RE: Eichenhain östlich von Cheddar
Niamh sah gespannt zu Louarn auf. Seiner Ankündigung nach zu urteilen war es etwas Wichtiges und Ernstes. Etwas, was ihr womöglich ganz und gar nicht gefiel. Vielleicht war er bereits schon verheiratet und hatte ein Haus voller Kinder. Dieser Gedanke war ihr als erstes gekommen. Doch nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. Es musste etwas anderes sein, was ihm gerade so schwer fiel, darüber zu sprechen.
Er atmete mehrmals tief durch und fuhr sich mit seinen Händen über sein Gesicht. Dann begann er endlich. Er wollte über Dinge sprechen, die sie nicht wusste. Sie nickte und hörte ihm ganz ruhig zu, als er von seiner Mutter zu sprechen begann. Während er redete schien er ständig in Bewegung bleiben zu müssen. Vielleicht machte ihm es leichter, über diese schwierigen Dinge zu sprechen. Offenbar war seine Mutter von hoher Geburt gewesen und weil es für sie keinen Ehemann gab, hatten ihre Eltern sie nach Mona geschickt. Das erinnerte sie ein wenig an die Geschichte, die Ceridwen ihr über sich selbst erzählt hatte. Spätestens jetzt hatte sie eine kleine Vorahnung, worum es in seiner Geschichte ging. Das große Massaker von Mona! Selbst in ihrer Heimat sprachen die Leute, auch noch so viele Jahre danach, davon. Louarns Mutter war gerade einmal vierzehn Jahre alt gewesen, als die Römer gekommen waren und sie geschändet hatten. Als er weiter sprach, was danach mit den Priesterinnen und ihren Kindern geschehen war, konnte er nicht weiter sprechen, weil es ihm so schrecklich schwer fiel. Auch Niamh fehlten in diesem Moment einfach die Worte.
Mit unveränderter Miene wurden ihr nun einige Dinge klar. Seine Mutter war eine derjenigen, die schwanger geworden waren. Das bedeutete, Louarns Erzeuger war Römer gewesen. Wirklich nichts, worauf man stolz sein konnte! Aber war das schon alles gewesen? Nein, nach einer längeren Pause, in der sie nur schweigend da gesessen hatte und ihre Augen auf ihn gerichtet hielt, sprach er weiter über das, was nach dem Tod seiner Mutter geschehen war. Louarn war bei einem Druiden aufgewachsen, der überlebt hatte und begonnen hatte, ihn in die Geheimnisse ihres unendlichen Wissens einzuführen. Fünfundzwanzig Jahre dauerte für gewöhnlich die Ausbildung eines Druiden. Louarn hatte also gerade einmal die Hälfte dessen hinter sich. Vor allen Dingen aber lernte er, die Römer zu hassen und er legte einen Schwur ab, seine Mutter zu rächen. Um das vollbringen zu können, hatte er gelernt, was es hieß, ein Krieger zu sein.
Als er davon sprach, wie sein Lehrer versucht hatte, sein Haar schwarz zu färben, zuckte kurz ein feines Lächeln über ihre Lippen. Auch wenn er nicht die Erwartungen seines Lehrers erfüllte, so hatte er dennoch einen Schwur geleistet, wofür er gefährliche Dinge tun müsse. Auch sein eigenes Schicksal schien er bereits zu kennen, denn er machte sich keine Hoffnungen, dass er für alle Zeit unerkannt bleiben würde. Die Römer würden ihn dann foltern, um weitere Namen aus ihm herauszupressen, bevor sie ihn hinrichten würden.
Als Louarn geendet hatte, blieb Niamh immer noch schweigend sitzen. Erst viele Herzschläge später begann sie zu sprechen.
"Meine Mutter hat meinen Vater geliebt, obwohl ihre Ehe von ihren Eltern arrangiert worden war. Mein Vater war ein treuer Gefolgsmann des Königs. Seine Treue war so groß, dass er sogar für ihn sein Leben gegeben hat, obwohl er wusste, dass dies bedeutete, dass seine geliebte Frau, seine Kinder und all seine Männer und Diener sterben würden. Meine Mutter wusste, was sie erwarten würde, denn Machtkämpfe gab und gibt es zu allen Zeiten. Dennoch gab es für meine Mutter keine andere Option, als meinem Vater in den Tod zu folgen. Selbst dann nicht, als sie noch hätte fliehen können. Ich will auch nicht mehr fliehen, Louarn! Ich will vor nichts mehr weglaufen. Du bist ein Krieger und irgendwann auch ein Druide. Du hast einen Schwur geleistet, genauso wie mein Vater seinem König die Treue geschworen hat. Doch all das kann mich nicht daran hindern, an deiner Seite bleiben zu wollen."
Sie stand und ging auf ihn zu, um ihn dann in ihre Arme zu schließen. "Ich liebe dich, Louarn! Komme, was wolle und ich werde bei dir bleiben, solange die Götter es wollen. Ich werde deine Kinder gebären und groß ziehen, damit sie so mutig und stark werden, wie ihr Vater." sagte sie voller Überzeugung, als wäre das schon immer ihre Bestimmung gewesen.
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