ließ ich den Kopf hängen. "Aber ja, meine Familie lebt im fernen Massilia. Es würde viel zu lange dauern, bis eine Nachricht hin und zurück gelangen könnte. Und ich kenne niemanden hier… außer dir. Vielleicht...." Ich stockte einen Moment, bevor ich weitersprach, "ist es das Beste, wenn du mit dem Duumvir sprichst." Ganz zerknittert hob ich wieder meinen Kopf und sah den Plautier an. "Wenn du meinst, dass das der richtige Weg ist, dann werde ich dir vertrauen."
[Bild: 3_15_08_22_9_37_19.png]
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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09-29-2024, 10:22 PM,
Beitrag #12
RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Leander bemerkte, dass sie etwas zögerlich reagierte. Natürlich nahm kein Mädchen es gut auf, wenn der Vater von einem fremden kritisiert wurde. Auch wenn sie mir mit Worten zustimmte, dass es von ihr offensichtlich ein Fehler war, nach Britannien ihm zu kommen, anstatt bei ihren Verwandten in Massilia zu bleiben.
“Ein Tutor kann keine Entscheidungen gegen dein Interesse oder deinen ausdrücklichen Willen beschließen, andernfalls könntest du gegen ihn Klage einreichen“, versuchte Leander die Bedenken der jungen Dame zu zerstreuen. Wobei rechtliche Themen hierfür seiner Erfahrung nach eher weniger geeignet waren,d a die meisten jungen Damen sie schlicht langweilig fanden. “Allerdings würde er dir ermöglichen, Geschäfte zu tätigen. Wenn dein Heim neue Sklaven benötigt, beispielsweise, oder ein Schuldner seine Zinsen nicht bezahlt, oder wenn du heiraten möchtest. Frauen allein sind nicht geschäftsfähig, sofern sie das Dreikindrecht nicht erlangt haben, und Sklaven sind es auch nicht. Jeder Händler auf dem Forum könnte sich weigern, mit deinem Haus Geschäfte zu tätigen, da kein Mann die Rechtmäßigkeit der Käufe bestätigen kann.“

Leander war zwar nicht so sicher, wie ehrlich sie es meinte, aber sie stimmte schließlich zu, dass er mit dem Duumvir sprechen konnte. Was gut war, denn, nun, es gänzlich gegen ihren Willen zu tun könnte jegliche weiteren interessen im Keim ersticken. Auch wenn er sich nicht ganz sicher war, ob ich in diese Richtung vorgehen sollte, denn sie schien mir für eine Ehe wirklich noch sehr jung zu sein und Leander war mir nicht sicher, ob sie der Aufgabe gewachsen wäre. Nach drei Wortwechseln war so etwas schwer zu beurteilen.
“wenn du erlaubst, würde ich dich besuchen, sobald ich mit dem Duumvirn gesprochen habe, und dich über die Ergebnisse in Kenntnis setzen?“ Ja, sich selbst einzuladen war nicht unbedingt subtil, aber es war eine Möglichkeit, sie näher kennen zu lernen und unter Umständen auch dann um ihre Meinung zu fragen, nachdem ihr Vater hierfür ja nicht zur Verfügung stand.
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10-03-2024, 11:18 AM,
Beitrag #13
RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Während Plautius Leander sprach, versuchte ich, alles zu verstehen, was er sagte. Dabei versuchte er  alle meine Bedenken zu zerstreuen. das konnte ich deutlich spüren. Er redete über rechtliche Dinge und Geschäfte, als wäre das etwas ganz Alltägliches, aber für mich war das alles neu, denn ich hatte mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich war eben noch nie in einer Situation gewesen, in der ich solche Entscheidungen treffen musste.
Ein Tutor würde mir helfen, hatte er gesagt. Das klang vernünftig, aber ich hatte immer noch Angst davor, die Kontrolle abzugeben, denn Papa hatte mir viele Freiheiten zugestanden. Doch als er erwähnte, dass ein Tutor nicht gegen meinen Willen handeln konnte und dass ich im Notfall sogar klagen könnte, fühlte ich mich ein wenig besser. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.

"Ich verstehe," murmelte ich schließlich. "Wenn ein Tutor mir wirklich hilft, dann ist das wohl das Beste." Meine Stimme war leise, aber ich meinte es ehrlich. Ich konnte nicht einfach alles ignorieren, nur weil ich Angst hatte. "Ich möchte nicht, dass unser Haus Schwierigkeiten hat, nur weil ich keine Unterstützung habe."

Als der Plautius dann vorschlug, mich zu besuchen, nachdem er mit dem Duumvir gesprochen hatte, fühlte ich mich unsicher. Es war irgendwie seltsam, dass er sich selbst einlud, aber gleichzeitig war ich froh, dass er mir helfen wollte. "Ja, das wäre gut," antwortete ich schließlich und versuchte, ruhig zu bleiben. "Es wäre schön, wenn du mir Bescheid gibst, was der Duumvir entscheidet," meinte ich und versuchte dabei erwachsen zu klingen.
Es war alles so viel auf einmal, und ich hatte das Gefühl, nicht alles zu verstehen. Aber Leander schien es ernst zu meinen, und vielleicht… vielleicht konnte ich ihm wirklich vertrauen.

Inzwischen waren wir in die Via Orientalis eingebogen. Es waren nur noch wenige Schritte bis zur Casa Norbana. "Da, das ist unser Haus!" rief ich und wies mit meiner rechten Hand in die Richtung meines Heims.
[Bild: 3_15_08_22_9_37_19.png]
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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10-05-2024, 04:50 PM,
Beitrag #14
RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Als Anwalt erlebte man es selten und als ehemaliger Sklave eines Anwalts noch viel seltener, aber selbst Leander wusste, dass Euphorie anders aussah. Aber gut, das war vermutlich auch nicht zu erwarten gewesen. Immerhin hatte sie keine Einwände und akzeptierte sogar einen weiteren Besuch seiner Person, was Leander schon als guten Schritt betrachtete. Ein zweites Treffen hatte es bei ihm bislang noch nicht mit einer Dame gegeben, entweder weil sie ihn nicht wiedersehen hatte wollen, oder er sie nicht. Von daher war das hier jetzt Fortschritt.

“Ich danke dir für die Ehre, dich Heim geleiten zu dürfen, werte Norbana Orestilla. Ich werde einen Boten vorbeischicken, wenn ich näheres weiß, damit du die Zeit einräumen kannst, mich zu empfangen. Es war mir ein außerordentliches Vergnügen“ verabschiedete sich Leander also von der jungen Dame und wartete noch höflich, bis sie in ihrem Haus verschwunden war, ehe er seinen Weg fortsetzte und sich für den nächsten Tag vornahm, mit dem Duumvirn zu sprechen.
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