Ich hatte keine Lust zu weben, aber Gesellschaft mochte ich ganz gerne. Und ich las gerne vor, weshalb ich eine Fassung der Geschichte von
Pantheia und Abradatas herausgesucht hatte. Darin ging es um Gattenliebe bis über den Tod hinaus, und ich fand das passend für zwei große verlobte Mädchen. Ja, große verlobte Mädchen. Serena war eines, und ihre Freundin Prisca war eines, und ich gehörte
nicht dazu. Bei mir war kein Verlobter in Sicht, denn mein
Xerxes hatte noch nicht um meine Hand angehalten. Vielleicht würde er es auch nicht tun. Ich hatte keine Sorge, dass mein Vormund mich nicht irgendwie verheiraten konnte, ich war schließlich eine
Claudia, und man heiratete meine Familie und meine Mitgift. Bei Xerxes hatte ich geglaubt, es könne noch mehr zwischen uns sein. Doch vielleicht war es nicht so, und ich hatte mich geirrt. Ach werde erwachsen, sagte ich mir.
Meine Cousine und ihre Freundin saßen an ihrer
Tunica Recta. Und wenn Serena schon fleißig war, war Prisca geradezu besessen. Noch nie hatte ich ein Mädchen so inbrünstig weben sehen.
"Salvete ihr Fleißigen", grüßte ich beide:
"Darf ich mich zu euch setzen?", fragte ich in heiterem Plauderton.
Ich schaute von einer zur anderen und wurde schlagartig ernst. Sie wirkten auf mich...nun irgendwie seltsam. Gar nicht wie freudestrahlende Verlobte, sondern eher so, als teilten sie ein unerfreuliches Geheimnis miteinander. Serena war rot im Gesicht, und Prisca sah für mich aus, als hätte sie geweint:
"Ist etwas Schlimmes passiert?", platzte ich heraus.
In diesem Moment galopperte wieder meine rege Phantasie mit mir durch. Mein Philosophielehrer Agamedes hatte mich immer angewiesen, sie zu zügeln, doch ich sah vor meinem geistigen Auge schreckliche Dinge. Vielleicht waren der Furius und Priscas Verlobter von Kelten entführt worden. Vielleicht mussten sie in einer Rundhütte als Sklaven dienen, und wurden geschlagen, wenn sie sich widersetzten, und das würden sie natürlich...
oh...oh...oh....