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Cubiculum | Aglaias Privatzimmer
04-18-2023, 07:24 PM,
Beitrag #7
RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer
Ich hörte ihm zu, während er redete. Mir war klar, dass er nicht über mich sprach, sondern über seine Frau, und ja, es tat weh. Ich warf es ihm nicht vor. Ich hatte gefragt und ich wollte es ja wissen, um meine Gefühle einordnen und zuordnen zu können. Und ich versuchte, das, was er sagte, mit dem zu vergleichen, was ich fühlte. Ja, mein Herz machte manchmal seltsame Sprünge, aber nur manchmal, nicht immer, wenn wir zusammen waren. Und ich war mir auch nicht sicher, ob es durch den ganzen Körper ging. Es war mehr, als wäre da ein Loch gewesen, das ich bislang nie bemerkt hatte, und als würde das langsam mit etwas anderem gefüllt. Wie ein ständiges Ziehen in meiner Brust. Und wenn ich ehrlich war, dann war es nicht so, als könnte ich nicht mehr alleine sein oder gar nicht mehr mit anderen Männern intim werden. Ich war nur lieber bei ihm, genoss es mit ihm mehr, konnte mich mehr fallen lassen, konnte mir vorstellen, wie es wäre, wenn da keine anderen Männer wären, und es machte mir keine Angst, sondern fühlte sich schön an. Aber reichte das schon? Ich glaubte irgendwie nicht. Wahrscheinlich stimmte es, was alle Welt sagte, und Mädchen wie ich waren zu dem Gefühl nicht wirklich fähig. Und das, was ich fühlte, war vielleicht doch etwas anderes. Etwas, das ich auch nicht benennen konnte, aber eben nicht das, auch wenn ich gedacht hatte, es könnte so sein.

Er erzählte weiter von seiner Frau und den Sorgen, die er hatte. Auch das tat weh, aus mehreren gründen. Nein, ich war ihm wirklich nicht böse und nicht einmal wirklich eifersüchtig. Ein wenig, sicher, aber nicht rasend oder rachsüchtig oder so etwas. Mehr… traurig und mitleidig mit ihm. Traurig, dass ich das Gefühl bei ihm weder auslösen konnte, noch wohl nachfühlen konnte. Mitleidig, weil ich nicht wollte, dass er litt. Ich wollte, dass er glücklich war, und es machte mich traurig, dass er es bei mir nicht war.
Ich merkte nicht wirklich, dass ich von seiner Schulter auf das Kissen zurückrutschte und meine Hand nicht mehr um ihn lag, sondern um mich selbst, mich selbst leicht hielt gegen das leichte frösteln, das sich breitgemacht hatte. Ich fühlte mich ein wenig taub, als er mich fragte, ob ich noch nie verliebt war. “Ich heiße Aglaia“, flüsterte ich erst leise, denn ich mochte es nicht, wenn er mich Domina nannte. Ich glaube, Ida hatte ihm das beigebracht, oder vielleicht auch meine Mutter. Aber ich mochte die Bezeichnung nicht wirklich, denn sie machte die Kluft zwischen uns beiden nur noch mehr deutlich und alle Träume, die ich vielleicht haben mochte, wurden damit nur noch viel unmöglicher und surrealer, als sie sowieso waren. Unerreichbar und vielleicht ein wenig naiv.
Ich atmete durch und drehte mich auf den Rücken, legte eine Hand leicht auf meine Stirn und schaute zur Decke. “Du weißt, was ich bin, oder Owen?“ fragte ich ihn, ohne ihn anzusehen. Natürlich musste er das inzwischen wissen. Er war ja nicht blöd. Trotzdem redete ich weiter. “Meine Mutter hat sich selbst auch ihr ganzes Leben verkauft. Ich wusste immer, was ich werden würde. Das erste Mal verkauften sie und mein Großvater meine Jungfräulichkeit, da war ich dreizehn. An einen wohlhabenden Ritter, der fast drei Mal so alt wie ich war, aber viel Geld dafür zahlte.“ Ich schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Oh, der Kerl hatte mir nicht sehr weh getan. Nicht über das übliche Maß hinaus, hieß das, und ich hatte schlimmere danach gehabt. Aber meine Wahl wäre er nicht gewesen, und die meisten Männer danach auch nicht. “Ich habe gelernt, wie ich Männer ansehen muss, wie ich lachen und tanzen und musizieren und diskutieren und mich bewegen muss, um zu gefallen, zu reizen und zu verführen. Ich weiß, wie ich einem Mann das Gefühl gebe, der wichtigste Mann im ganzen Raum zu sein und ihn glauben zu lassen, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, selbst wenn es nicht so ist. So dass reiche und einflussreiche Männer dafür bezahlen, in meiner Gesellschaft zu sein. Dass sie mir Geschenke machen und Gefallen erweisen. Damit meine Familie in Sicherheit ist.“
Ja, das war das wichtigste. Meine Familie. Alle. Großvater. Mutter. Narcissus. Kiki. Fenya. Egon. Ida. Und jetzt auch Owain. Für alle diese Menschen trug ich mit meinem Handeln Verantwortung. Mein ganzes Leben lang. Ich musste meinen Teil beitragen, damit es allen gut ging. Es war egal, was ich darüber dachte und was ich dabei fühlte. “Nicht jeder von uns hat die Freiheit, sich zu verlieben“, sagte ich langsam und versuchte, die Bitterkeit dieser Worte hinunterzuschlucken.

Ich holte noch einmal tief Luft und versuchte, meine Gedanken von dem dunklen Pfad wegzulocken, auf den sie gleiten wollten. Selbstmitleid konnte ich mir genausowenig leisten wie Verliebtheit. Allerdings wusste ich von diesem wenigstens, wie es sich anfühlte, und konnte gegensteuern. Ich rieb mir kurz eine Schläfe und drehte dann den Kopf wieder in seine Richtung. Er schien auf einmal so weit weg zu sein. Vielleicht wäre es besser gewesen, nie von dem Thema anzufangen. Ich hatte gewusst, dass es die Seifenblase zum platzen bringen würde.
“Weißt du, wie der Mann hieß, der dich zum Sklaven machte? Der Anführer. Centurio. Oder Legat.“ Ich wusste nicht, wie viel er vom römischen Recht verstand, aber wir führten über ALLES Aufzeichnungen. “Und wie heißt deine Frau?“ Ja, die Worte versetzten mir wieder einen Stich. Aber das konnte ich tun. Wenn sie noch lebte, konnte ich mich nach ihr erkundigen und sehen, was aus ihr geworden war. Vielleicht konnte man sie sogar kaufen. Je nach dem, wie teuer das war. Es war zumindest ein Hoffnungsschimmer, den ich Owain geben konnte, auch wenn das bedeutete, dass ich das hier, was auch immer es war, dann aufgeben musste. Aber wenn er in Gedanken bei seiner Frau war, war ich mir auch nicht sicher, ob ich das hier überhaupt wollte. Ich wusste zu gut, wie man täuschte und was der Unterschied zur Wahrheit war. Ich war nicht naiv genug, um das für mich zu wollen.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
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