RE: Atrium | Wieder eine Rechtsberatung
Ich ließ mir das ganze Katarakt an Schriftrollen und Urkunden anreichen und versuchte, gleichzeitig zu lesen, und zuzuhören. Der gradnächste Agnat, der Bruder des verstorbenen, hatte die Tochter einem einfachen Cognaten, dem Bruder der Mutter, überlassen. Dafür aber das gesamte Erbe eingestrichen, außer den Urkunden, die Furia Serena gestohlen hatte. Es ging um zwei Minen und eine halbfertige Villa, und ich musste nicht viel rechnen, um festzustellen, dass wir hier mehrere Probleme hatten, die ich nicht so einfach ignorieren konnte.
Ich hörte mir also alles an und schaute in die zwei Gesichter, die jetzt wohl ein Wunder oder ein göttliches Eingreifen von mir erwarteten, denn ganz im ernst, das wäre wohl das einzige, das diesen -schlammassel lösen könnte. Ich atmete einmal tief durch und schaute nochmal auf die Urkunden und wieder zurück.
“Werter Furius Saturninus, ich fürchte, dass der LAPP die Klage gar nicht erst zulassen würde. Zumal besagter Bruder wo ist? Auch in Britannia?“ Ich schaute kurz, um überhaupt erst einmal den gerichtsstand zu klären. Einen Einwohner von Gallia konnte man nicht in Britannia verklagen. Der einzige Ort, wo man jeden anklagen konnte, war Rom, da dort das höchste Gericht tagte. Und eben dort, wo auch immer der Kaiser gerade war.
“Nun, wir haben folgende Probleme bei diesem Fall. Du erwähntest ja selbst schon die Lex Voconia, nach deren Bedingungen Erblasser nichts an Frauen, ob Töchter oder nicht, vererben können, wenn sie ein Vermögen von mehr als einhunderttausend As besitzen. Du wirst mir zustimmen, das zwei Minen und eine halbfertige Villa allein diesen Wert übersteigen. Und dabei sind die ganzen Barvermögen, Sklaven, Viehbestände et cetera noch nicht einmal einberechnet. Es wird also für Lucretius… wie heißt er eigentlich? Nun, in jedem Fall wird es für ihn ein leichtes sein, anzuführen, dass der verblichene Lucretius Ursus seiner Tochter gar nichts erst hätte vererben dürfen und deshalb jede Erbschaft nichtig ist. Und ja, das ist vom Gesetz so gewollt.
Wäre das der einzige Punkt, würde ich es ja noch versuchen und versuchen, einen Fideskomiss durch ihn anzuführen, um ihn so unter Druck zu setzen. Aber auch da hätte ein Erbe längstens ein Jahr Zeit, um eine Erbschaft einzufordern. Allerdings ist Aulus Lucretius Ursus schon länger verstorben. Man könnte ja vielleicht noch argumentieren, dass durch die Mitnahme der Urkunden der Wille bekundet wurde, die Erbschaft anzutreten. Aber wegen ersterem Punkt birgt dies das Risiko, im Gegenzug des Diebstahls von Urkunden angeklagt zu werden. Außerdem können Frauen nicht selbst für sich eintreten, solange sie nicht das ius liberorum besitzen. Das hätte also auch Consular Claudius machen müssen.
Und schließlich und endlich ist deine werte Gattin nicht mehr die Tochter ihres Vaters. Durch die Manus-Ehe wurde sie vollständig rechtlich ihrer Familie entzogen und deiner patria potestas unterstellt. Im Grunde hast du sie rechtlich gesehen androgiert. Noch dazu hast du sie via coempio geheiratet, also gekauft. Bei einem Kauf gilt eine Sache ins Eigentum so übergegangen, wie sie gesehen wurde, sofern der Käufer nicht arglistig und in böser Absicht über eine wesentliche Eigenschaft belogen wurde. Du sagtest, dass du einfach nur das Mündel des Consular Claudius heiraten wolltest. Und offensichtlich hat dir die angebotene Mitgift da auch gereicht, um die Ehe einzugehen. Demzufolge könnte man anführen, dass sowohl Consular Claudius als auch du auf die Prüfung weiterer Vermögen der Braut verzichtet habt und die Mitgift als gezahlten Erbteil allseitig akzeptiert habt.“
Ich atmete nochmal durch und schaute noch ein wenig durch die Unterlagen, ob ich etwas vergessen oder übersehen hatte. Schien mir aber nicht so.
“Ganz ehrlich, wäre ich der Anwalt des Bruders, ich würde jede Anklageschrift mit Leichtigkeit in der Luft zerfetzen. Ich würde mir keine großen Hoffnungen machen, sofern er nicht sein Gewissen auf einmal entdeckt.“
|