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Normale Version: [Zwischen Markt und Villa Claudia] Nachhauseweg mit Linos
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(Und Bran. Das kleine Wiesel kam selbstverständlich mit)
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Ich ging neben Linos her. Ab und zu schaute ich ihn von der Seite an und dann fragte ich ihn:
"Linos, würdest du mit mir ab und zu  Griechisch reden? Ich würde mich freuen. Aber lache mich nicht aus wegen meines Alexandriner Dialekts. Woher kommst Du eigentlich?",
den letzten Satz stellte ich bereits in Koine. Ich hatte mich in Iscalis eingewöhnt, aber ab und zu vermisste ich  Alexandria. Hach, wenn wir im Sommer auf den Flachdächern schliefen und Tücher spannten, so dass die ganze Stadt aussah, als würden die gespannten Segel einer Flotte direkt in den blauen Himmel aufbrechen. So schön. 
Und es war... als hätten Linos und ich wenigstens etwas gemeinsam, auch wenn es nur die Sprache war.
Endlich lächelte ich Sabina einmal an. „Gerne doch“ war meine kurze Antwort. Bei ihrer nächsten Frage spürte ich wie mir wieder die Röte in mein Gesicht kam. Nein bitte, jetzt nicht flehte ich zu wem auch immer. Das war aber nicht nur ihrer Frage geschuldet, mehr noch der Gedanke.
Meine Gedanken waren so oft mit ihr beschäftigt gewesen, schmerzhaft hatte ich versucht sie mir aus meinem Gehirn zu streichen, doch es ging einfach nicht. Jetzt erst bei dieser Frage bemerkte ich sie befasste sich näher mit mir. Hatte sie dies schon öfter gemacht? Dabei hatte ich angenommen, sie hatte mich war genommen, ja als eine Person die über den Sklaven stand, das war es dann auch schon. Interessierte sie sich wirklich für mich? Es schien so, warum sonst hätte sei nach meiner Herkunft gefragt.
Erleichterung klang beim Ansatz meiner Antwort mit. Hatte sie das jetzt gehört, Hoffnung kam in mir auf.
„Mein Vater war ein Weinhändler auf Kreta. Aus welchem Grund es geschah, weiß ich nicht, mein Vater hat es mir nie erzählt. Plötzlich waren die Soldaten da, nahmen meine Familie und alle die auf unserem Besitz lebten gefangen. In Rom kamen meine Eltern und ich in den Besitz der Claudier. Meine Eltern kamen auf ein Landgut der Claudier. Wir Kinder wurden aufgeteilt, ich kam in die Villa Claudia in Rom. Zuerst war ich ein Laufbursche, bald schon wurde ich aber unterrichtet. Da ich anscheinend ein gelehriger Schüler war, wurde sehr schnell und sehr jung Scriba. Es ging noch weiter, ich wurde der persönliche Schreibers des Consulars. Ehe wir abreisten wurde ich freigelassen und zum Verwalter in Britannien bestimmt.“
Schnell hatte ich meine Antwort herunter gespult, denn es nagte in mir, mein Leben lang. Es war Scham, ich war kein freier Mensch mehr seit ich Kreta verlassen hatte und das nicht aus eigener Schuld.
Mir lief ein Schauder über den Rücken. Ich wusste, dass früher auch schon Kinder hingerichtet worden waren, obwohl das Gesetz es verbot. Aber es hatte Kaiser gegeben, die sich über jedes göttliche und menschliche Gesetz hinweggesetzt hatten. Rom war schon lange nicht mehr in Krieg mit Griechenland. Wenn man freien Griechen so etwas antat, mussten sie den Zorn einer sehr hochgestellten Persönlichkeit auf sich gezogen haben. 
Ich war immer noch in dieser seltsamen weichen Stimmung: "Das tut mir so Leid, Linos", flüsterte ich: 
"Dann bist du ja freigeboren. Oh, es war gewiss Unrecht, was deiner Familie und Dir geschehen ist. Ich bin mir sicher, dass mein Onkel das nie zugelassen hätte, hätte er es verhindern können. Er ist durch und durch ehrenhaft"
Ich war stehen geblieben und biss mir auf die Unterlippe. Linos hatte ein Schicksal. Ein grausames. Das es nicht zu Hass auf uns Römer umgeschlagen war, sprach für einen guten Charakter. Oder stimmte das gar nicht. Vielleicht war er deshalb so unnahbar. Vielleicht mochte er mich deswegen nicht:

"Ich habe immer bewundert, wie klug und umsichtig Du bist", gab ich zu und spürte, wie mein Gesicht rot wurde. Linos hatte Traumaugen. Sie waren braun und mit langen Wimpern bekränzt. Er war gewiss klug, doch das war es gar nicht, was ich in diesem Moment bewunderte:
"Sage einmal, hast Du Wut auf uns Römer?", fragte ich: 
"Also ich an deiner Stelle würde platzen vor Wut. Keine Sorge, wenn es so ist. Ich werde es gewiss niemandem verraten. Dafür gebe ich Dir mein Ehrenwort bei den Laren der Claudier. Doch Du bist mir bisher stets aus dem Weg gegangen und hast mich nie angesehen. Deshalb habe ich mich auch nie getraut, dich zu fragen, ob du mir hilfst mit Griechisch"
Ich hoffte, dass Linos mir gegenüber wahrhaftig sein würde.
Es war schon seltsam, jetzt hatte ich völlig unerwartet die Gelegenheit, mit der wunderschönen Sabina zu sprechen, dennoch viel es mir schwer, sie anzusehen. Nach meiner Meinung, konnte mir jeder meine Gefühle für sie ansehen. Dazu kam noch das wahnsinnige Herzklopfen. Ich schaute an mir hinab und wollte prüfen ob man sah, wie meine Tunika sich, in dem Rhythmus des Herzschlages, bewegte.
Dann aber hörte ich ihre sanfte ein wenig traurige Stimme. Nein sie sollte nícht traurig sein, nicht wegen mir. Außerdem liebte ich ihre Glocken klare Stimme, besonders wenn sie lachte. „Ob das was mit mir und meiner Familie geschah, rechtens war, weiß ich nicht. Traurig machte mich nur, das meine Mutter und meine Geschwister, für etwas bestraft wurden, an dem wir keine Schuld hatten,“ kam leise von mir. Unsicher wurde ich als das Thema auf Claudius Menecrates kam. Natürlich war er ehrenhaft, durch und durch ein Römer, der seine Prinzipien hatte. Er konnte auch duldsam sein, doch er wusste stets seine Kopf durchzusetzen.
Ob ich Hass auf die Römer habe? Nein, du weißt doch auch zu allen Zeiten wurden unterlegene Völker zum Sklavendienst verurteilt. Traurig macht mich, dass die Griechen mit ihrer langen Geschichte, ihrer überlegenen Bildung und ihrer Kultur, von einem so jungen Volk, ja und verzeih so einem aus dem nichts entstanden Volk so besiegt wurde.“ Ein tiefer Seufzer entfuhr mir, doch es ist der Lauf der Dinge, Völker erblühen erheben sich und vergehen wieder.
Bei dem was die Caudia Sabina dann sagte errötete ich, mein Rot übertraf ihr Rot bei weitem. Ich gab mir einen Ruck und schaute sie an. „Ja es stimmt, ich bin dir aus dem Weg gegangen. Es war zu meinem Schutz, denn ich habe mich, in dich, unsagbar verliebt. Wenn dein Onkel erfährt das ich dir das gesagt habe, schickt er mich, wie er mir androhte, in die Bleimine.“ So jetzt war es raus, denn ich hatte es einfach nicht für mich behalten können, sie sollte mich weder für einfältig noch für eingebildet halten und schon gar nicht denken, ich würde sie hassen.
Das mit den Griechen konnte ich wirklich verstehen. Ich meine, ich war eine halbe Alexandrinerin, äh nein, ich war dort nur aufgewachsen:
"Dafür wurde Rom dann zu eurem Schüler", sagte ich tröstend: "All die hübschen Dinge aus Marmor, die Bildung und die feine Art, das haben wir doch von Griechenland. Agamedes sagt immer, sie hätten die wilden Eroberer erobert..."

Und der nächste Satz von Linos änderte alles. Bisher war mein Leben einfach gewesen. Und überschaubar. Ich wusste gar nicht, dass es möglich war, so schnell ins Chaos geschleudert zu werden. Mein Herz pochte bis zum Hals, und ich wurde rot wie ein Granatapfel. Linos sagte mir, dass er mich liebte. Es war von so unendlicher Süße und Traurigkeit. Und es war so unendlich absurd.
Ich schaute mich unwillkürlich um, ob uns jemand gehört hatte. Linos hatte ganz Recht, für diese Anmaßung würde mein Onkel ihn vielleicht ins Bergwerk schicken. Er war zwar kein Sklave sondern ein Freigelassener, doch gab es nicht so einen Paragraphen wegen grober Undankbarkeit? Nein, das durfte nicht geschehen. Niemals.
Und Linos war so hübsch und gut, und ich hatte ihn gerne. Wie es wohl wäre, wenn er mich küsste... NEIN! Ich hatte nicht einmal Iulius Cato einen Kuss gewährt, und dem Griechen würde ich geben, was ich dem Patrizier verweigerte? Xerxes, ich wollte Xerxes heiraten. Auch wenn er nichts von mir wissen wollte. 
Chaos. Ich wünschte mich in den Garten zurück, in den Schatten, um mich auf Schriftrollen mit den Problemen von Leuten herumzuschlagen, die schon hunderte Jahre tot waren. Das war wenigstens unkompliziert.
Ich schaute Linos so hochmütig an wie ich nur konnte, und dann sagte ich leise: "Das habe ich nicht gehört, Claudianus. Oder sprichst du im Fieber? Dann bitte ich meinen Onkel, den griechischen Medicus zu holen. Und nun wäre ich dir dankbar, dass Du mich nach Hause begleitest"
Ich schaute ganz starr und schluckte die Tränen hinunter. Nicht weinen,Claudia, sagte ich mir vor und behielt Haltung. Ich log. Oh wie ich Linos anlog. Er war aufrichtig, und ich war es ganz und gar nicht. Ich wäre so gerne in Tränen ausgebrochen, aber das tat ich nicht vor anderen. Niemals.
Sie hätten die wilden Eroberer erobert, wiederholte ich in Gedanken. „Das werde ich mir merken, diesen Satz sollte man den all zu arroganten Römern um die Ohren schlagen“, kam allzu spontan von mir. „Entschuldige bitte“, fügte ich hastig hinzu. Sie war nun einmal Römerin, nur dass, sie es bestimmt niemanden merken lies.
Dann nach meiner Erklärung, war dieses unbeschwerte Gespräch wie weg gewischt. Wie erstarrt beobachtete ich die Reaktion von Christina. Wenn sie jetzt umgefallen wäre, hätte ihr ich nicht herbeispringen können, um sie auf zu fangen. Warum nur hatte ich das gesagt? Ich hätte doch wissen müssen, dass damit alles zwischen uns für immer zerstört würde. Ob sie mir je wieder vertrauen würde? Mich einfach ansprechen würde oder mich in Zukunft doch lieber mied?
Es geschah das was kommen musste, vor mir stand da plötzlich eine Römerin, sie sprach wie eine kalt und beherrscht. Sie hatte diese Rolle verinnerlicht und konnte sie mir verdeutlichen, genau wie meinen Stand.
Selbstverständlich Claudia Sabina“, kam von mir, als ich mich mühsam aus meiner Erstarrung befreite. Ihre Kälte hinterließ ein schaudern in mir. Noch einmal glitt ein prüfender Blick von mir über wunderschönes Antlitz. War das was ich in ihren Augen, mühsam von ihr unterdrückt sah eine Träne? Dieser feuchte Blick verursachte mir Herzklopfen und weiche Knie. Schnell richtete ich meine Augen auf einen Punkt am Himmel. Meine Fäuste ballten sich, meine Fingernägel drückten sich schmerzhaft ins Fleisch. Mit zusammen gebissenen Zähnen stand ich da, wusste nicht mehr wo ich gehen sollte? Vor ihr oder hinter ihr? Neben ihr zu gehen traute ich mich nicht. Was wenn wir uns durch irgendeine Situation berühren würden?
Bran kam mir in den Sinn. Der brav wie ein Hündchen hinter uns her trottete. „Bran gehst du vor? Ich folge euch dann“. Welch ein Trauerzug, in Richtung Villa.
Ich tat natürlich, was Linos anordnete und ging an Domina Sabinas Seite. Und Linos blieb zurück.  Dabei war ich so erschrocken, dass ich den Mund hielt und ganz traurig wurde.
Und dann dachte ich, dass Mädchen alle gleich waren auch wenn sie Herrinnen waren. Das sagten die anderen Jungs. Nämlich unberechenbar waren sie. Und jetzt hatte die junge Domina unseren Hausverwalter traurig gemacht.
Aber dann sah ich, dass die junge Herrin auch aussah, als würde sie gleich weinen, und nun verstand ich gar nix mehr. Linos ging voran, und ich lief neben Claudia Sabina her. Sie würdigte mich keines Blickes. Sie nannte mich nicht einmal "Kleines Wiesel", was sie sonst oft tat.
Verstehe einer die Erwachsenen.