RE: Hortus
Mein Blick ruhte auf dem jungen Sklaven, der sich entschuldigend für das ungewollte Missgeschick äußerte. Ein Hauch von Mitleid und Verständnis zeigte sich in meinen Augen, als er sich nun in Selbstvorwürfen grämte. Ich schätzte seine Aufrichtigkeit und versuchte, die aufkeimende Unbehaglichkeit zu mildern.
"Es ist alles in Ordnung, Nefertem. Keine Sorge, das kriegen wir schon irgendwie hin", antwortete ich beruhigend und zwinkerte ihm aufmunternd zu.
Als Nefertem hörte, dass ich nach seinen Gedanken fragte, wie er sich die Statuen vorstellte, spiegelte sich leichte Verwirrung auf seinem Gesicht wider. Meine Worte hatten ihn offensichtlich überrascht. Ich setzte einen nachdenklichen Ausdruck auf und begann leicht zu nicken.
"Ich denke, dieser entrückte Gesichtsausdruck verleiht den Statuen eine gewisse zeitlose Eleganz. Es fängt die Schönheit des Moments ein und gibt den Skulpturen eine mystische Ausstrahlung."
Nefertems Blick schien während meiner Erklärung zu wandern, und ich konnte die Unsicherheit in seinen Augen erkennen. Doch plötzlich, als die Sonne ihre Strahlen auf sein Gesicht warf, verwandelte sich seine Unsicherheit in ein sanftes Lächeln. Das warme Licht verlieh ihm eine beinahe göttliche Aura, die mich beeindruckte. Als ich mich näherte, um ihn in die richtige Position zu bringen, ließ Nefertem die Berührung geschehen, und wir beide schienen eine künstlerische Symbiose einzugehen. Die Szene wirkte fast wie ein Gemälde, das die Harmonie zwischen Modell und Künstler einfing.
Doch plötzlich wurde der magische Moment durch die Ankunft von Nefertems Domina unterbrochen. Der Sklave grüßte sie respektvoll.
Ich hatte mir indessen die Papyrusrollen genauer angeschaut. Auch wenn ich den Text nicht lesen konnte, nahm ich an, dass es sich bei den Abbildungen um eben jene neun Musen handelte. Ich nickte auf Nefertems Frage, denn er hatte aus dem Gedicht seiner Domina richtig gefolgert. Auf den Abbildungen hatten diese Musen eher eine starre Haltung. Zusammen mit dem Sklaven und einer Prise künstlerischer Freiheit wollte ich ihnen Leben einhauchen.
Ich winkte ihn her zu mir, damit auch er die Abbildungen sah. "Deine Idee mit den entrückten Gesichtsausdruck werden wir beibehalten! Mit welcher der Musen wollen wir beginnen?" fragte ich ihn. Er sollte entscheiden!
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