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Niamhs Hütte
08-11-2024, 03:30 PM,
Beitrag #11
RE: Niamhs Hütte
Natürlich war niemand gekommen, um meine Anwesenheit mit mir zu besprechen. Ohne auch nur einen Hauch von Kritik wurde stillschweigend akzeptiert, dass ich jetzt hier wohnte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob die meisten Dorfbewohner es überhaupt mitbekommen hatten. Was daran liegen mochte, dass ich jetzt nicht so der gesellige Typ war, der irgendwas groß zur Dorfgemeinschaft beitragen wollte. Nein, ich blieb meistens für mich und interagierte nur dann, wenn es denn sein musste.

Und die Hütte an sich war gut. Sie war stabil und es regnete nirgends hinein. Und da war noch der Zauber. Ich studierte ihn eingehend, und ich war mir immer noch nicht sicher, wie Louarn ihn erschaffen hatte. Oh, ich war mir sicher, dass er es war, nicht nur, weil er den Anker dieses Zaubers für Monate mit sich herumgetragen hatte und gedacht hatte, niemand würde es bemerken. Die Energie, die davon ausging, trug ganz deutlich seine Spur.
Und es war zum verrückt werden, wie dieser riesige Idiot das geschafft haben sollte?! Je tiefer ich in die Struktur des Zaubers eindrang, umso komplexer und urtümlicher wurde er. Er griff tief in das alte Gewebe ein, in den ursprünglichen Teil, der existierte, noch ehe Götter und Helden erschaffen worden waren und das Leben sich erst formte aus eben dieser Magie. Aber er riss nicht gewaltvoll etwas daraus heraus, um es hier zu binden. Nein, überhaupt nicht. Es war fast so etwas wie ein leiser Gesang, ein Gebet, der es, nun, anlockte, aber gleichzeitig auch eben genau nicht anlockte und eben nicht festhielt. Es ergab keinen Sinn, und doch ergab es Sinn, und genau dieser Widerspruch bereitete mir nach einigen Tagen erhebliche Kopfschmerzen. Und das schlimmste war, ich konnte es nicht nachmachen! Es gab keinen Zauber, keinen Trank, kein Schicksal, das ich nicht mit etwas Studium zu reproduzieren im Stande war. Aber diese %§&/“! Schleife entzog sich mir. Ich verstand, wie es wirkte, woher seine Macht kam, aber ich konnte es nicht nachmachen! Und das war eine Sache, die zum ersten Mal in meinem ganzen Leben geschehen war und die mich halb wahnsinnig machte.
Jeden von Cathbads billigen Tricks konnte ich mühelos hervorbringen. Sogar besser als der alte Mann es je gekonnt hatte. Ich konnte es mühelos miteinander verbinden und weben, wie es mir gefiel. Das alte Lied der Priesterinnen unterwarf sich meinem Willen, ich konnte es aufrufen und fortsenden, wie ich es wollte. Die alten Zauber von Feuer und Stein, tief eingelassen in das Land, hatten mir ihre Geheimnisse offenbart und ließen sich von mir lenken, aufbrechen, mich die Wunder hinter dem Schleier sehen. Feenmagie, Formorimagie, römische, griechische, ägyptische Magie. Alles hatte ich gesehen, alles hatte sich mir schließlich offenbart, aber dieses EINE Ding, das so banal und einfach aussah, tat es nicht!

Und das kotzte mich wahnsinnig an.
Aber dennoch wagte ich nicht, den Zauber zu entfernen, da er vor allen dingen so… nützlich war. Er hielt quasi alle Dorfbewohner effektiv davon ab, mich zu besuchen, weil er jedem, der sich diesem Haus in böser Absicht näherte, den dringenden Wunsch eingab, doch besser woanders hinzugehen, und das ungute Gefühl, dass es keine gute Idee wäre, hier in dieser Hütte irgend etwas gewaltvolles oder auch nur unfreundliches gegen einen der Bewohner zu tun. Also selbst wenn ein Dorfbewohner mich hier hätte hinauswerfen wollen, wäre er einige Schritte noch vor der Türe zu dem Entschluss gekommen, dass das eine fürchterlich schlechte Idee war und mich in Ruhe zu lassen für ihn und seine Nachtruhe erheblich besser wäre.

Und so verbrachte ich meine Zeit hier in ziemlich frustrierter Ruhe. Die ersten Tage hatte ich mich nur mit dem Zauber beschäftigt. Dann hatte ich mir Ablenkung suchen müssen und war vier Tage weg gewesen, um mit erheblich besserer Laune, einem weitaus ruhigerem Geist und einem Reh, das für mehrere Tage Essen bot, zurückzukehren. (Interessanter Weise kam einige Zeit später die Nachricht aus einem nicht ganz so fernen Dorf, dass eine junge Frau vermisst wurde, die Jagen gegangen war, sich allerdings von ihren Brüdern getrennt hatte.)
Einen Teil des Rehs tauschte ich gegen Getreide und Gemüse ein, und ich brachte den Garten der Hütte in Ordnung. Viel zu viel Zeug, das einfach nur hübsch war, und zu wenig wirklich sinnvolle Kräuter. Das behob ich.
Dummerweise hatte ich kein Mittel dagegen, dass einige der Kinder mich sehr interessant fanden. Auch wenn das ihre Mütter regelmäßig dazu brachte, sie von mir wegzuziehen, wenn ich deren Fragen beantwortete, wenn sie an meiner Hütte vorbeikamen und sahen, wie ich im Garten arbeitete. Es stellte sich heraus, dass Fünfjährige wohl nicht so viel über Nachtschatten und Wolfsmilch, Eisenhut, Schierling und Fingerhut wissen sollten. Warum auch immer.


Und so war ich auch gerade in meinem jetzt viel wertvolleren Garten, als ich sah, wie der Schmied zu Deirdre ging und wenig später mit ihr allein und ohne Kinder in Richtung Wald verschwand. Ich grinste. Ich war mir nicht sicher, ob Deirdre schon mitbekommen hatte, dass ich hier gerade wohnte, aber ich war durchaus froh, dass sie jemand anderen hatte, der ihre Bedürfnisse befriedigen sollte. Denn ganz ehrlich, die Frau war anstrengender, als ich angenommen hatte bei unserer ersten Begegnung. Ich war mir nicht sicher, ob sie mit der männlichen Anatomie wirklich vertraut war und verstand, dass auch wir nach einem Akt Pause brauchten. Um ihren Appetit wirklich zu stillen würde man wohl vier Kerle benötigen, die sich immer abwechselten, und wahrscheinlich würden auch die eher schlapp machen als sie.
Von daher, nein, ich war nicht eifersüchtig. Ich überlegte nur, ob dies Einfluss auf meine Kinder haben würde, wenn dieser Kerl nun häufiger bei ihr wäre oder am Ende noch zu ihr ziehen würde, weil er selbst einen Haufen Kinder mit ihr machen würde. Vier fehlten ihr noch. Das wusste ich. Vielleicht war der Schmied der Vater von zumindest ein paar davon.
Nun, ich würde mich darum kümmern, sollte es zum Problem werden. Wie dass er meine Kinder zu irgendwelchem Unfug zu erziehen gedachte, oder meinte, sich einmischen zu dürfen, wenn ich sie mitnehmen würde.
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Falke
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09-16-2024, 08:12 PM,
Beitrag #12
RE: Niamhs Hütte
Ich lag auf dem Boden und war gerade in diesem angenehmen Zustand zwischen wachen und schlafen. Ich lag häufiger auf dem Boden denn in diesem Bett, was einfach zu weich war und mir den Rücken verdrehte, wenn ich darin lag. Das Bett einer Frau. Nett und weich und biegsam. Es verdrehte die gedanken und die Seele zu netten, weichen und biegsamen Dingen. Ich mochte das nicht. Es machte schwach. Man verlor den Blick auf die Welt und entfernte sich vom Schleier, ließ sich einlullen von der Musik der Welt und fing an zu träumen. Nicht die gute Art von Traum, die einen die Wahrheit und die Zukunft erkennen ließ, sondern diese ekelhaft süßliche Art, die einem vorlog, dass alles auf der Welt nett und weich und biegsam sein könnte und man selbst nett und weich und biegsam darin einen Platz hätte.

Igitt.

Nein, der Boden war ehrlich. Der Boden war nicht ungerecht und verführte einen nicht. Er war einfach nur. Weich und hart, trocken und nass, fruchtbar und unfruchtbar. Er scherte sich nicht darum. Er war. Das war mir lieber. Und meinem Rücken war es auch lieber.

Ich lag also da und meine Gedanken wanderten auf beiden Seiten des Schleiers in diesem angenehmen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit, als es klopfte. Ernsthaft, was sollte das? Ich ignorierte es. Doch dann hämmerte es und ich knurrte unwillig zurück.
Gefahr konnte mir nicht drohen, hier im Haus unter dem Schutz der uralten Magie, die Louarn gewoben hatte, obwohl er davon wahrscheinlich nichts wusste. Alles, was hier hämmerte, um mich zu verletzen, wäre schon vor etlichen Schritten auf die Idee gekommen, dass es eine blöde Idee wäre, bevor auch nur eine Fingerspitze die Tür berührt hätte. Und doch hämmerte es an dieser Tür und hörte auch nicht auf. Nein, es kam noch ein kläglich gewimmertes “Bitte!“ dazu.

Ich sammelte meine Wut tief in meinen Eingeweiden, als ich aufstand und die Tür aufriss. Die ganze Macht meiner dunklen Gaben floss aus mir in den Raum um mich herum, um jeden in die Flucht zu schlagen, der hier trotz all meiner Bemühungen hämmerte.
Es war ein Junge. Keine Ahnung, wie er hieß, es interessierte mich nicht. Er war höchstens acht und verheult und schaute mich mit riesigen Augen an, lief aber nicht gleich schreiend davon, obwohl ich ihn niederstarrte.
“Bitte, meine Ma… sie ist krank!“ jammerte er. Warum jammerte er mich damit voll?
“Und was interessiert mich das? Geh zur Gwrach!“ fauchte ich ihn an und war schon dabei, die Tür zuzuschlagen, als der Bengel rotzfrech – oder eher verzweifelt bis in die Knochen – seinen Fuß in die Tür stellte und sie festzuhalten versuchte.
“Sie ist nicht da. Sie ist in der Stadt bei den Römern.“
Ich sah den Jungen an. Aber nein, mich interessierte seine Mutter kein klitzekleines bisschen. “Das ist dann wohl Pech“, meinte ich und drückte wieder gegen die Tür, wo er dagegenhielt.
“Bitte! Ich weiß, du kannst ihr helfen! Du hast doch all diese Pflanzen und das alles! Bitte!“

Ich hatte wirklich keine Lust, irgendwem zu helfen oder mich von dem mitleidigen Gejaule eines Kindes zu irgendwas überreden zu lassen. Aber der Bengel machte genug Krach, dass meine mistigen, neugierigen Nachbarn anfingen, um die Ecke zu schauen, was hier passierte.
Ich tat also das einzige, was mir übrig blieb, packte den Jungen am Kragen und zog ihn zu mir rein und schloss die Tür.
Er heulte weiter und klammerte sich jetzt an mich. “Bitte! Sie hat Fieber und sie ist vorhin einfach umgefallen und sie redet wirres Zeug!“
Würde es nicht auffallen, wenn hier im Dorf ein Kind verschwinden würde, der Bengel würde nicht mehr weiterjammern. Ich überlegte ernsthaft, wer ihn wohl suchen würde und wie ich ihn verstecken könnte, kam aber zu dem Ergebnis, dass es auffällig bliebe. Wohl Glück für den Jungen.
Ich knurrte und überlegte weiter meine Optionen, während er mich vollheulte und jammerte und greinte, was bei seiner Mutter passiert war.
“Wenn ich mir deine Mutter ansehe, schwörst du, nie wieder auch nur in die Nähe dieses Hauses zu kommen und niemals auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, von niemandem?“ fauchte ich ihn schließlich an.
Er nickte eifrig und schwor alles.


Irgendwie wusste ich da schon, dass das nicht funktionieren würde.
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Falke
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09-29-2024, 11:21 AM,
Beitrag #13
RE: Niamhs Hütte
Natürlich funktionierte es nicht. Solche Dinge funktionierten nie.

Ich hatte der Frau ein paar Mittel eingeflößt und sie ins Bett gehievt, ihrem Sohn einen Beutel Kräuter für einen Aufguss in die Hand gedrückt und war schnellstmöglich und mit der Warnung, nie darüber zu reden, gegangen. Aber wie alle Dinge, über die man nie redete, verselbständigte sich das alles. Ich hätte einfach die ganze Familie umbringen sollen, das wäre vermutlich einfacher gewesen.

Aber am nächsten Tag fand ich Brot und Eier vor meiner Tür. Als Dank. Das hätte mir schon eine Warnung sein sollen.

Ein paar Tage später kam der erste. Den ich natürlich weg und zu der Gwrach schickte. Was sollte der Scheiß? Dafür war die alte Hexe da. Aber einen tag später stand schon ein anderer blutend auf meiner Türschwelle und hielt mir den Arm mit einem wirklich beachtlichen Schnitt darin hin. Retrospektiv hätte ich auch ihn besser verbluten lassen. Aber ich war zu fasziniert von dem Anblick von Blut und durchtrenntem Gewebe und wollte einfach auch wissen, ob ich das richten konnte, ohne dass der arme Trottel den Arm verlieren würde, und… naja, es war nicht meine klügste Entscheidung.

Mehr Körbe, mehr Brot, mehr Eier. Ein Huhn, geräucherter Speck. Ich überlegte, ob Flucht eine Option war. Aber ich hatte Cinead gesagt, ich wäre hier, und es war besser als die Höhle und ich musste mich nicht selber um etwas essbares kümmern. Und ich musste warten, bis meine Söhne alt genug waren, um mit ihnen wegzugehen.

Ich schickte trotzdem alle zur Gwrach, damit die sich mit eingewachsenen Nägeln, Ausschlag und Husten auseinander setzte. Daran hatte ich wirklich absolut keinerlei Interesse. Aber trotzdem stand immer wieder einmal jemand auf meiner Türschwelle und ging mir auf die Nerven.
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Falke
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