RE: Cubiculum | MSM
Offen gesagt hatte Pytheas diese Frage erwartet. Man war nicht mit achtundzwanzig Centurio gewesen, wenn es einem an persönlichem Mut fehlte. Also antwortete er wahrheitsgemäß:
"Eine andere Möglichkeit wäre es - es noch einmal zu versuchen. Dein Bein zu öffnen und das Scheingelenk zu entfernen, die Knochenenden zu säubern und neu zu schienen. Um eine Verkürzung zu verhindern, müsste dein Bein durch Gewichte gestreckt werden. Ich will dir nicht verhehlen o Sabinius Merula, dass die Behandlung äußerst schmerzhaft ist und strenge Bettruhe erfordert, auch hohe Disziplin später für die Übungen, die ich deinen Sklaven anweisen werde. Aber an Disziplin dürfte es Dir nicht fehlen, Excenturio", er lächelte ein wenig traurig:
"Weiterhin möchte ich dir auch die großen Risiken nicht verhehlen. Du könntest während der Operation durch den Blutverlust sterben. Die Bruchstelle kann sich später noch entzünden, und dann müsste ich dein Bein amputieren. Es kann auch sein, dass der Knochen wieder nicht zusammenwächst, dann hättest du alles durchgestanden, ohne dass es einen Effekt gehabt hätte",
er machte eine Pause, während er zu seiner Schale ging und sich erneut die Hände wusch. Ohne Merula anzusehen sprach er:
"Doch falls das Werk gelänge - du könntest wieder laufen. Nicht so, dass du wieder in deinen Dienst zurückkehren könntest, also keine Dreißigmeilenmärsche durch unwegsames Gelände, aber doch ohne Krücken und ohne die Hilfe deiner Sklaven. Und deine Schmerzen wären bis auf die Narbenschmerzen, wenn das Wetter umschlägt, wesentlich besser, wenn nicht gar fort"
Pytheas trocknete sich die Hände ab. Er dachte sich, dass Merula kein Mitgefühl wollte - und vermutlich schon gar nicht von ihm, einem Freigelassenen. Aber was für ein Medicus wäre er gewesen, keines zu empfinden? Vom Sklaven bis zum Kaiser, sie waren alle nur lebendige, atmende Körper. Litten sie, erhofften sie Heilung und Linderung. Sie waren alle gleich, wenn sie seine, des Flavianus Pytheas, Patienten waren. Er schaute Sabinius ernst an:
"Du solltest dich nicht sofort entscheiden, werter Sabinius Merula. Schlafe darüber und wäge ab. Dann lass es mich wissen", fuhr er fort:
"Und die Bezahlung - ich schlage dir vor, dass du mich bezahlst, wenn die Operation erfolgreich verlaufen ist. Für diese erste Konsultation berechne ich dir nichts"
Pytheas wurde aus der kaiserlichen Kasse bezahlt, aber um sich nicht allzu sehr von anderen Ärzten zu unterscheiden, nahm er meist ein Honorar. Mit seinem Verzicht darauf zeigte er seine Sympathie für den jungen Römer, den das Schicksal so schwer geschlagen hatte, ohne dass es einer weiteren Geste bedurfte:
"Hast du noch Fragen an mich, werter Sabinius Merula? Oder du werte Naevia Calida?", fragte Pytheas nun die beiden Anwesenden, nachdem er seine Theca wieder gepackt und Platz genommen hatte.
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
|