RE: [Dienstraum] Der Fall Verctissa
Lucius Petilius Rufus schaute väterlich.
“Aussagen werden von Gerichten bestätigt, guter Tarutius. Die Nachbarin Totia kann es bezeugen“, meinte er leise, ruhig und freundlich, da er annahm, dass dies wahrscheinlich der erste Fall des jungen Mannes vor einem Gericht war und Tarutius Corvus wahrscheinlich auch nervös war. Normalerweise verhandelten junge Anwälte ihre ersten Fälle vor dem Ädil oder, wenn es wirklich etwas größeres war, vor dem Duumvirn und nicht vor dem Legatus Augusti. Und der junge Mann war jünger als Rufus’ Sohn. Da hatte er sowas wie Welpenschutz.
Trotzdem verzichtete Rufus darauf, hier zu lächeln oder zu zwinkern oder dergleichen, da dies wohl für die keltische Mutter dann verletzend gewesen wäre. Sie wollte ihr Leid dem Legaten klagen, also würde Rufus auch in dieser Rolle bleiben. Und eben als solcher richtete er seinen Blick auf die Mutter. Auch wenn schon klar war, wie das alles ausgehen würde, wollte er doch den ganzen Weg gehen.
Die Beschreibung kam ihm natürlich bekannt vor und passte sich in die anderen Geschichten, die ihm zugetragen worden, ein. Es wäre schon ein wahnsinnig großer Zufall, wenn es noch einen weiteren römischen Offizier mit einer Narbe im Gesicht und blondem Haar geben würde, der an dem besagten Tag zufällig in der Nähe der Praxis des Medicus Flavianus gewesen wäre. Aber auch bei dieser Beweislast war der Frieden wichtiger als das Recht. Würde ein römischer Offizier so öffentlich verurteilt werden, Rufus würde den Rückhalt der Legionen verlieren und keltische Aufständische würden sich ermutigt fühlen. Politik war ein schmutziges Geschäft.
“Kennt deine Mandantin den Mann? Woher weiß sie, dass es ein Römer war und nicht ein Kelte, der einem römischen Legionär als Kriegsbeute das Cingulum abgenommen hat?“
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