RE: Das Triclinium - der Speisesaal
Nautius Philus war also keltischer Abstammung, und nun da Saturninus über diesen Makel der Geburt bei dem jungen Patrizier informiert war, vermeinte er, gewisse keltische Anzeichen zu entdecken: Die klaren fast blauen Augen, die Körpergröße und der zweifellos gut gebaute Leib - diese Barbaren hatten fast alle gute Körper. Aber er schalt sich selbst wegen seiner Vorurteile: Hätte er nichts gewusst, hätte er garnichts entdeckt. Auch der Divus Caesar Augustus, der erste Kaiser Roms, war blond gewesen und hatte das auf seine Abstammung von Venus zurückgeführt.
"Die Herkunft deiner Großmutter ist sehr ...interessant. Hat sie dir denn ihre Sprache gelehrt? Das wäre nützlich bei Kontakt mit den wilden Stämmen. Manchmal glaube ich, dass es nur zu Streit zwischen uns und den Britanniern kommt, weil wir uns gegenseitig nicht so recht verstehen, und ein Römer deines Ranges, der ihre Sprache und Gewohnheiten beherrscht, kommt vielleicht im Guten weiter - wo wir gleich mit dem Gladius dreinschlagen" , er lächelte anerkennend:
"War der hiesige Nautius dein einziger Bruder? Ich selber habe leider keine noch lebenden Geschwister. Ich habe es mir jedoch immer schön vorgestellt, noch Brüder zu haben. Ich kann es also nicht beurteilen, aber ich kann mir vorstellen, dass man bei einem so großen Altersunterschied zuweilen nichts miteinander anzufangen weiß"
Es mochte noch andere Gründe für die Abneigung des älteren Nautius geben, dachte Saturninus. Blondes Haar und helle Augen beispielsweise. Jedoch wollte er nicht nachbohren, um den Gastfreund nicht in Verlegenheit zu bringen.
Kiki aber irritierte ihn, obwohl sie aussah wie eine aus schwarzem Basalt gehauene Aphrodite. Sie versuchte für seinen Geschmack zu sehr, zu gefallen. Das was bei Aglaia natürlich und selbstverständlich wirkte, war bei ihr...irgendwie quietschig.
Er war sich sicher: Hätte ihm Aglaia ein Kompliment über sein Haus gemacht, hätte sie eine bestimmte Statue oder einen interessanten Blickwinkel der Inszenierung herausgehoben. Hach, es ging halt nichts über Griechinnen.
Nicht, dass Saturninus auf Nautius Philus eifersüchtig gewesen wäre. Es war lange her, dass er sechzehn Jahre alt und wegen der Nichtbeachtung durch eine ebenso schöne wie geschäftstüchtige Hetäre in Trübsinn verfallen war. Jetzt war er ein römischer Mann, der mit Liciana Aglaia eine zwar angenehme, aber doch unsentimentale Beziehung unterhielt.
Er tat so, als wäre es ihm gleich, welche der Damen mit ihm ginge, doch er reichte Aglaia die Hand. Nur wer ihn kannte, bemerkte, wie seine Augen sich verdunkelten:
"Es wäre mir eine Freude, mit dir zu speisen, Aglaia", sagte er wie zufällig und führte sie zu seiner Liege. Ganz gezielt dagegen winkte er Spiros heran. Der junge Sklave war ein lieber Junge, jedoch definitiv noch in dem Alter, in dem man sich nichts aus Mädchen machte:
"Das ist Spiros, und er ist heute Abend ganz für deine Bedienung da", sagte er:
"Aglaia spielt übrigens Lyra ,und von Kiki habe ich gehört, dass sie eine gute Flötenbläserin ist. Vielleicht bekommen wir nachher ja eine Kostprobe zu hören"
Er platzierte sich so, dass sich Aglaia sich zu ihrer Rechten weiter mit Philus unterhalten konnte, falls sie das wünschten. Wenn seine Freundin später ihre Gunst Nautius Philus schenken wollte, hätte er nichts dagegen. Vielleicht würde der Junge sie sogar zur Dauerfreundin nehmen und aushalten. Saturninus verstand durchaus, dass Aglaia sehen musste, wo sie blieb. Er wünschte ihr wirklich nur Gutes.
Andere Sklaven brachten eine große Silberplatte mit hartgekochten Eiern, frischem Spargel und Wachteln, was man alles bequem aus der Hand essen konnte. Die anwesenden Serviersklaven machten sich daran, je nach Wunsch für jeden Silberteller zu füllen und legten große silberbestickte Servietten und Fingerschalen daneben.
|