RE: [Thorianum A] - A V Wohnung von Lucius Tarutius Corvus
Platz nehmen… naja, außer dem Boden gab es da nicht wirklich Möglichkeiten. Und ich war mir nicht sicher, ob ich mich jetzt auf den Boden setzen wollte. Nicht, weil der schmutzig wäre – Nysa hatte gut geputzt – sondern weil ich nicht sicher war, ob ich dann wieder aufstehen würde.
“Nein, ich hab keinen Hunger“, meinte ich, und irgendwie tat es mir leid, dass ich Nysa so knapp antwortete. Sie konnte nichts dafür. Für nichts von alledem. Und zu einer anderen Zeit und Gelegenheit hätte ich versucht, sie ein wenig aufzumuntern und vielleicht sogar mit ihr ein wenig geflirtet. Nicht, weil ich Absichten hatte, sondern einfach, damit sie sich etwas besser fühlen würde. Aber nicht heute. Heute erschien es mir falsch, auch nur einen fröhlichen Gedanken zu haben. Und ich wusste nicht, ob sich das jemals wieder ändern würde.
Zum Glück klopfte es aber auch, bevor ich weiter in Erklärungsnot kommen konnte. Alun kam herein und begrüßte kurz Nysa, ehe er mich entdeckte und erst einmal freudig begrüßte. Ich wollte etwas sagen, wirklich, aber es kam nichts raus. Wie reagierte man, wenn man dem Bruder gerade mitteilen musste, dass der gemeinsame Bruder tot war, der andere aber noch nichts wusste und gut gelaunt daherkam?
Aber mein Gesicht übernahm wohl das Reden für mich, und dieses eine Mal war ich sehr dankbar deshalb. Alun fragte mich, was passiert sei, und wirkte besorgt. Ich öffnete den Mund, aber es kam immer noch nichts raus. Ich musste es ihm sagen, aber es ging nicht. Wenn ich es sagte, war es real, und es konnte nicht mehr zurückgenommen werden. Ich merkte, dass ich zu zittern anfing, und dass meine Tränen zu fließen anfingen, denn ich sah auf einmal verschwommen, aber noch immer kam nichts raus. Ich versuchte es nochmal, aber es kam erst nur ein langgezogener, gequälter Laut, der bewies, dass ich noch eine stimme hatte. “Dunduvan ist tot“, brachte ich schließlich doch zustande und sank dabei auf die Knie, weil meine Beine mich mit einem Mal nicht mehr tragen konnten. Ich wusste, dass die Worte auch Alun schmerzen würden, aber mir rissen sie noch einmal den Boden unter den Füßen weg und ich war wieder auf den Knien und starrte meine großen, nutzlosen Hände an. “Er ist direkt in die Explosion hineingelaufen. Ich wollte ihn aufhalten, wirklich, ich wollte ihn retten. Ich hab es versucht. Ich schwöre, ich hab es versucht“ fielen die Worte aus mir herab, während die Tränen immer weiter kamen und kamen und meine dummen, nutzlosen Hände zitterten. Und ich wünschte mir, Alun würde mich wütend anschreien und bestrafen, damit irgend jemand mich für meine Unfähigkeit bestrafte.
*kursiv ist keltisch
Falke
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