RE: Eichenhain östlich von Cheddar
Ceridwen. Ich hatte sie schon fast vergessen, aber jetzt, wo Niamh sie erwähnte, erfasste mich wieder diese Unruhe. Ich lächelte Niamh noch einmal sanft zu, ehe ich mich aufsetzte, weil ich nicht mehr im Gras liegen konnte. Hier und da zupfte ich ein paar Grashalme von meiner und von ihrer Haut und aus den Haaren. Eine Hummel kam vorbeigeflogen und ich hielt kurz inne, so dass sie auf meinem Arm landen konnte, sich davon überzeugte, dass ich wirklich keine Blume war, und wieder weiterflog.
“Ceridwen, also… kennst du sie inzwischen etwas näher?“ fragte ich und fing an, ein paar Blumen ringsum zu pflücken. Meine Hände brauchten Beschäftigung, wie immer, wenn mein Geist gerade mit einem schwierigen Problem beschäftigt war. “Ich meine, du wohnst ja bei ihr, aber… was für ein Mensch ist sie? Du meintest ja, die Dorfbewohner hören auf sie. Und… ich hab ein paar Spieler beim Iomaint gehört, die sie wenig schmeichelhaft Gwrach nannten. Dabei ist sie noch nicht so alt.“
Ich fing an, die Blumen und ein paar schöne Grashalme mit dicken Ähren vorsichtig anzuordnen und zu flechten. Jemandem wie mir traute man so eine Tätigkeit gar nicht zu. Die meisten hielten mich wohl für grob, weil ich ein Krieger war, und waren schon verwundert über meinen Gesang. Aber das hier, so feine Arbeit, Mädchenarbeit, das dachten wohl die wenigsten, dass ich das konnte. Oder dass ich das sogar recht gern machte. Zumindest, um mich abzulenken. Es war schön, auch mal etwas schönes zu erschaffen und nicht immer nur etwas kaputt zu machen.
“Und meinst du… wenn sie auf Mona damals war, dann habe ich mir überlegt, also… ich weiß ja nicht, was sie dort gemacht hat und wie lange sie dort war und wieviel Kontakt sie mit den jungen Schülerinnen hatte, aber… ich dachte darüber nach, sie einfach zu fragen, ob sie, also nach der langen Zeit und allem, was dazwischen lag… Ich meine, wahrscheinlich denkt sie nicht gern an die Zeit zurück, sonst wär sie ja jetzt wahrscheinlich nicht hier. Aber vielleicht besteht ja doch die Chance, und vielleicht erinnert sie sich, und, ich meine, wenn ich sie fragen würde, vielleicht hat sie ja so viel… keine Ahnung, Mitleid, vielleicht?“ Ich atmete tief durch, da die Frage, die ich eigentlich stellen wollte, nicht herauskam. Ich hatte schon Kerlen gegenüber gestanden, die ein Kopf größer als ich waren und brüllend mit einer fetten Langaxt in der Hand auf mich zugestürmt kamen, und hatte mich dabei weniger angestellt. Aber das hier, das war mir wichtig, und ich merkte es, was mir Angst machte. Ich wollte keine Hoffnung schöpfen, wenn sie dann wieder enttäuscht werden würde wie so oft in der Vergangenheit. “Ich wollte sie fragen, ob sie vielleicht meine Mutter gekannt hat“, brachte ich es schließlich heraus und hielt Niamh den fertigen Kranz hin. “Für dich“, meinte ich mit einem kleinen Lächeln, das aber in meinem aufgewühlten Zustand gerade meine Augen nicht erreichen konnte und meine Seele nicht wärmte.
Falke
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