RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer
Küssen tat weh. Diese verdammte Lippe würde die nächsten Tage noch schmerzen. Ich hoffte nur, dass sie nicht eitern würde, bis sie verheilt war, aber schmerzen würde sie mich. Und sie schmerzte mich auch jetzt. Dieser Moment, der unbeschwert und glücklich sein sollte, war mir geraubt worden, zusammen mit sehr viel anderem. Und doch beschwerte ich mich nicht, sondern kuschelte meinen Körper nur ganz eng an den von Owain, ließ mich von seinen Armen schützen und von seinen Berührungen wieder zusammenfügen, bis ich nicht mehr ganz zerbrochen war, wenngleich noch nicht wieder ganz.
Er liebte mich. Er sagte es, er zeigte es mir, und noch viel mehr, was ich nicht verstand. Aber das war auch nicht wichtig. Ich wollte gar nicht wissen, was er mir gesagt hatte. Ich wollte das hier. Und ich hatte mir endlich eingestanden, was ich fühlte, und es fühlte sich richtig an. Ich kannte die Liebe nicht, nicht so, aber es fühlte sich richtig an.
“Begehrst du mich noch?“, fragte ich irgendwann, als mein Herz im Takt mit seinem schlug und seine Wärme die Kälte in mir zurückgedrängt hatte. Auch vor dieser Antwort hatte ich Angst, und doch war ich gerade zu leicht, zu leer, um Angst zu haben. Ich wollte nicht, dass der Tribun uns das genommen hätte. Ich wollte mich nicht leer und tot fühlen. Am liebsten wollte ich einfach nur mit ihm weggehen, nach Londinium vielleicht, und all das hier vergessen. Wir könnten ein gutes Leben dort haben. Ich würde Mutter veranlassen, mir meinen teil auszuzahlen. Ja, sie würde ein paar Schulden deshalb haben, aber nicht lange. Und wir könnten uns in Londinium ein Haus kaufen. Eine Schmiede, vielleicht. Er würde arbeiten, und ich… ich… der Gedanke erschreckte mich. Ich hatte mein ganzes Leben entweder als Hetäre gearbeitet, oder mich darauf vorbereitet. Ich kannte nichts anderes. Ich wusste nicht, ob mir das Leben als Frau eines Schmiedes reichen würde. Aber wen es so war, wie jetzt, und ich in seinen Armen und in Sicherheit war, dann überlegte ich, es doch zu versuchen.
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