RE: [Dienstraum] Der Fall Verctissa
Als meine Übersetzungen ihren Weg in ihr Gehör fanden, konnte ich beobachten, was diese mit ihr machten. Sie war sichtlich bewegt davon. Wobei ich nicht genau wusste, ob es eine Art von Genugtuung war oder nur die Enttäuschung darüber, dass dem Mörder nichts geschehen würde. Aber Verctissa wählte ihre Worte gewissenhaft und ließ sich nicht von ihren Gefühlen mitreißen. Sie dankte dem Statthalter für die ihr zuteilwerdende Gerechtigkeit und nahm damit das reichliche Blutgeld an. Sie wünschte ihm sogar noch den Segen der Brigid, damit diese ihm viele Söhne schenken würde.
All das übersetzte ich für die beiden Römer und während ich das tat, fragte ich mich plötzlich, ob auch meine Mutter so gewesen wäre, wenn sie mich hätte lieben können und wenn sie sich nicht selbst den Tod gegeben hätte. Für einen kurzen Moment versagte mir dabei die Stimme und ich hatte Mühe, mich im Griff zu behalten.
Als sie sich dann noch einmal an mich direkt wandte und mir erklärte, weshalb es für sie in Ordnung war, dass der Mörder ihres Sohnes nicht bestraft werden würde, spürte ich es plötzlich ganz deutlich! So fühlte sich die Liebe einer Mutter an! Ein Gefühl, das mir in meiner Kindheit versagt geblieben war und aus mir das gemacht hatte, was ich heute war. Als Verctissa dann auch noch nach meiner Mutter fragte, musste ich richtig mit den Tränen kämpfen. "Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Aber ich wünschte, sie wäre so wie du gewesen!" antwortete ich ihr, was zwar nicht den Tatsachen entsprach, aber sich für mich so angefühlt hatte, denn eigentlich war meine Mutter bei meiner Geburt schon tot gewesen.
Nun konnte ich in ihrem Gesicht ein Lächeln voller Dankbarkeit erkennen. Dann verneigte sie sich vor dem Statthalter und nahm das Geldsäckchen, bevor sie ging. Ich sah ihr noch sehr bewegt nach. Dann wandte ich mich an Petilius Rufus. "Oh edler Legatus Augusti Petilius Rufus, du hast ein weises und gerechtes Urteil gefällt. Dafür danke ich dir!"
Als "Lucius Tarutius Corvus"
Falke
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