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Die alte Schmiede am Dorfrand
05-08-2023, 10:03 PM,
Beitrag #51
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Als Owain noch einmal hineinging, hatte ich schon Angst, dass er gleich die kaputten Schwerter auch herausbringen würde, um sie mir zu zeigen. Aber nein, er holte nur etwas Geschirr und Brot und etwas zu trinken. Ich unterdessen musste mich davon abhalten, an meinen Fingernägeln zu kauen, eine Unart, die meine Mutter früh angefangen hatte, zu bestrafen. Kein Mann mochte zerkaute Nägel sehen. Aber grade im Moment, während ich so dasaß und darüber nachdachte, wie ich am besten wieder aus diesem Schlamassel herauskommen könnte, in den ich unbeabsichtigt gestolpert war, war der Wunsch doch sehr groß.
Ich saß auf dem Boden und schaute in die Flammen. Vertrau mir, hatte Owain gesagt. Ich vertraute ihm ja, aber ich wusste, wie schnell ein dummer Zufall tödlich enden konnte. So lange war das Vierkaiserjahr noch nicht her, und auch, wenn ich ein Kind gewesen war, hatte ich da zu viel gesehen, als dass ich da einfach entspannt bleiben konnte, wenn Waffen im Spiel waren. Oh, ich konnte mich gut verstellen und es sehr gut überspielen. Aber wie es in mir drin aussah, war eine ganz andere Geschichte.

Owain reichte mir einen Becher und bat mich, zu probieren. Wenn er so anfing, war es wohl kein Wein. Ich roch erstmal an dem Getränk, aber bei dem Geruch des Lagerfeuers und des Hasen roch ich nicht viel anderes. Ich nahm einen vorsichtigen, kleinen Schluck und schaute dann fragend auf. “Das ist süß. Und ein bisschen bitter. Was ist das?“ fragte ich und nahm noch einen kleinen Schluck. Es schmeckte irgendwie ungewohnt. Nicht schlecht, aber eben ungewohnt. Und wohl etwas stärker als die dinge, die ich sonst trank. “Willst du mich mit süßem Zaubertrank betrunken machen?“ fragte cih neckend. Ja, necken tat gut, das war viel besser, als sich zu sorgen und über Schwerter und Speere nachzudenken.
Der Hase war dann auch soweit, und Owain zerlegte das Ding für uns und gab mir schließlich einen Teller und etwas Brot. Es war nicht so, dass ich ein übergroßer Fan von Gemüse war, aber dass gar keines dabei war, war auch etwas ungewohnt. Ich hatte gedacht, dass die Kelten uns da ähnlich seien, aber vielleicht lag es auch an Beltane und den Gebräuchen dazu. Oder Owain konnte nicht viel kochen. Egal, ich würde mich heute sicher nicht beschweren, wo er sich doch Mühe gab.
Ich probierte also etwas von dem Fleisch. Außen war es… nennen wir es knusprig, und insgesamt vielleicht ein wenig zäh, was aber sicher an dem Hasen lag, und mir fehlte etwas Salz oder Garum, aber es war nicht schlecht, und ich lächelte Owain an. “Ist gut. Danke. Für das Jagen und zubereiten und alles.“ Ich nahm trotzdem einen etwas größeren Schluck von meinem Getränk, um alles runterzuspülen, und zupfte ein wenig mit den Fingern das Fleisch in kleinere Häppchen.
“Hab ich dir mal vom Vierkaiserjahr erzählt?“ fragte ich ihn. Aber nein, hatte ich natürlich nicht, wie auch. “Das war furchtbar. Ist jetzt… zehn Jahre sind das jetzt schon. Oder neun? Nun, egal, auf jeden Fall war quasi das ganze Jahr lang Krieg in der Stadt, mit kurzen Verschnaufpausen dazwischen. Aber andauernd wurde Rom belagert oder von marodierenden Horden beherrscht, und man konnte kaum auf die Straße, weil man nie wusste, wer jetzt Anhänger von wem war. Furchtbar, sag ich dir. Und andauernd gab es Probleme bei der Versorgung, weil kein Getreide mehr nach Rom kam und die Händler wegblieben oder alles von den Soldaten des Vitellius weggefressen wurde. Einmal hatten wir eine wirklich entsetzliche Woche, wo einfach nur Straßenschlacht draußen war. Überall nur Mord und Totschlag. An unserem Brunnen hatten sie Köpfe aufgestellt von angeblichen Verrätern.
Opa hat für uns dann ein paar Ratten gefangen, die wir gegessen haben. Damals war er noch sehr agil und fit.“
Keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet jetzt wieder einfiel und ich das erzählte. “War zum Glück nur das eine Mal. Ich war noch ein Kind, aber ich werd das wohl nie vergessen.“ Vielleicht war es deshalb, weil Owain mich für sehr fein halten musste. War ich ja auch, und wollte ich auch sein. Aber es war nicht so, als würde ich nicht auch die andere Seite kennen. Wenn auch nicht so gut.
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Die alte Schmiede am Dorfrand - von Licinianus Owain - 04-23-2023, 01:08 PM
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