Forum

[Flavianus Pytheas]

Flavianus Pytheas zuckte mit den Schultern: "So ist das bei den Römern. Du als Erbe bist dazu da, die Blutlinie der Gens fortzusetzen", sagte er leise. Gleichzeitig zerfloss er fast vor Mitleid. Die Plautier kündigten an,  Atreus eine Braut aussuchen wollen. Wenn sie dumm oder hässlich war, machte das nichts, und wenn er sie einmal vor der Hochzeit sprechen konnte, war das viel. Welch schreckliche Vorstellung.
Dann aber kam dem Medicus ein Gedanke. Jetzt vor den Plautiern ging das schlecht, doch hinterher würde er ihn mit seinem Mann teilen:

Sag ihnen, dass Du nicht mehr zu Caesars Zeiten lebst. Du bist noch jung und sehr modern. Du willst dir das Mädchen selber aussuchen, und auch zuvor kennen lernen. Eine Ehe sollte nicht leichtfertig geschlossen werden...

So würden sie beide Zeit gewinnen. Das Gesetz schrieb erst eine Ehe vor, wenn man fünfundzwanzig war. Und wenn man suchte, würde sich vielleicht Jahre später eine junge Dame finden, die zu einer Scheinehe bereit war. Kinder konnte man auch adoptieren, so wie man Calum gerade adoptieren wollte.

"Atreus ist solch ein schöner Cognomen"  Atreus war zwar griechisch und nicht lateinisch, doch er hatte eine tiefere Bedeutung, nämlich: furchtlos. Außerdem war es der Name, unter dem Pytheas Calum kennengelernt hatte. 

Pytheas hoffte, dass Atreus diesen Namen behalten würde. Calum würde mit Familiennamen Plautius heißen, aber nicht etwa Ursus oder Marcus wie sein Erzeuger. Und er würde ein Plautius einer ganz anderen Sorte werden: weder Phlegmatiker noch Bösewicht.

[Aulus Plautius Montanus]

Der dicke Plautier konnte zusehen, wie der junge Atreus unter dem Ansturm der Oma sichtlich einging, also wollte er ein Einsehen mit dem jungen Kerl haben und intervenierte. "Mutter, der arme Atreus wird ja ganz von dir zerknautscht. Wir können die Details bestimmt auch später noch regeln, nicht wahr, Atreus?" Gemütlich ließ sich der lümmelnde Berg den Becher von Nike wieder auffüllen, ehe seine Mutter ein wenig enttäuscht nickte, aber auch nicht direkt aufgab. Nur die Hand des jungen Atreus ließ sie ein wenig lockerer, damit diese nicht mehr so gequetscht wurden. 

"Nun gut, aber ich werde trotzdem Vorbereitungen treffen und einige Matronen mit ihren Töchtern einladen. Bis die hier sind, damit man über eventuelle Hochzeiten sprechen kann, werden ohnehin einige Monate ins Land ziehen. Du wirst schon sehen, dass sie dir direkt dein Herz stehlen werden, Enkel" sprach die ältliche Matrone vergnügt, denn ihre Großcousine Fulvia Prima, die einen der Valerier geheiratet hatte, hatte sie auf dem Weg hierher in Germania getroffen und deren Tochter Valeria Aquilina war nun achtzehn Jahre alt und bildhübsch mit ihrem rabenschwarzen Haar. "Das Junggesellendasein macht einen sowieso nur faul und träge" setzte Livia Diademata noch mit einem Seitenhieb an ihren enttäuschenden jüngeren Sohn hinterher. 

"Du kannst ja gerne nach heiratswilligen Damen schicken, Mutter. Das Schreiben von Briefen dauert ja auch immer so lange. Warum beginnst du nicht gleich damit, so lange du noch gutes Licht hast?" Der Tonfall machte deutlich, dass der Rest unter Männern besprochen wurde. Diademata hatte verstanden, dass das Gespräch hiermit für sie beendet war und rauschte ein wenig genervt nach einer kurzen Verabschiedung und eine kleinen Umarmung für ihren Enkel in einer Wolke Lavendelduft davon. 

Als sie außer Hörweite war, atmete Montanus hörbar aus. "Mütter bleiben eben immer Mütter" sprach der Dicke mit Schalk in den Augen und einem Lächeln. "Ich würde dir raten, dass du deine Großmutter einfach gewähren lässt. Irgendwann verliert sie das Interesse an dem Projekt, Atreus." Der Ritter schob sich noch ein paar Weintrauben in die Luke, ehe er die Schale damit demonstrativ in Richtung seiner Gäste schob und weitersprach. 

"Der Name ist allerdings ein Problem...Plautier unseres illustren Zweiges tragen keine griechischen Cognomen. Die einzigen Leute mit griechischen Namen, die du bei uns finden wirst, sind Sklaven und Freigelassene." Der nicht ganz so "illustre" Zweig der Gens wohnte in der Casa Plautia, die weitaus bescheidener als diese Villa war. Der Ritter sprach es nicht direkt aus, aber die Bedeutung war klar. Wenn Atreus ein Plautier dieses Zweiges werden wollte, dann musste er auf einen griechischen Cognomen verzichten. Abwartend, ob Atreus es sich doch noch mal überlegen würde, knabberte der Dicke noch ein wenig an seinen Snacks.

[Calum]

Calum spürte wie seine Muskeln sich verkrampften. Seine Großmutter, eben noch so lieb und mitleiderregend, wurde nun zu einer furchterregenden Matrone, die ihn um Leib und Leben fürchten ließ. Mädchen wollte sie einladen!
Entgeistert blickte er ihr nach und registrierte nur am Rande, dass der dicke Plautier die Gefahr relativierte - sie würde schon bald aufgeben. Das konnte man ja nur hoffen. Wieso konnten diese gierigen Schweine nicht zufrieden sein, dass er zurückgekehrt war? Wenigstens eine Weile? Eben noch war sie so erregt gewesen, ihn lebend wiederzusehen und nun wollte sie ihn gleich verheiraten!?

Calum musste sich setzen. Gab es denn in seinem Leben nichts Schönes? Gab es nur die Wahl zwischen Cathbad und Oma Plautius? Mit einem Mal ergriff ihn eine schreckliche existenzielle Angst. Mehr denn je wollte er einfach weglaufen. Aber das ging nicht. Einen gab es ja noch, der ihn liebte, ihn ernst nahm.
Nur am Rande bemerkte er die Diskussion über seinen Namen.
"Ich... Ich mag 'Atreus'", murmelte er leise. Er hatte ihn sich selbst ausgesucht. Doch, dachte er, war es im Grunde nicht gleich? Es war ja nicht sein echter Name. 'Calum', welcher nicht sein Geburtsname war, doch der sein Wesen beschrieb. Er hatte sich den Namen ausgesucht, weil Dunduvan es ebenso gemacht hatte. Er hatte sich Deimos genannt. Calum hatte einen völlig gegenteiligen Namen gewählt. Einen Namen, der ihn von jenem distanzierte, den seine Mutter ihm gegeben hatte, die ihn hasste.
"Welchen... Welchen Namen würdest du mir denn geben?", fragte er schließlich.

[Aulus Plautius Montanus]

Der Tag entwickelte sich doch besser als erwartet. Der Dicke hatte schon fast damit gerechnet, dass sein Neffe wieder davonstürmen würde so wie beim letzten Mal, aber dieses Mal schien er doch einzuknicken und hier zu bleiben. Dann konnte man sich auch direkt um Wichtiges kümmern. "Nun, mein lieber Verwandter...einen Namen zu wählen ist sehr wichtig bei so einer Angelegenheit." Der Ritter legte sich einen Finger auf die Lippen und schien schwer nachzudenken. 

"Als Praenomen wählen wir natürlich Titus für den Kaiser..." Das musste man ja nicht weiter ausführen, denn in diesem Jahre würde es viele Babys mit dem Praenomen Titus geben, wie das bei einem Herrscherwechsel oft geschah. "Dann natürlich Plautius und dann fehlt nur noch das Cognomen....hm..." Der Ritter warf einen Blick zu seiner Leibdienerin Nike, die ihm aktuell kühle Luft zufächelte. "Was sagst du, reizende Nike? Was hältst du von unserem furchtlosen Atreus?" 

Die schöne Nike, die damals schon beim ersten Aufeinandertreffen des Plautiers mit seinem Neffen, den jungen Atreus in die Villa gebracht hatte, musterte den jungen Mann unverhohlen. "Wie wäre es denn mit Titus Plautius Sagitta oder Felix...schließlich muss ihn ein glücklicher Stern hierher geführt haben und schnell und gerade wie ein Pfeil ist er diesem gefolgt, Dominus." Der Dicke klatschte vergnügt in die Hände. "Wundervolle Vorschläge, Nike. Wie wäre es denn mit Titus Plautius Faustus oder vielleicht Quirinus?" 

Der Schalk glitzerte wie immer in den Augen des Ritters, dem im Gegensatz zu seiner Mutter nicht entgangen war, dass der junge Atreus wohl lieber fest den Speer in der Hand hielt als sich etwas aus der Damenwelt zu machen. "Schließlich ist es ja fast ein Zeichen der Götter, dass unsere Gens einen verlorenen Sohn wiedergefunden hat. Was für ein Glück! Aber vielleicht hat ja unser griechischer Freund Flavianus noch eine gute Idee?" Der Plautier prostete dem Medicus mit seinem Becher zu in seiner vergnüglichen Manier.

[Flavianus Pytheas]

Pytheas lächelte einen Moment, weil die Sklavin Nike so eifrig dabei war, Cognomen vorzuschlagen. Er hatte Sympathie für Sklaven. Das sie Calum offensichtlich anhimmelte, konnte er nachvollziehen; er tat es schließlich auch. Da er direkt angesprochen wurde, antwortete er :
"Die Gens Plautia hat eine ruhmreiche Vergangenheit, edler Ritter Montanus. Warum für deinen Sohn nicht ein Cognomen von einem der berühmten Vorväter....", wenn man Jahrhunderte weit zurückging, kam man auch keinen erst kürzlich verstorbenen oder noch lebenden Familienmitgliedern ins Gehege, und der Medicus konnte sich gut vorstellen, dass Atreus nicht heißen wollte wie jemand der aktuellen Generation:
" wählen? Sind Venox und Proculus nicht Beinamen deiner Gens?"
Venox hatte eine ähnliche Bedeutung wie Atreus, und Proculus wurden Kinder genannt, die auf die Welt kamen, während ihr Vater weit weg war. Auch dieser Name schien Pytheas passend. In jeder Hinsicht weiter weg als jener Vater von Atreus konnte keiner gewesen sein.

[Aulus Plautius Montanus]

Wie nicht anders zu erwarten war die Namenswahl des Flavianus eher bieder, altmodisch und schmeichlerisch. Freigelassene waren nunmal Klienten durch und durch. Ich konnte mir so altbackene Namen bei dem jungen Kerl an seiner Seite nicht wirklich vorstellen, aber ich schmunzelte trotzdem. "Eine ausgezeichnete Wahl, Flavianus - aber vielleicht etwas junges und spritziges würde doch besser zu unserem Atreus passen."

Der dicke Ritter überlegte einen Moment, ehe er ein paar Namen in seinem Geiste durchging und diese kategorisch als zu altbacken ausschloss. Doch es war Nike, die erneut das Wort ergriff. Montanus gefiel dies an Nike, da er zu unterwürfige und kriecherische Sklaven nicht gut leiden konnte. Sie war nicht umsonst seine liebste Leibdienerin. "Vielleicht würde Atreus gerne Restitutus heißen, denn sein Kommen wird sicherlich für Aufschwung und Erneuerung sorgen, Dominus."

Montanus nickte vergnügt, da sich diese Namenswahl schon fast zu einem unterhaltsamen Spiel entwickelte und Langeweile mochte der Ritter nicht gerne. "Oder wie wäre es denn mit Optatus...immerhin wünschen wir uns doch sehr einen so patenten jungen Mann wie unseren Atreus hier." Er prostete dem Objekt der Diskussion zu und leerte dann seinen Becher verdünnten Weins. "Was sagst du, Atreus. Lieber einen Traditionsnamen oder doch etwas Moderneres und Modisches?"

[Calum]

Das Hin und Her zu seinem Namen ging Calum auf den Zeiger. Montanus hatte eindeutig zu viel Spaß an der Sache, doch der rebellische junge Neuzugang hielt sich zurück. Das hier war nötig. Er musste sich da nur durchbeißen.
"Ich hätte einen Vorschlag", sagte Calum bestimmt und wünschte sich, dass das Finden neuer hässlicher Namen damit ein Ende hatte. Er blickte hin und her zwischen den beiden. "Ich, also... Ich würde gern Caelus heißen. Spricht etwas dagegen, Onkel?"
Caelus, ein Wort für Himmel. Und obgleich er sich nur so anhörte wie sein eigentlicher, sein echter Name, waren sie nicht verwandt. Doch der Himmel war die Heimat der Vögel und daher auch der Tauben. Er fand es passend.
Natürlich ging der Name nicht durch, da er einen römischen Gott beschrieb, weshalb er, das wusste Calum allerdings noch nicht, auf Caelinus abgehändert würde müssen. Erwartungsvoll begegnete er dem Blick seines Onkels.

[Flavianus Pytheas]

Und Pytheas? Über sein Gesicht huschte jenes kaum merkbares Lächeln, mit dem er gelernt hatte, seine Belustigung zu verbergen. 
Wenn er sich die ganze Zeit Sorgen um seinen Calum gemacht hatte - sie verschwanden wie Schnee in der Sonne. Atreus war den Römern gewachsen. Er ließ sich nicht einschüchtern von Glanz und Gloria. Er ließ sich nicht hetzen. Bedächtig wählte er.

Und Caelus oder Caelinus, der Himmlische, das passte gut. Atreus war nämlich in Pytheas Augen durchaus himmlisch - sein Aussehen, seine liebe Art, im Bett, an Pytheas Seite und in jeder Hinsicht. Pytheas hätte für seinen Mann keinen anderen Namen wählen wollen. Die Sperberaugen des Medicus glitzerten. Aber natürlich kommentierte er nichts. Wenn Calum zu ihm hinsehen würde, so würde er seinem Blick begegnen. 
Nun war es jedoch am Pater Familias der Plautier, eine Entscheidung zu treffen.

[Aulus Plautius Montanus]

Der Ritter legte ein wenig den Kopf schief und schaute von Calum zu Pytheas und zu Nike und alle schienen recht begeistert von dem Namen zu sein, gäbe es da nicht ein klitzekleines Problemchen. Caelus war ein Beiname Iuppiters und schon ein wenig vermessen sich so zu nennen. Der Junge brauchte wirklich einen Tutor, der ihm ein wenig mehr über den Staatskult und dergleichen beibrachte. Die Provinz hier hatte ihn wahrscheinlich zu sehr durch sein britannisches Blut beeinflusst, was definitiv behoben werden musste. 

"Nunja, ich stimme zu, dass Caelus ein schöner Name ist und Titus Plautius Caelus schön von der Zunge rollt, aber er muss ein wenig abgewandelt werden. Der Himmel selbst wäre ein wenig vermessen - aber Caelinus klingt doch auch schön." Montanus klatschte voller Freude in die Hände, hob seinen Kelch und prostete dann noch einmal seinem Neffen zu. "Langes Leben, Gesundheit, Glück und Wohlstand für Titus Plautius Caelinus!" Auch die Sklaven, allen voran Nike, applaudierten dem jungen Mann zu und heute abend würden selbst die Diener feiern. 

"Gleich morgen können wir zu unseren Verwandten in die Domus Plautia hier in Iscalis gehen und uns rechtlich beraten lassen. Nike wird dir standesgemäße Kleidung bereit legen und ein Zimmer hier in der Villa einrichten, das du dann heute Nacht beziehen kannst. Brauchst du einen Wagen um dein Hab und Gut abholen zu lassen oder einige Sklaven? Dein Freund kann dich natürlich gerne begleiten und es steht dir frei ihn als Gast in der Villa willkommen zu heißen. Im Anschluss können wir auch noch etwas auf dem Heimweg auf dem Sklavenmarkt für dich einkaufen, damit du deinen persönlichen Leibdiener hast. Fühl dich ganz wie zu Hause, Caelinus." 

Nike hatte bereits eine Tabula in der Hand und notierte sich eifrig eine Liste an Dingen, die sie selbst oder von anderen Sklaven besorgen lassen würde. Der Kerl sah nicht sehr begütert aus oder als hätte er viel römisches Zeug. Er würde bestimmt eine ganze Garderobe, anständiges römisches Schuhwerk, Schmuck, etc benötigen. Für den Moment konnte man einige vorhandene Gewänder und Schuhe ein wenig anpassen. Das ging über Nacht und für die Zukunft würde die Leibdienerin des Plautiers eine Schneiderin oder einen Schneider mit der Fertigung neuer standesgemäßer Kleidung beauftragen.

[Calum]

"Dann also Caelinus", sagte Calum lächelnd und nickte. Damit kam er klar. Er würde Atreus vermissen. Doch er hatte so viele Namen, da störte es nicht, wenn Phyteas ihn weiterhin so nennen wollte. Er lächelte dem Griechen zu, während sein Onkel schon weitere Pläne schmiedete. Er war froh, dass sein Onkel ihm nicht den Umgang mit dem Libertus verbot. Weniger begeistert war er von der Vorstellung, einen Sklaven einzukaufen.
"Nun, eigentlich bin ich allein immer gut zurechtgekommen", sagte er. "Und Diener sind hier ja genug. Ich brauche wirklich keinen eigenen Sklaven. Ich will nicht herkommen und mit Geschenken überschüttet werden. Auf diese Weise will ich dich nicht ausnutzen."
Nun, er nutzte den Namen seiner Familie schon irgendwie, um Phyteas zu halten. Doch er wollte sich ja nicht bereichern oder so. Und Sklaven brauchte er nicht. Er war ohne aufgewachsen. Ohne Familie, Hilfe. Er kam zurecht. Und so war es ihm auch lieber.