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Die alte Schmiede am Dorfrand
05-10-2023, 01:52 PM,
Beitrag #56
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
(05-09-2023, 10:39 PM)Liciniana Aglaia schrieb: Honigwein? Nein, das schmeckte anders. Ich kannte Wein, der mit Honig versetzt war, sehr gut. “Das schmeckt nicht wie Mulsum, da ist noch was anderes drin“, meinte ich lachend und nahm noch einen kleinen Schluck. Ich vertraute Owain und darauf, dass er schon auf mich aufpassen und mir ncihts zu trinken geben würde, was schädlich wäre. Auch wenn es stärker war als das, was ich kannte und ich vielleicht betrunken werden könnte – etwas, das für eine römische Dame überhaupt nicht in Betracht kam. Für Männer galt es schon als unschicklich, betrunken zu sein, aber Frauen war es eigentlich sogar verboten. Theoretisch durften sie nicht einmal Wein trinken, aber daran hielt sich niemand. Aber eine betrunkene Frau? Oh weh, wäre ich nicht schon infam, nach einem Besäufnis wäre ich es garantiert. Aber ich machte langsam, ich fürchtete einen Kater, oder noch schlimmer, dass ich Owain vor die Füße kotzen könnte, wenn ich zu viel trank.
Er nahm mein Kompliment zu dem Hasen dankbar auf und sah selbst so aus, als hätte er ein kaiserliches Mahl vor sich, und ich schmunzelte einfach wegen seiner Freude daran. Ich aß langsam, um mir nicht die Finger zu verbrennen, und erzählte nebenbei. Irgendwie hatten wir so wenig über meine Vergangenheit geredet wie über seine, schien mir. “Ja, eine Ratte. Die schmecken furchtbar. Und es ist nicht mal was dran an den Biestern. Aber besser als nichts, und auf der Straße wäre es zu gefährlich gewesen.“
Er fragte nach dem Krieg und ich stellte den Teller vor mir ab und lehnte mich etwas zurück, um mir die Sterne über mir anschauen zu können. “In Rom sieht man nachts so gut wie keine Sterne, nur von ganz wenigen Orten aus“, sagte ich und stützte mich mit den Händen hinter mir ab, um besser hinauf schauen zu können. Hier gab es so viele Sterne. Ich hatte nicht gewusst, dass sie so zahlreich waren, bis ich aus Rom wegging.
“Nachdem Kaiser Nero getötet worden war… wie war das? Erst kam Galba, der überall Schulden eintreiben ließ und sehr viele Leute hinrichten ließ. Eine ganze Legion soll er abgeschlachtet haben, weil die ihren Sold verlangt hat. Nichts weiter, nur den Sold, der ihnen zustand. Und Rom ließ er hungern, weil er die Getreidespeicher schloss.
Dann kam es zum Putsch… ähm, also ein anderer, Otho, ergriff die Macht.“
Ich wusste nicht, ob Owain das Wort Putsch verstand. “Er hat Galba angegriffen, und es gab einen großen Kampf zwischen Galbas Anhängern und denen von Otho. Galba starb, und Otho herrschte. Und wir dachten alle, jetzt sei der Frieden zurück, denn Otho machte eigentlich alles richtig. Es gab wieder genug zu essen in der Stadt, wir fühlten uns alle sicher. Aber… dann kam Vitellius mit seinen Legionen.“
Einen Moment verstummte ich und schaute einfach nur zu den sternen hinauf. Sie sahen so friedlich aus. “Er besiegte Otho in einer Schlacht, und Otho befürchtete, dass Vitellius Rom selbst belagern und angreifen würde. Um das zu verhindern, tötete er sich selbst und überließ so Vitellius kampflos das Feld.
Aber Vitellius war furchtbar. Seine germanischen Truppen, sie… Sie haben viele schlimme Dinge in Rom getan. Viele Mädchen, die nicht mehr nach Hause kamen, viele Händler, die im Streit getötet wurden, viel Gewalt ohne jeden Grund. Er hat sogar die Palastsklaven ermorden lassen, einfach so, zum Vergnügen.“
Ich hatte Geschichten gehört von den jungen Eunuchen, die noch von Nero übrig geblieben waren. Schlimme Geschichten.
“Und dann kam Kaiser Vespasianus aus dem Osten. Er hatte in Judaea gekämpft. Das… liegt viele tausend Meilen im Osten. Und dort hatte er gesiegt, und deshalb rückte er auf Rom vor. Sein Bruder war schon in Rom und verhandelte mit Vitellius über die Kapitulation, um Blutvergießen zu vermeiden. Aber Vitellius hat ihn umbringen lassen. Seine Truppen haben ihn öffentlich hingerichtet, nur Stunden, bevor Vespasianus dann ankam. Vespasianus hat die Stadt gestürmt und… es gab viele Kämpfe, den ganzen Tag lang. Und auch noch mehrere Tage danach. Sehr viel Blut. Sehr viele Schreie. Und am Ende war Vespasian Kaiser.“
Ich schaute wieder zu Owain. “Ich hoffe, dass ich das nicht noch einmal erleben muss. Ich hoffe, unsere Völker können einen anderen Frieden schließen.“

Ich hatte kaum zuende erzählt, als wir angesprochen wurden. Erschreckt fuhr ich hoch und schaute mich um. Da stand eine ältere Frau, der Kleidung nach zu urteilen eine Keltin. Ich hatte das Guten Abend, Owain, verstanden. Den Rest nicht. Und ich nahm an, dass das, was Owain sagte, ihr Name war. “Guten Abend, Gurach“, versuchte ich sie in ihrer Sprache zurückzugrüßen, trotz meines sicher fürchterlichen lateinischen Akzentes. Aber ich wollte ja freundlich sein und kannte weder keltische Bräuche an sich, ob es normal war, da nachts einfach beim Nachbarn aufzutauchen, noch die speziellen Gepflogenheiten zu Beltane. Also war die Devise, nett sein und auf das Beste hoffen.

"Nein, nicht Mulsum! Wein aus Honig!" versuchte ich sie zu korrigieren. Dies hatte ganz und gar nichts mit diesem widerlichen Gesöff zu tun, was die Römer als besondere Köstlichkeit feierten und vor dem Essen tranken. Doch auch wenn es kein Mulsum war, schien es ihr zu schmecken, denn sie nahm gleich noch einen Schluck. Zum Essen mundete er hervorragend.
Währenddessen sprach sie weiter und richtete ihren Blick gen Himmel. Sie meinte, man könne in Rom fast keine Sterne am Himmel sehen. 
"Aha" machte ich ein wenig ungläubig und legte meine Stirn in Falten. Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Ein Nachthimmel ohne Sterne? Gut, gelegentlich versperrten die Wolken die Sicht auf die Sterne. Aber eben nur ab und zu.  Dann berichtete sie weiter davon, was sich damals noch zugetragen hatte. Nicht alles konnte ich auf Anhieb verstehen. Jedoch begriff ich die Zusammenhänge. Scheinbar hatten sich die Römer ein ganzes Jahr lang gegenseitig umgebracht. Regelrechte Massaker hatten sie angerichtet! Nicht schön für ein junges Mädchen, wenn es in einem solchen Umfeld aufwachsen musste! Ein Teil in mir fragte sich aber dann doch bitter, warum sie das nicht auch hier gemacht hatten. Dann wären wir sie schon längst losgeworden und hätten unsere Freiheit wieder. Aber dann wären wir uns wahrscheinlich auch nie begegnet.


Sie schaute mich wieder an und hoffte darauf, dass es eines Tages einen anderen Frieden geben könnte. Ein römischer Friede, geisterte mir gerade noch durch den Kopf, als die Gwrach aufgetaucht war. Sie erinnerte mich gleich wieder daran, wie sie mir geholfen hatte, ein gutes Versteck für die Waffen zu finden und überraschte mich, als sie sagte, sie sei eine der Priesterinnen von Mona gewesen. Zum Glück konnte das Aglaia nicht verstehen, sonst hätte sie sich sicher dazu genötigt gefühlt, auch das zu melden.

"Eine ehrwürdige Priesterin? Du?" fragte ich nun etwas verwirrt. Da fiel mir ein, immer wenn die Gwrach auftauchte, verwirrte sie mich sogleich. Die Tatsache, dass sie Latein sprach, als sei sie eine Römerin, während sie Aglaias Gruß entgegnete, verstärkte das Ganze noch. Völlig konfus war ich, als sie sich dann wieder an mich wandte und problemlos wieder ins Keltische wechselte.

"Ich bin ihr verpflichtet, aber ich liebe sie auch. Und ich kann wohl kaum mit ihr zu einem der heiligen Orte gehen. Die würden sie dort glatt lynchen und den Göttern opfern!" Dann sprach sie wieder zu Aglaia und gab sich als einfache alte Frau aus, die scheinbar Hunger hatte und nicht allein sein wollte. Ich sah kurz zu Aglaia und zog die Augenbrauen nach oben. So hatte sie sich den Abend bestimmt nicht vorgestellt. Andererseits wollte ich auch nicht riskieren, die Gwrach zu verärgern.

"Aber bitte, setz dich doch für einen Augenblick zu uns!" Ich bot ihr den Rest des Hasen an, den ich noch auf dem Teller hatte und reichte ihr ein Stück Brot dazu. Beides nahm sie, ohne mit der Wimper zu zucken an und futterte drauf los. Das musste für Aglaia alles sehr befremdlich sein, denn woher sollte sie wissen, was eine Gwrach war?  "Gwrach ist nicht ihr Name. Bedeutet, sie ist weise Frau hier von Dorf." In gewisser Weise stimmte das ja vielleicht auch. Auch wenn sich jeder vor ihr fürchtete, sobald sie um die Ecke kam.
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