RE: [Zwischen Markt und Villa Claudia] Nachhauseweg mit Linos
Das mit den Griechen konnte ich wirklich verstehen. Ich meine, ich war eine halbe Alexandrinerin, äh nein, ich war dort nur aufgewachsen:
"Dafür wurde Rom dann zu eurem Schüler", sagte ich tröstend: "All die hübschen Dinge aus Marmor, die Bildung und die feine Art, das haben wir doch von Griechenland. Agamedes sagt immer, sie hätten die wilden Eroberer erobert..."
Und der nächste Satz von Linos änderte alles. Bisher war mein Leben einfach gewesen. Und überschaubar. Ich wusste gar nicht, dass es möglich war, so schnell ins Chaos geschleudert zu werden. Mein Herz pochte bis zum Hals, und ich wurde rot wie ein Granatapfel. Linos sagte mir, dass er mich liebte. Es war von so unendlicher Süße und Traurigkeit. Und es war so unendlich absurd.
Ich schaute mich unwillkürlich um, ob uns jemand gehört hatte. Linos hatte ganz Recht, für diese Anmaßung würde mein Onkel ihn vielleicht ins Bergwerk schicken. Er war zwar kein Sklave sondern ein Freigelassener, doch gab es nicht so einen Paragraphen wegen grober Undankbarkeit? Nein, das durfte nicht geschehen. Niemals.
Und Linos war so hübsch und gut, und ich hatte ihn gerne. Wie es wohl wäre, wenn er mich küsste... NEIN! Ich hatte nicht einmal Iulius Cato einen Kuss gewährt, und dem Griechen würde ich geben, was ich dem Patrizier verweigerte? Xerxes, ich wollte Xerxes heiraten. Auch wenn er nichts von mir wissen wollte.
Chaos. Ich wünschte mich in den Garten zurück, in den Schatten, um mich auf Schriftrollen mit den Problemen von Leuten herumzuschlagen, die schon hunderte Jahre tot waren. Das war wenigstens unkompliziert.
Ich schaute Linos so hochmütig an wie ich nur konnte, und dann sagte ich leise: "Das habe ich nicht gehört, Claudianus. Oder sprichst du im Fieber? Dann bitte ich meinen Onkel, den griechischen Medicus zu holen. Und nun wäre ich dir dankbar, dass Du mich nach Hause begleitest"
Ich schaute ganz starr und schluckte die Tränen hinunter. Nicht weinen,Claudia, sagte ich mir vor und behielt Haltung. Ich log. Oh wie ich Linos anlog. Er war aufrichtig, und ich war es ganz und gar nicht. Ich wäre so gerne in Tränen ausgebrochen, aber das tat ich nicht vor anderen. Niemals.
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