RE: Training am Dorfrand
Ich fragte mich, ob der Balventier immer noch nach mir suchte oder ob er es aufgegeben hatte. Aber so, wie ich ihn kennengelernt hatte, würde er es sicher nicht einfach so hinnehmen, dass sich sein Sklave aus dem Staub gemacht hatte. Auch hoffte ich, dass die anderen seiner Sklaven deshalb keine Repressalien zu erwarten hatten.
Lourn riss mich dann wieder aus meinen Gedanken. "Ja, anfangs musste ich in seiner Mine schuften. Aber dann gab er mir die Chance, ihm in seinem Haus zu dienen. Ich war sein Leibwächter. Aber meistens war ich mit seinem kleinen Bruder unterwegs, diesem dämlichen Schwachkopf!" Ich starrte für einen Moment ins nichts. Dann antwortete ich auf seine Frage. "Ja, es ist schlimm dort. Sehr sogar! Die Leute dort schuften den ganzen Tag. Sie tragen Tag und Nacht Ketten. Dort unten gibt es nur Dunkelheit und harte Arbeit! Lediglich das schummrige Licht der Öllampen vertreibt ein wenig das Dunkel. Der Fraß, den sie den Leuten vorsetzen ist dürftig und ungenießbar. Die meisten überleben kein Jahr, denn sie krepieren elendig an der Bleikrankheit." Das war nur ein kleiner Einblick, wie es dort war. Wer es nicht selbst erlebt hatte, konnte es sich nur schwer vorstellen. Musste ich dem Balventius deshalb dankbar sein, dass mir ein solches Schicksal erspart geblieben war? Nein, denn es gab tausende von Sklaven, die von niemandem gerettet wurden und er ließ das zu, dass sie tagtäglich verreckten! Er beutete die Männer aus, bis zum letzten Blutstropfen! Und die Legion suchte immer einen Grund, um noch mehr Sklaven zu machen. Hier in Cheddar hatten sie sich nur mit Plündern zufrieden gegeben. Der alte Boduognatus war deswegen so verbittert gewesen. "Es ist hier, wie überall! Auch die Silurer können nicht viel gegen ihre Legionen ausrichten. Alles ist so aussichtslos! Wir bräuchten wieder einen großen Anführer! Einen wie Caratacus oder Boudicca!" Nur musste diesmal unser Aufstand gelingen!
Anscheinend hatte ich ein empfindliches Thema angesprochen, als ich nach seiner Heimat und seiner Familie gefragt hatte. Zunächst musste er ganz dringend seine Waffen reinigen. Aber irgendwann begann er darüber zu erzählen. "Eine traurige Geschichte! Das tut mir sehr leid!" Wenn ich nur geahnt hätte, dass ich mit meiner Fragerei alte Wunden aufgerissen hatte! "Aber dann bist du viel herumgekommen! Dann warst du auch in der alten Heimat? Leider ist nicht mehr viel davon übrig!" Der Aufstand der Silurer war so gut wie niedergeschlagen. Unsere Dörfer und unsere Heiligtümer waren zerstört. Die, die nicht tot oder verschleppt worden waren, zwangen sie in ihre neuerbauten Städte.
Louarn sprach weiter über seine Ausbildung zum Krieger und das Cheddar nun zu einer Art Heimat geworden war "Heimat ist dort, wo man sich zu Hause fühlt." Ja, ich wusste, das klang ganz schön abgedroschen, aber es war etwas dran. Vielleicht war ich auch besser dran, wenn ich hier blieb. Dort, wo mein Zuhause war, gab es nichts mehr für mich.
Plötzlich begann er ganz freimütig von seiner Freundin zu erzählen. Sie wollte das, was alle Frauen wollten: Heiraten und Kinder kriegen. "Aha, wollen sie das nicht alle?" fragte ich. „Meine Branwen wollte auch, dass wir heiraten und zusammen Kinder bekommen. Sie hatte rotbraunes Haar und grüne Augen. Oh, ihr Götter, was habe ich sie geliebt! Aber damals habe ich mich gegen sie entschieden. Ich war damals eben auch noch viel jünger und hatte nur einen Kopf für den Kampf gegen die Römer. Ich war der Meinung, ich müsste das, was ich mit ihr hatte, opfern. Aber wozu? Von denen, die mit mir gekämpft haben, sind fast alle tot oder versklavt. Und ich? Schau mich doch an! Ich muss jeden Tag damit rechnen, geschnappt zu werden und wenn ich Glück habe, dann schlagen sie mich ans Kreuz. Glaubst du, das ist ein Leben?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein Mann, wenn du ein Mädchen hast, das dich liebt, dann bist du ein glücklicher Mann! Sei nicht so dumm, wie ich es war und wirf das weg!"
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