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Normale Version: Eichenhain östlich von Cheddar
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Ich führte Ciaran über einen Feldweg zu einem kleinen Eichenhain östlich von Cheddar  - dem einzigen in dieser Gegend - und dort gab es eine kleine Lichtung, auf der man den Vollmond sehen konnte. Ich war schon früher hier gewesen und hatte im Mondlicht gebadet und Stoffstreifen an die Zweige gebunden. Selbst Aidan hatte ich schon hierher gebracht und seine kleinen Händchen auf den Stamm der Eiche gelegt. Es war ein guter Ort. 

Die Lichtung selbst war voll saftigem Gras und tiefgrünem Moos und ein Hase hoppelte aufgeschreckt davon, als wir auf die Lichtung traten. Ich suchte mir eine bequeme Stelle und setzte mich erst einmal hin um noch ein wenig den Mond zu betrachten. Hier konnten wir auch ungestört noch einige Minuten plaudern. Kurz schloss ich meine Augen. "Setz dich zu mir, Ciaran und erzähle mir ein wenig von dir und deinem Bruder." Mein Lächeln war freundlich und einladend.
Natürlich kam ich mit, als sie mich darum bat. Sie verstand es. Ich konnte es in ihren Augen sehen, in der Art, wie sie zu mir aufschaute, wie sich ihre Wangen leicht röteten und der Puls an ihrem Hals flatterte. Sie war noch nicht ganz bereit dafür – ich dafür aber umso mehr, seit ich den Drachen gesehen hatte – und wollte es noch ein wenig in die Länge ziehen. Frauen waren manchmal kompliziert, und doch eigentlich ganz einfach. Sie waren von Natur aus schwach und zerbrechlich geschaffen, und sie überlebten dennoch. Sie die blühenden Blumen, so zart und zerbrechlich, und doch gab es jedes Jahr wieder erneut tausende. Vielleicht lag darin das Geheimnis, dass ich nicht ergründen konnte, dass ihre Schwäche im Endeffekt keine war. Nur etwas, dessen Geheimnis ich noch nicht durchdrungen hatte.

Sie führte mich zu einem Eichenhain. Die Bäume standen alt und fast im Kreis zueinander. In ihren Ästen flüsterte der Wind verheißungsvoll. Ein Hase suchte Schutz zwischen ihren knorrigen Wurzeln. Sie setzte sich und wies neben sich, dass ich mich zu ihr setzte. Das tat ich dann auch, dicht neben sie. Sie roch nach Mondschein und dem klaren Wasser einer Quelle. Anders als ihre Schwester, die mehr nach moosbewachsenen Steinen und Gewitterwolken gerochen hatte. Ich vergaß nie, wie ein Mensch roch, und an was es mich erinnerte. Mein erstes Mädchen damals hatte nach Gras im Sonnenschein gerochen…
Sie wollte etwas von mir und Cinead wissen. Ich legte den Kopf leicht schief und sah zu, wie der Wind ganz langsam eine Haarsträhne von ihrer Schulter pustete, ganz zart immer ein Haar nach dem anderen.
“Cinead und ich sind selten getrennt. Manchmal denke ich, dass er der einzige Mensch ist, der mich wirklich versteht“, erzählte ich und berührte vorsichtig die Stelle, die der Wind eben gestreichelt hatte, kurz über dem Schlüsselbein. “Ich sehe Dinge, die die meisten Menschen nicht sehen. Die sie sich weigern, zu sehen. Der Hase eben zum Beispiel. Erwan wurde Andraste geweiht. Jetzt sehe ich, dass sie es angenommen hat und das hier befürwortet. Oder als sein Haus brannte, da sah ich den Drachen, der dadurch erwachte, aber die Römer sahen es nicht und versuchten, mit Wasser zu löschen, was nicht gelöscht werden kann. Es ist… anstrengend. Manchmal verstehe ich die Dinge auch nicht, die ich sehe, ich weiß nur, dass sie getan werden müssen und die Götter es wollen. Ich sehe die Fäden, die alles zusammenhalten, aber ich sehe nicht immer das Ende, zu dem sie führen.
Ich habe Dunduvan einen Zaubertrank an Beltane gegeben und wusste noch nicht, zu welchem Zweck. Aber er hat mit einem Mädchen dadurch geschlafen, das von Erwan gefangen gehalten wurde, weshalb er sie heute befreien wollte. Und wir brauchten ihn für ihre Befreiung, ohne seinen Beitrag wäre es nicht gegangen. Mein Bruder sieht diese Dinge nicht, er versteht auch nicht immer, was ich tue. Aber er vertraut mir. Er versteht, dass ich diese Dinge aus einem Grund tue. Er… er ist wie du bei deiner Schwester. Du hast sie beschützt und tust es noch. Du verstehst sie, auch wenn du ihre Gabe nicht teilst.“

Ja, auch das wurde mir gerade klar und fügte sich ineinander. Dierna war wie ich mit der Gabe gesegnet. Aber Deirdre war wie Cinead die andere Hälfte, die wir brauchten, die uns erdete. Vielleicht war es doch kein Zufall, dass ich heute allein hier war. Vielleicht hatte Dierna von Cinead das Kind empfangen, weil sie seine andere, weibliche Hälfte war, und ich würde mit Deirdre ein Kind zeugen, weil sie für mich war. Oder vielleicht war ich auch einfach nur verrückt.
“Ich sehe auch andere Dinge. Hier auf der Wiese wachsen vierzehn Kräuter, die dich heilen können, und drei, die dich töten können. Für zwei könnte ich aus den anderen Dingen ein Gegengift herstellen. Für eines nicht.
Deine Schwester, sie hatte zu Imbolc ein Kind geboren. Du hast auch ein Kind geboren. Das sehe ich. Es bevorzugt deine linke Brust, weil es von da besser in dein Gesicht beim trinken sehen kann. Sie ist manchmal etwas wund und tut weh. Wenn du die ungewaschene Wolle eines Schafes darauf legst, ist es einen Tag später weg.“
Ich fuhr mit den Fingerspitzen ihren Hals entlang und rückte etwas näher mit meinem Kopf. “Ich sehe, wie dein Puls flattert an deinem Hals, wenn du nur ganz sanft berührt wirst. Ich sehe, wo deine Haut sich erhitzt bei der Berührung, und wo sie erschaudert, weil es dir unangenehm ist.“ Ich küsste sie vorsichtig auf das blanke Stück Haut an ihrer Schulter und streifte ihren flatternden Puls zärtlich mit meiner Nase. “Ich werd es so machen, wie es dir gefällt, Deirdre. Und du wirst einen Sohn bekommen. Ein Kind mit leuchtend rotem Haar. Ich kann es fast schon sehen.“ Ich beobachtete sie, ob ich weiter gehen konnte, und bedeckte ihren Körper ganz sachte mit kleinen Zärtlichkeiten, um sie zu entspannen. Wenn sie einwilligte, würden wir hier ziemlich lange im Mondschein bleiben. Wenn sie nicht flüchtete, auch die ganze Nacht, wie ihre Schwester. Wenngleich mit Pausen dazwischen, weil mein Bruder fehlte. Aber das machte nichts.
Als ich auf der Erde saß und Ciaran mir von den Dingen erzählte, die er sah und spürte, lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter. Er klang auf eine gewisse Weise so sehr wie Dierna, dass es schmerzte. Ich wischte dieses Gefühl weg, da ich wusste, dass alles so war wie die Götter es wollten und Dierna und ich irgendwann wieder zusammenfinden würden. Dieser Zeitpunkt lag aber weit in der Zukunft und bis dahin mussten wir den Göttern dienen so gut wie es ging. 

"Ich habe nur unregelmäßige Träume, aber Dierna kann das zweite Gesicht jederzeit heraufbeschwören. Ihr Blick ist so klar und sie sah, dass ich mit Erwan gehen musste sonst hätten wir beide nicht unsere Bestimmung erfüllt und ihre Gabe wäre verloren gewesen. Zu Samhain hat sie bereits mein Adlerkind prophezeit und mein Sohn Aidan wird das Beste beider Welten erben. Sie hat bestimmt eine Tochter geboren, so wie es uns schon als Mädchen vorhergesagt wurde." 

Ich hatte noch mit keiner Menschenseele über diese Prophezeiung gesprochen - nicht einmal mit Aidans Vater, den ich auf meine Weise sehr liebte. Aber ein Römer würde nie verstehen, was diese Prophezeiung bedeutete. Sie spürten die Erde nicht, wie wir das taten. Aber es war poetisch, wie sich das Mosaik zusammengefügt hat und wie es zur Geburt von Aidan geführt hat und wie Dierna der Göttin bestimmt eine Tochter geboren hatte.

Sachte berührte Ciaran mich und ich konnte ein Band zwischen uns fühlen, das uns verbinden würde. Wie in der Nacht, als ich Aidan empfing, tanzte mein Blut im Rhythmus der Erde. Es war wie ein zweiter Herzschlag, der durch meinen Körper dröhnte. Der Mann neben mir war ein Fremder und doch hatte ich das Gefühl, das wir uns schon lange kannten und ich ihm hätte alles erzählen können, das ich niemand sonst anvertrauen konnte. Fühlte sich die Präsenz der Götter so an? 

Der Kuss auf die nackte Haut ließ mich erschauern, auch wenn es keinen Grund für Nervosität gab. Ich suchte Ciarans Nähe und seine Lippen mit meinen.
Sie suchte meine Nähe, was sich… komisch anfühlte. Nicht schlecht, aber doch komisch. Ich ließ sie gewähren und streichelte weiter die Stellen, von denen sie mir eine positive Rückmeldung gab. Ganz langsam fing sie an, meine Zärtlichkeiten zu erwidern, bis sie schließlich einen Kuss wollte und meine Lippen suchte. Gut, damit war die Zeit für Worte also vorbei.

Ich ließ mir Zeit, wie ich versprochen hatte, küsste sie erst sanft und innig, dann etwas besitzergreifender und leidenschaftlicher, immer gerade so weit die Grenze verschiebend, wie es ihr gefiel. Irgendwann fing ich an, mich auszuziehen, ließ sie mich ansehen und berühren, mich kennen lernen. Ich mochte meinen Körper, er leistete gute Dienste. Er war nicht so muskulös wie der von Louarn oder auch Dunduvan – auch wenn der das gern versteckte – aber definitiv nicht so weich wie der von Calum. An mir war alles hart und sehnig. Effizient. Meine Muskeln waren schlank, nicht bullig, und meine Schultern nur so breit, wie es praktisch war. Mein Körper verschwendete nichts. Irgendwann hatten Cinead und ich uns auch wie beim Volk unserer Mutter üblich tätowieren lassen, was bei mir auch zu interessanten Stellen reichte. Hatte schweineweh getan, war es aber wert gewesen.
Erst, als sie mit ihrer Betrachtung und Erkundung fertig war, zog ich auch sie aus, achtete dabei auf ihren Gesichtsausdruck und war vorsichtig dabei, sie in Stimmung zu versetzen, auch wenn ich sie mir am liebsten einfach nehmen wollte. Als sie bereit war, kam ich schließlich über sie und vereinigte mich mit ihr im Mondschein. Das erste Mal ging schneller, als erhofft, aber ich blieb direkt in ihr und streichelte und küsste sie weiter, bis ich wieder bereit war und da weitermachen konnte, wo ich aufgehört hatte. Und auch danach ließ ich sie nicht einfach gehen, küsste und hielt sie, erzählte ihr leise von meinem Drachen und von anderen Dingen, bis wir beide wieder und wieder bereit waren. Oh, ich strengte mich wirklich an, und jedes Mal, wenn ihr Körper an meinem erbebte, wusste ich ein wenig mehr, verstand ein wenig besser, und versuchte, das gelernte anzuwenden. Irgendwann hörte ich auf zu zählen, wie oft sie erschaudert war oder ich ihr meinen Samen gegeben hatte. Es spielte keine Rolle.
Der Mond war untergegangen und der Morgen würde bald grauen. Es war eine seltsame aber sehr erfüllende Nacht für mich gewesen. Ciaran war ein sehr ausdauernder und zuvorkommender Liebhaber gewesen, was ich nicht so erwartet hatte. Nachdem ich aber nur mit einem anderen Mann bisher geschlafen hatte, war meine Erfahrung da allerdings eher begrenzt. 

Ich genoss die Pausen zwischen dem Liebesspiel, in denen er mir von Drachen erzählte und wir den Mond und die Sterne betrachteten. Es war eine Nacht der Träume und Magie im Licht des Vollmonds, die wir vollständig ausgekostet hatten. Ich war fast ein wenig traurig, dass sie sich dem Ende zuneigte. Würde ich Ciaran erneut wiedersehen oder würde das Band zwischen uns einfach zerreißen?

Ich lag erschöpft im weichen Gras und hielt seine Hand, noch immer den Kontakt suchend. Welche Auswirkungen würde diese Nacht wohl haben?
Das war… anders. Oh, nicht der Sex an sich, der war, wie eigentlich immer. Keine göttlichen Erscheinungen oder plötzliche Gefühlswallungen oder dergleichen. Aber die Art, wie sie sich an mich kuschelte und meine Hand hielt, die war mir neu. Nicht schlecht, aber eben seltsam, und ich war mir noch nicht ganz sicher, was ich davon hielt.
Mein anderer Arm lag unter ihrem  Kopf und meine Hand streichelte leicht über ihren Oberarm und wo er sonst noch in diesem Winkel eben hinkam. Eine Weile sagte niemand etwas, und ich sah einfach zu, wie der Himmel über mir von schwarz zu grau wurde. Bald würde er blau sein. Dann würde man die Sterne nicht mehr sehen. Aber sie waren noch immer da, nur unsichtbar. Zu gern wüsste ich, wie das genau funktionierte. Wie sie von nahem aussahen. Ob das wirklich nur der irdische Ausdruck der ewigen Spirale war, die den Weg zwischen hier und dort bildete. Ein Sternweg. Oder ob sie etwas anderes waren. Wie sie funktionierten. Wie alles zusammenhing. Das große Ganze eben.
Ich seufzte dennoch recht zufrieden und sah Deirdre an. Ob sie es auch sehen konnte? Oder zumindest verstehen konnte, dass ich es sah? Selbst das war schon viel mehr, als die meisten Menschen zustande brachten, denn ihre Geister waren noch viel beschränkter, als man annehmen mochte. Sie sahen nur das, was sie anfassen konnten, und manchmal sogar nicht einmal das.
“Erzähl mir von deinem Sohn“, forderte ich sie auf. “Welches Schicksal hat er? Du sagtest vorhin, er hätte eine eigene Prophezeiung?“ Ja, während wir seinen Bruder zeugten, hatte cih es tunlichst vermieden, sie daran zu erinnern, dass es irgendwo ein Baby mit vollen Windeln geben könnte, das ihre Brüste gerade vermisste. Aber jetzt war ich neugierig, was sie vorhin gemeint hatte. Und ich wollte wissen, welches Schicksal der Bruder meines Drachen haben würde.
Seine Hand kitzelte mich ein wenig, als er über meinen Oberarm und die Seite meines Oberkörpers streichelte, was mich kurz aufkichern ließ. Sein Blick zu den Sternen war mir nicht entgangen. Was er wohl gerade dachte? Mein Kopf war gerade seltsam leer wie erschöpft.

"Mein Sohn heißt Aidan. Er ist sehr groß und stark für sein Alter und die Geburt war nicht einfach" begann ich zu erzählen. "Ein Patrizier namens Tiberius Furius Saturninus hat mich Erwan abgekauft und er ist Aidans Vater. Nach dessen Geburt hat er mich freigelassen...als ob ich jemals unfrei gewesen wäre. Die Römer verstehen nicht, dass sie uns die Freiheit gar nicht nehmen können. In manchen Dingen haben sie eine sehr verdrehte Weltansicht."

Ich machte eine kurze Pause und legte dann seine Hand voll auf meine Brust, damit er mich nicht weiter kitzeln würde. So konnte man sich ja gar nicht konzentrieren! "Was die Prophezeiung angeht, so habe ich diese nicht selbst gehört. Die Römer hatten zu Samhain die Heilige Quelle umzingelt und mich und Caradoc verschleppt. Bevor wir verschleppt wurden, hatte er einem jungen Kerl namens Calum die Prophezeiung und die Deutung übermittelt. Mehr weiß ich leider auch nicht, da Caradoc von den Soldaten ermordet wurde." 

Druiden hüteten ihre Deutungen vor neugierigen Ohren und obwohl Caradoc mich kannte, vertraute er die Worte einem anderen Mann an. Es war keine schöne Geschichte, aber es war der Lauf der Dinge gewesen. Bevor die Sterne allerdings vollends verschwanden, blinkte einer davon besonders hell für eine kurze Weile. Stumm streckte ich meine Hand danach aus, als hätte ich den hell blinkenden Stern mit bloßen Händen berühren können.
Ich hörte ihr zu, während sie erzählte, auch wenn mich die Worte weniger interessierten als das, was sie tat. Sie legte erst meine Hand auf ihre Brust, damit ich sie festhielt und nicht mehr streichelte, und griff dann nach den Sternen. Sie war wirklich sehr wie Cinead, es war fast schon erschreckend. Ich dachte etwas, und sie tat etwas, das darauf zurückging. Sonst passierte das nur bei meinem Bruder. Ich beobachtete sie etwas genauer.
“Ich kannte Caradoc und ich kenne Calum. Er hat von einer Prophezeiung erzählt, aber nicht gesagt, dass dein Kind darin eine Rolle spielt. Er sprach nur von einem Kind der Liebe, dessen Rolle nicht ganz klar sei.“ Hoffentlich war sie jetzt nicht enttäuscht, denn das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur ehrlich mit ihr sein, aber viele Leute hatten für Ehrlichkeit sehr wenig Verständnis. Auch wenn sie anderes behaupteten, aber die meisten Leute bevorzugten wohlportionierte Lügen und kleine Bequemlichkeiten. “Was denkst du über das Schicksal deines Sohnes?“ fragte ich sie daher neugierig, ob sie mehr wusste. Nein, ich zweifelte ihren Glauben daran, dass ihr Aidan eine gewichtige Rolle im Geflecht der Welt spielen würde, nicht an. Wenn sie es glaubte, war es so. Die Götter arbeiteten auf ihre Weise. Mein Sohn würde auch eine Rolle spielen, davon war ich überzeugt, und vielleicht hing das eine mit dem anderen zusammen.

Ich sah wieder nach oben zu den verblassenden Sternen. “Ich möchte so gern verstehen, wie all das funktioniert“, sagte ich mehr für mich selbst als für jemand anderen. “Und ich würde gern nochmal mit dir das Lager teilen. Wenn mein Kind in dir wächst, meine ich. Oder wenn es auf der Welt ist und ich es vielleicht sehe.“ Normalerweise kümmerten mich die Kinder nicht, die mein Bruder und ich zeugten. Und es war sicher nicht so, als hätte ich mich verliebt oder so einen Quatsch. Sowas taten Kinder und Leute, die es nicht besser wussten. Aber ich war neugierig, und ich hatte nicht den Drang, Deirdre aufzuschneiden, um zu sehen, was unter ihrer Haut war. Das fand ich eine gute Basis für eine Wiederholung.
Ich ließ die Hand wieder sinken, während ich ein wenig über die Worte nachdachte. "Diernas Worte waren das Kind des Singvogels und des Adlers. Caradoc hat mich immer Deirdre Singvogel genannt, weil ich schon als junges Mädchen eine schöne Stimme hatte. Wäre ich ein Mann..." Ich ließ den Satz ausklingen, denn wir beide wussten, dass ich dann ein Barde oder Druide hätte werden können. 

"Wenn ich noch in Tor Uisneach leben würde, dann würde Aidan von den Druiden erzogen werden. Aber so wird ihn sein Vater aufziehen sobald er ein wenig größer ist." Wie sollte ich einen harten keltischen Kern in dem Kind verankern, damit die Römer nicht alles keltische ausmerzen würden? "Von daher bin ich nicht unglücklich, wenn Aidan einen Bruder bekommt. Dann vergisst er seine keltischen Wurzeln nicht." Erst jetzt wo ich es ausgesprochen hatte, war es so sonnenklar. 

Ich musste plötzlich lächeln, als ich verstand und aus dem Lächeln wurde ein befreites Lachen. Schon seit mir Saturninus eröffnet hatte, dass er Aidan zu sich holen würde, lag mir auf der Seele wie ich Aidan an das Volk seiner Mutter binden könnte. "Brüder!" rief ich lachend...die Lösung so simpel, dass ich die Kinder bereits vor mir sehen konnte. Überschwänglich küsste ich den neben mir liegenden Mann, ehe meine Hände noch einmal auf Wanderschaft gingen um nachzusehen, ob doch noch ein wenig Energie in Ciaran steckte. 

"Komm an Vollmond zu mir und dann können wir das Lager erneut teilen...aber nur, wenn noch ein bisschen Manneskraft jetzt in dir steckt" neckte ich ihn spielerisch, während ich mich an ihn presste für eine schnelle Nummer, bevor die Sonne aufgegangen war und ich wirklich nach Hause musste.
Sie kannte wohl mehr von der Prophezeiung, als Calum uns mitgeteilt hatte. Kind von Adler und Singvogel… Ich ließ die Worte in meinem Kopf kreisen. Könnte natürlich sein, dass das ihr Kind mit einem Römer beschrieb. Und in dem Fall war ich auch außerordentlich dafür, dass der Junge keltisch sein würde. Ich war schon fast dran, etwas vorzuschlagen, als sie auf einmal anfing, wie verrückt zu lachen und das Wort Brüder auszurufen, als wäre es eine gewaltige Erkenntnis. Ich schaute sie an und wollte zu gerne wissen, was in ihrem Kopf gerade vorging. Das war so ein Mysterium, was ich noch nicht ergründet hatte: Wie die Gedanken funktionierten. Ich hatte schon in einige Köpfe gesehen, aber noch nie wirklich einen Gedanken darin gefunden. Ich hatte schon ganze Körper Stück für Stück auseinandergenommen, wusste genau, welches Teil wohin gehörte und was es wohl machte. Aber diese Welt, die in den Gedanken und träumen herrschte und die so nah und so greifbar an der Anderswelt war, die versteckte sich einfach sehr erfolgreich vor meinem Zugriff.
Aber was immer es war, was sie gerade dachte, es machte sie noch einmal scharf auf mich, was sie mir sehr deutlich mit ihren Händen zeigte. Wenn sie glaubte, ich wäre erschöpft, musste ich sie enttäuschen. Ich konnte oft. “Ich werde jeden Vollmond kommen. Du wirst mich noch darum bitten“, prophezeite ich nun ihr und rollte uns beide herum, so dass ich schließlich über ihr war.

Bis wir fertig waren, war die Sonne über den Horizont gekrochen und vertrieb die letzten Sterne. Ich küsste sie noch ein letztes Mal innig und vielleicht ein wenig besitzergreifend auf den Mund, dann wanderte mein Kopf tiefer und küsste sie knapp über dem Bauchnabel. “Gib gut auf meinen Drachen acht, Deirdre Singvogel“, sagte ich zu ihr, ehe ich sie dann doch losließ. Das hier war ein Knotenpunkt in den Fäden des Schicksals, ich fühlte es genau. Ich wusste noch nicht, wohin das alles führen sollte, aber ich wusste genau, dass ihr und mein Schicksal jetzt verwoben war. Und seltsamerweise machte mir das keine Angst.
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