RE: [Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
Ich hatte die letzten Nächte wirklich nicht gut geschlafen. So viele Dinge, die mir im Kopf herumgeisterten. Viel zu viele Dinge. Die sich vornehmlich um Frauen drehten, was beim Einschlafen mal so wirklich gar nicht half. Aber heute war irgendwas anders gewesen, als es mich mal wieder aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich konnte es nicht ganz greifen, es war mehr ein Gefühl. Aber in jedem Fall war ich wach und es trieb mich schon etwas früher raus. Ich hatte das Gefühl, ich sollte heute früher zur Arbeit erscheinen als sonst, auch wenn ich nicht glaubte, dass jetzt schon jemand wach wäre. So war es auch nicht, das Haus lag dunkel da, alles schien zu schlafen. Ich traf zufällig Peigi, die auch nicht hatte schlafen können und schon früher anfangen wollte, zu kochen. Auch sie hatte seltsame Träume gehabt. Ich ließ sie mit dem Ersatzschlüssel durch die Seitentür und schaute mich kurz im Haus um. Aber Flavianus Pü war gar nicht da. Er musste noch in seiner anderen Wohnung sein. Keine Ahnung, warum, vielleicht war es dieses ungute Gefühl in der Magengegend, aber ich beschloss, ihn abzuholen und ihm Geleitschutz, wenn man so wollte, zu seiner Praxis zu geben. Es war noch eine knappe Stunde bis Sonnenaufgang, also sollte er so langsam wachwerden, wenn er zu Sonnenaufgang starten wollte.
Die Stadt schlief und war ruhig. Eigentlich war es ein schöner Spaziergang, so durch die ruhigen Straßen. Ein bisschen tot alles für meinen Geschmack. Ich verstand nicht, warum Römer gerne alles mit Stein zupflasterten – wortwörtlich – aber gerade war es wenigstens friedlich.
Naja, bis ich zu der Ecke mit den zwei größten Steinblöcken weit und breit kam. Dort war die Wohnung von Flavianus Pü, wie ich wusste. Aber davor lungerten zwei Soldaten herum. Selbst wenn die nicht ihre lächerlichen Gürtel getragen hätten, hätte wohl jeder Kelte mit etwas Verstand sie als das erkannt, was sie waren. Sie lehnten gegen die Wand und bedachten alles und jeden,d er so früh schon unterwegs war, mit einem Blick, der Gewalt verhieß. Ganz so, als wären sie was besseres. Ich hasste sie jetzt schon.
Aber sie standen vor der Wohnung von Flavianus Pü herum, und das hieß nichts gutes. Was wollte die Legion von ihm? Und wenn sie etwas von ihm wollte, dann nur zwei schlecht verkleidete Kerle und wer auch immer bei Flavianus Pü noch drin war? Konnte noch ein Dutzend sein.
Es wäre sicher klüger gewesen, jetzt zu gehen und sich nicht einzumischen. Oder jemanden zu Hilfe zu holen. Die Römer mischten sich doch in alles mögliche ein, da sollte es sie interessieren, wenn ihr Medicus von der Legion beschlagnahmt wurde. Aber auf die war eh nie verlass. Aber wenigstens meine Brüder sollte ich holen. Oder wenigstens Calum. Wenn ich das richtig verstanden hatte, hatten er und Flavianus Pü irgendwas am laufen. Oder Alun, der mir definitiv noch einen gefallen schuldete.
Aber ich war nicht clever und wollte jetzt nicht gehen, wenn Flavianus Pü in Gefahr schwebte. Also tat ich, was ich immer tat: Ich machte es schlimmer.
In der Nähe kam wohl eine Prostituierte gerade von ihrer Arbeit zurück. Sie torkelte ein wenig müde und sah etwas angeschlagen aus. Und sie sah römisch aus, mit dunklen Locken und einem komisch aussehenden Kleid, das verdammt viel Haut zeigte. Sie war jung. Ich bemitleidete sie, auch wenn sie eigentlich ganz hübsch war. Aber begehrt hätte ich sie nie.
“Haia“, grüßte ich sie leise und erschreckte sie im ersten Moment, ehe sie entschied, dass von mir keine Gefahr drohte und sich in Pose schmiss. “He, Süßer! Na, so früh unterwegs? Kannst du nicht schlafen? Soll ich dir helfen? Es kostet nur drei lausige As, gleich hier an der Hauswand...“, spulte sie ihr Angebot ab, aber ich winkte ab. Drei As, verdammt, gaben sich römische Frauen billig her. Da musste sie ja täglich… nein, ich wollte da jetzt nicht drüber nachdenken.
“Nein, nein, danke. Du bist sicher toll, aber siehst du die beiden da drüben?“ Ich deutete auf die Legionäre.
“Die zwei, die aussehen, als hätten sie zuviel Essig gesoffen?“ fragte sie zurück und erhielt dafür von mir ein Lächeln.
“Ja, genau die. Ich zahl dir...“ Ich kramte in meiner Tasche und zog den Denar raus, den mir Flavianus Pü erst vor drei Tagen ausgezahlt hatte. “Diesen Denar, wenn du zu ihnen rübergehst und sie ein wenig anbaggerst. Wenn du es schaffst, dass sie mit dir mitgehen, kriegst du hinterher einen zweiten.“ Das war wahrscheinlich mehr, als sie die ganze Woche verdienen würde. Nein, das war ganz sicher mehr, so wie sie mich anschaute. Ihr Blick war sehr fest auf die Silbermünze geheftet. Sie zögerte, weil das Angebot zu gut war. “Ich soll einfach die beiden Kerle abschleppen? Was hast du vor? Willst du eine Wohnung ausrauben?“
Blöd war sie nicht. Ich grinste. “Für einen Denar sollte es dich nicht interessieren. Und von den beiden kriegst du sicher auch noch was.“
Sie wusste, dass ich irgendwas vorhatte, aber schließlich siegte die Gier und sie griff nach der Münze. “In Ordnung, Süßer. Aber wehe, du hältst dein Wort nicht!“ drohte sie mir noch einmal und machte sich dann auf, mit gekonntem Hüftschwung, auf einmal hellwach und durchaus verführerisch, schlenderte sie geradewegs mit einem feisten Lächeln auf die beiden Soldaten zu und gab sich wirklich alle Mühe, sie mit sich um die nächste Häuserecke für einen Moment zu locken.
Falke
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