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Normale Version: Training am Dorfrand
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Der Morgen war nach jung und vor allen Dingen sehr frisch. Vom Fluss her kroch noch Nebel über den Boden und die Sonne hatte es noch nicht geschafft, diesen zu durchdringen. Aber heute hielt er sich am Boden und war nicht über die Häuser hochgestiegen, so dass es eigentlich ganz schön aussah und man ein wenig wie durch Wolken lief. Es erinnerte mich irgendwie an diese endlose, weiße Ebene aus meinem Traum, auch wenn der Nebel gerade vom Sonnenaufgang eher rot und golden zu sein schien. Trotzdem ließ mich die Erinnerung einmal mit den nackten Schultern rollen, um die Verspannungen zu lösen.


Es waren noch nicht allzu viele Leute wach. Jetzt nach Samhain gab es nicht mehr so viel zu tun. Die Felder waren abgeerntet, das Korn gedroschen und eingelagert. Jetzt war die Zeit der Jäger, die entweder zur Abenddämmerung hinausgingen oder schon längst unterwegs waren, und die Zeit, alles zu reparieren, was über den Sommer kaputt gegangen war. Die Schmiede würde sicherlich bald sehr viel zu tun haben, um Pflüge und hacken instand zu setzen. Aber die meisten nutzten die Zeit, um etwas länger zu schlafen und auszuruhen.
Ich grüßte hier und da einen der frühmorgendlichen Spaziergänger und suchte mir einen Platz ein wenig Abseits, wo ich niemanden stören würde. Meine Muskeln fühlten sich eingerostet an, ich hatte schon viel zu lange keinen vernünftigen Kampf mehr gehabt und rostete ein. Aber gerade heute morgen brauchte ich unbedingt Bewegung und Training und am liebsten jemanden, der mich einmal kräftig verprügelte.
Schon fast drei Monate lebte ich nun schon in Cheddar bei dem alten Boguognatus. Der alte Krieger teilte mit mir alles, was er besaß – und das war nicht viel. Im Gegenzug revanchierte ich mich für seine Großzügigkeit, indem ich ihm alle schweren Arbeiten abnahm und seine Hütte wieder in Schuss gebracht hatte. Während dieser ganzen Zeit hatte ich mich zu seiner und meiner Sicherheit in seiner Hütte versteckt gehalten und versuchte, auf gar keinen Fall die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Ich konnte mir gut vorstellen, der Balventier würde jedem ein ordentliches Sümmchen zahlen, der Hinweise zu meinem Verbleib geben konnte. Daher wollte ich nichts riskieren.

Mit etwas Glück würde in einigen Monaten Gras über Sache gewachsen sein. Dann konnte ich mich vielleicht endlich aufmachen, um wieder in meine Heimat zu kommen. Aber bis dahin musste ich mich noch in Geduld üben. Das fiel mir besonders schwer, seit der Sommer vorbei war und der Herbst Einzug gehalten hatte. Was hätte ich dafür gegeben, einmal wieder auf die Jagd gehen zu können! Ich hätte dem Alten und mir genügend Wildbret jagen können, damit wir den ganzen Winter über versorgt gewesen wären!
Es war der Morgen nach Samhain gewesen, als ich mich ganz früh aus der Hütte geschlichen hatte. Ich musste einfach hinaus, um einmal wieder frische Luft zu schnappen und zu spüren, dass ich immer noch lebte! Natürlich war ich vorsichtig uns schlich mich von Haus zu Haus, damit mich niemand sah. Wenn dann doch ein Frühaufsteher unterwegs war, hielt ich mich solange verborgen, bis er weg war.

Ich schlich mich hinüber zu dem Gehege, wo das Vieh der Dorfbewohner immer noch graste. Dort und noch etwas weiter abseits würde ich sicher unbehelligt sein. Um diese Zeit war sicher noch kein Bauer unterwegs. Zumal inzwischen fast alle Feldfrüchte bereits abgeerntet waren. Ich wähnte mich bereits in aller Abgeschiedenheit, als dann doch plötzlich ein junger Mann mit langen rotem Haar und nacktem Oberkörper auftauchte, um seltsame Verrenkungen zu machen. Moment, war das nicht Louarn? Ich schaute genau, bevor ich mich aus meiner Deckung begab. Er war es!
"Louarn! Was treibt sich so früh am Tag nach draußen?" rief ich ihm zu, als ich aus meinem Versteck hervortrat.
Die korrekte Antwort auf diese frage wäre wohl gewesen: Das schlechte Gewissen.

Madoc kam dahergeschlendert, nachdem er sich scheinbar erst so ein wenig vor mir versteckt hatte, und fragte, was ich da trieb, während ich meine Muskeln dehnte, wie Idris es mir in vielen, vielen Jahren beigebracht hatte, dass ich es tun sollte, um Verletzungen zu vermeiden. Viele Kerle verzichteten darauf und schlugen lieber gleich wild drauf los, und in einer echten Schlacht konnte man natürlich nicht erstmal um eine Pause bitten, um sich aufzuwärmen. Aber grade war keine richtige Schlacht und ohne Partner machten Übungen ohnehin weniger Sinn, da konnte ich mich auch dehnen.
“Konnte nicht mehr schlafen und dachte, ich nutze die Ruhe am Morgen für ein paar Übungen, damit ich nicht einroste.“
Ich nahm einen Arm quer über die Brust und fasste mit der anderen Hand nach dem Ellbogen, um ihn noch etwas mehr zu mir zu ziehen und so das Schultergelenk zu dehnen, ehe ich es anders herum genauso wiederholte.
“Du warst doch Krieger, Madoc, oder? Warst du gut?“ Der Kerl war zwar älter als ich, aber ungefähr meine Größe und Muskelmasse. Naja, vielleicht von beidem ein bisschen weniger, aber nicht so, dass es darauf ankäme. Wenn er halbwegs was drauf hatte, konnte er vielleicht als Trainingspartner herhalten. Ich hoffte ja, dass er gut war, denn meiner Meinung nach verdiente ich grade sowas von eine Tracht Prügel.
Als ich dann näher kam, sah ich, dass es Dehnungsübungen waren, die er da machte. Ich sah ihm noch einen Augenblick zu und fragte mich, was er denn vorhatte. Er wollte doch hoffentlich niemanden um diese unwirtliche Zeit verdreschen? Ich ging weiter auf ihn zu. Auf meine Frage meinte er, er wollte nur üben, weil er nicht schlafen konnte. Das war sicher auch eine gute Möglichkeit des Zeitvertreibs, wenn man nichts Besseres vorhatte. Aber ob das allein so viel Spaß machte, wagte ich zu bezweifeln. Aber er hatte schon Recht! Wer sich nicht ständig fit hielt, der rostete irgendwann ein. Davon konnte ich auch ein Liedchen singen, denn seit gut drei Monaten hatte ich kaum etwas für meine Fitness tun können. Den alten Boguognatus konnte ich nicht zu einem kleinen Kämpfchen auffordern. So gerne das der alte einbeinige Krieger auch gewollt hätte. Allerdings hätte er sich auf seinem verbliebenen Bein nicht lange halten können.

"Aha," machte ich nickend. "Ja, gute Idee!" Ich überlegte, ob es Louarn nur bei ein paar Dehnungsübungen belassen wollte oder ob er vielleicht doch lieber einen richtigen Kampf bevorzugte? Na ja, richtiger Kampf war vielleicht zu viel gesagt, schließlich wollte ich ihn ja nicht umbringen, wenn er mich auffordern würde.  Aber zu einem Übungskampf hätte ich nicht nein gesagt. Er schien das ähnlich zu sehen, denn plötzlich fragte er, ob ich Krieger gewesen sei und ob ich gut war. auf diese Frage musste ich erst einmal lachen. Dann trat ich ein paar Schritte näher, so dass ich ihm gegenüberstand "Ja, ich war Krieger und ich konnte mich jahrelang gegen die Römer behaupten. Nur beim letzten Mal ging es leider schief, " antwortete ich achselzuckend. "Wieso fragst du? Willst du dich mit mir prügeln?"
Prügeln war wohl das falsche Wort, auch wenn ich durchaus Prügel verdient hatte. “Ich brauch jemanden zum Üben. Prügeln tun sich kleine Kinder. Ich brauch jemanden, der auch eine scharfe Waffe so führen kann, dass er den anderen nicht verletzt, wenn es drauf ankommt.“
Irgendjemanden so zu treffen, dass der blutete, war nicht weiter schwierig. Da reichte ein Glückstreffer. Das hatte nicht unbedingt irgendwas mit Können zu tun. Diese Lektion hatte mir Idris sehr schnell eingebläut. Wirkliche Beherrschung war es, einem Schlag zu jedem Zeitpunkt seiner Ausführung anhalten zu können, ohne zu wackeln oder zu zaudern. Wer das konnte, beherrschte seine Waffen.

Ich lockerte mit ein paar hüpfenden Bewegungen noch die letzten Muskeln und sah Madoc an. “Ich bevorzuge Handäxte, die sind wendiger und weniger auffällig als Schwerter. Aber Schwert, Lanze oder Dolche gingen auch. Womit kämpfst du normalerweise?“
Ah, er wollte also mit Waffen kämpfen und brauchte dafür einen geeigneten Übungspartner dazu. Nun verstand ich und meine Augen begannen zu glänzen. Ich hatte gefühlt schon seit ewigen Zeiten keine richtige Waffe mehr in der Hand gehabt! Nicht einmal im Ludus hatten sie und Waffen gegeben. Holzschwerter! Das war alles, was sie uns dort in die handgegeben hatten, weil sie Angst vor uns hatten! 

"Nun ja, ich bin zwar schon eine Weile aus der Übung, aber dem kann man ja abhelfen!" sagte ich grinsend. Blieb nur noch die Frage, woher ich eine Waffe bekam. Ein Messer konnte ich mir schnell besorgen. Das war sicher kein Problem. Der alte Boguognatus besaß ein altes verrostetes Schwert. Wenn ich das in Schuss bringen konnte, hätte ich wieder ein Schwert!
"Früher hatte ich ein Schwert. Aber das ist schon eine Weile her. Ich kenne mich auch mit der Lanze aus. Im Augenblick kann ich dir aber höchstens mit einem Messer dienen. Mehr besitze ich nicht!" Aber vielleicht wusste ja Louarn Rat, wie ich noch zu einer Waffe kam.
Klar, dass er kein Schwert oder eine andere Waffe hatte. Er war ja auch Gefangener gewesen und versteckte sich immer noch. Boduognatus war zwar ein alter Krieger und ich war mir ziemlich sicher, dass er seine Waffen noch immer scharf hielt, zumindest nahm ich das an. Aber das hieß ja nicht, dass Madoc irgendwas in der Richtung besitzen würde.
Auch wenn er selber nicht angab, mit einer Axt umgehen zu können, löste ich trotzdem eine von meinen beiden Äxten vom Gürtel und warf sie ihm geschickt zu. Allein schon daran, wie er sie auffangen würde, konnte ich schließlich sehen, wie viel er verlernt hatte. “Die brauch ich später wieder. Aber wenn du magst, kann ich dir für heute trotzdem erstmal beibringen, wie man sie führt. Ist anders als ein Schwert, weil du nur eine scharfe Seite hast und näher an den Gegner ran musst. Wenn du dir ein Schwert organisieren kannst, können wir dann gerne auch damit üben. Bin jeden zweiten Tag hier und hab viel zu viel Freizeit….“ Und damit viel zu viel Zeit, dumme Gedanken zu haben und noch dümmere Dinge zu tun. Verdammt, ich brauchte wirklich eine sinnvolle Beschäftigung. Ich war kein Bauer und kein Handwerker, aber ich wollte etwas tun, in dem ich gut war. Und das war nur Musik und das hier.
Ich musste gestehen, ich kannte mich mit der Axt nicht so gut aus. Das lag daran, dass ich es früher immer gewohnt gewesen war, mit dem Schwert zu kämpfen. Mein Schwert hatte ich erhalten, als ich alt genug gewesen war, es halten zu können. Mein Vater hatte mir auch stets eingebläut, dass wir etwas Besonderes seien, kein dahergelaufenes Fußvolk, das mit Äxten kämpft, weil es sich ein Schwert nicht leisten konnte. Mein Vater war zu seinen besten Zeiten ein Anführer gewesen. Er hatte mit den großen Kriegern seiner Zeit Seite an Seite gekämpft. So hatte er es auch für mich vorgesehen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Unser Volk wurde, wie so viele andere auch, von den Römern unterjocht. Nun ging es nicht mehr darum, wessen Stand man angehörte oder mit welchen Waffen man kämpfte. Nun ging es ums blanke überleben!

Er warf mir eine seiner beiden Äxte zu und es gelang mir, sie am Griff zu fangen. Ich hielt sie in meiner Hand und wog ihr Gewicht. Sie lag eigentlich recht gut in der Hand. Mit einem Schwert mochte man den Gegnerwesentlich wirksamer treffen, doch mit einer Axt richtete man wesentlich mehr Schaden an! Ich nickte, als er mir anbot, mich anzuleiten, wie man sie führt. "Gerne! Ich hab im Moment auch nicht viel zu tun," sagte ich grinsend.
Er war kein hoffnungsloser Fall. Er fing meine Axt geschickt auf und wog sie in der Hand aus, wie es wohl jeder Krieger gewohnheitsmäßig mit einer Waffe machte, um sich an das Gewicht zu gewöhnen. Die alten Reflexe waren also da und er war kein absoluter Schaumschläger, von denen es ja auch viele gab.
Ich nahm also meine zweite Axt in die Hand und stellte mich gegenüber von Madoc auf. “Ich hätte es zwar verdient, aber versuch mich nicht gleich heute umzubringen“, meinte ich scherzhaft und drehte die Axt einmal in der Hand. “Fangen wir erst mal langsam an. Mit der Axt blockst oder parierst du nicht wirklich, sondern lenkst die Klinge von dir weg. Im Idealfall hakst du die feindliche Klinge ein. Mach mal einen Schlag… so, siehst du? Zur Seite weggelenkt und hier hätte ich jetzt die Chance, mit einem kräftigen Ruck zu ziehen, so dass sich die Beile verhaken. Und wenn ich kräftiger bin als du, hattest du mal eine Axt.“ Ich hatte seinen langsamen Übungsschlag zur Demonstration abgefangen und seine Richtung verändert, so dass nun beide Beilklingen ineinander eingehakt waren. Deshalb mochte ich die Äxte, da diese Taktik mit allen feindlichen Kurzwaffen funktionierte, egal ob Dolch, Schwert oder Axt. Sogar einen Schild konnte man dem Gegner bei einem guten Treffer abnehmen. Allerdings blieb da gerne die Axt stecken. Mit ein Grund, warum Idris mit beigebracht hatte, mit zwei Äxten zu kämpfen.
Ich löste den Knoten und nickte Madoc zu. “Versuch du.“ Ich griff an, erst einmal langsam. Wie gesagt, ich hätte zwar verdient, verletzt zu werden, aber weder wollte ich Madoc verletzen, noch musste das unbedingt heute sein. Also ging es erst einmal um Technik und Präzision. Schnelligkeit würde mit mehr Erfahrung von alleine kommen.
Ich  erwiderte Louarns Scherz mit einem leichten Lächeln und nahm die Axt in die Hand. Ich war kein impulsiver Kämpfer, sondern jemand, der die Bedeutung von Technik und Präzision verstand. Ich  konzentrierte mich darauf, die Anweisungen meines Gegenübers sorgfältig umzusetzen. Mein Gesicht zeigte dabei Entschlossenheit, als ich die Axt schwang, um die feindliche Klinge in einem langsamen Übungsschlag zu lenken. Ich war bereit, von Louarns Wissen und seiner Erfahrung im Umgang mit den Äxten zu lernen und dadurch meine eigenen Fähigkeiten zu verbessern.

Ja, ich nahm diese Übung wirklich ernst, und während ich die Bewegungen ausführte, versuchte ich, sie zu verfeinern und Louarns Ratschläge zu befolgen. Nach dieser Einführung war ich nun an der Reihe, um zu zeigen, was ich gelernt hatte und wie geschickt ich im Umgang mit der Axt war. "Na gut! Auf geht´s!"  meinte ich und nickte ihm dann zu, dass ich bereit war.

Louarn ging es langsam an, als er mich angriff. Zunächst versuchte ich mich ihm anzupassen, damit ich angemessen reagieren konnte. Meine Augen fixierten  Louarns Axt, während ich meine bereithielt. Als er seine Axt in meine Richtung schwang, versuchte ich sie abzuwehren, indem ich im entscheidenden Moment die gegnerische Axt mit meiner eigenen Klinge traf. Dadurch gelang es mir die Axt von mir wegzulenken.
Ich versuchte dann, die Klingen beider Äxte miteinander zu verhaken, um die Kontrolle über den Kampf zu behalten. So konnte ich die Bewegungen meines Gegners steuern und gleichzeitig einen eigenen Angriff zu starten, wenn sich die Gelegenheit dazu bot.
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