RE: Im Morgengrauen
Ceridwen gehörte wohl zu den Leuten, die den Sinn hinter dem göttlichen Willen begreifen wollten, denn sie fragte sich laut, was der Grund für unser aufeinandertreffen war. Es war nicht so, als ob ich den Sinn dessen nicht verstehen wollte – denn das wollte ich durchaus – aber ich kannte die Götter doch gut genug, um zu wissen, dass sie selten so einfach ihre Absichten erklärten, weshalb ich die Dinge nahm, wie sie waren. “Wenn die Götter der Meinung sind, dass wir das wissen müssen, werden wir es erfahren“, meinte ich also nur schulterzuckend und behielt meine vorangegangenen Überlegungen zu unserem Aufeinandertreffen für mich. Ich glaubte nicht, dass Ceridwen meine Überlegungen zu Ravens Existenzberechtigung wissen musste. Oder nein, ich war mir ziemlich sicher, dass diese Information für mich war, nicht für sie. Alle Menschen waren Werkzeuge der Götter, aber manche waren eben einfach nur Nägel, und andere ein Hammer.
Aber sie lud mich zu sich nach Hause ein, um mich zu waschen. Entweder in einem Regenfass, oder in ihrem Haus, wobei sie selbst sich dann auch waschen wollte. Ich zuckte einfach nur mit den Schultern. “Wenn dein Zuber groß genug ist, kannst du dich auch mit mir waschen. Mich stört das nicht.“ Was manche Menschen da für einen Aufstand zelebrierten, wenn jemand einen anderen nackt sah. Als würden wir mit Kleidung geboren werden. Ich hatte viele Menschen nackt gesehen, in unterschiedlichen Lebenslagen. Ich fand daran nichts besonderes, und ich fand es noch nicht einmal besonders erregend. Dafür brauchte es schon deutlich mehr als ein paar Titten. Aber manche Männer waren eben recht einfach zu erregen.
Aber vielleicht erwartete sie das? Ich legte noch einmal den Kopf schief und schaute sie an. “Falls du dann aber Sex willst, muss ich dich enttäuschen. Deirdre fordert immer so viel, dass ich danach erst einmal einen Tag Pause brauche.“ Die Mutter meines Drachens wollte zwar unser Techtelmechtel geheim halten oder sah es als erotisches Spiel oder so etwas. Aber so laut, wie sie und auch ich dabei waren, wusste es sowieso das ganze Dorf und ich fand es albern, deshalb irgendwie schamvoll zu tun.
Ich schloss mich ihr also auf dem Weg wieder zurück nach Cheddar an und einen Moment herrschte schweigen. Wegen mir hätte es auch so weitergehen mögen, ich gehörte nicht zu den Menschen, die sich unbedingt unterhalten mussten, obwohl mir manchmal gesagt wurde, ich würde zu viel reden. Noch so eine Sache, die ich bei Menschen nicht verstand. Zu viel reden. Was bedeutete das?
Aber Ceridwen brach die stimme und lud mich ein auf eine römische Hochzeit. Ich sah sie schief an und fragte mich, warum sie mich mitnehmen wollte. Sicher hatte sie dafür einen Grund, den sie mir aber nicht unbedingt mitteilen musste. Ich kannte sie nicht gut genug, um einen Grund zu erahnen.
“Ich habe schon viele von ihnen aus der Nähe gesehen. Manche sogar sehr nahe. Ich verstehe den Nutzen nicht, sie anzusehen, wenn ich sie nicht töten soll.“ Oh, ich verstand den Nutzen, wenn ich sie später töten wollte. Ausspionieren war so etwas wie anpirschen auf der Jagd, und oft erhöhte es den Reiz, wenn es dann irgendwann zur Tat kam. Aber angucken, ganz ohne Absicht, das war wieder so etwas… menschliches. Klang etwas nach Zeitverschwendung. “Aber wenn du mich gerne dabei haben willst, aus deinen eigenen Gründen, dann begleite ich dich.“ Vielleicht gehörte ja auch dieses Fest zu einem göttlichen Plan, der sich mir noch eröffnen würde, wenn ich ihm die Gelegenheit dazu gab.
Falke
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