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[Thorianum A] - A II Praxis des Medicus Flav. Pytheas
03-19-2023, 12:12 AM,
Beitrag #2
Das Experiment
Es gab die von mancher Ärzteschule vertretene Theorie, dass das Heilmittel oft ganz in der Nähe der Krankheit zu finden war. Also hatte Flavianus Pytheas angefangen, zu suchen, was in der Nähe der Minen wuchs oder entstand oder mit abgebaut wurde.
Der Gelehrte Strabon schrieb von Pseudoargyros , falschem Silber, welches bei der Verhüttung von Blei von den Ofenwänden tropfte. Die Arbeiter, die mit dem falschen Silber in Kontakt kamen, litten angeblich weniger unter der Bleikrankheit. Also hatte sich Pytheas von dem silbrig glitzernden Metall welches kommen lassen.
Je mehr Zeit verstrich, desto dringlicher wurde es, Resultate zu liefern. Sein Patron war kein besonders geduldiger Mann.
Pytheas hatte über den Einsatz von Pseudosilber nichts gefunden. Mittlerweile verließ er das Gebiet der bekannten Heilmittel und war ganz und gar ins Experimentelle übergegangen. Und während er die Heilpflanzen, deren Wirkung er gut abschätzen konnte, an den Minensklaven austestete, hatte er beschlossen, die Nebenwirkungen des unbekannten Stoffes an sich selbst auszuprobieren. Erst wenn die sekundären Effekte beherrschbar waren, würde er weiter forschen, ob die von Strabon beschriebene Hauptwirkung existierte.

Der letzte Patient war gegangen. Pytheas sperrte die Tür hinter ihm zu, dann las er noch einmal die Strabon- Stelle und legte die Schriftrolle auf den Tisch. Er war hier geblieben, damit sich Wicho keine Sorgen machte. Sein Gehilfe würde vielleicht versuchen, ihn von seinem Experiment abzubringen.

Der Medicus zermörserte sorgfältig das Pseudoargyros zu feinem Pulver, dann streute er sich etwas davon auf den Arm und rieb es ein. Danach zog er sich ein Tuch über den Kopf und zwang sich, das feine Pulver tief zu inhalieren. Nichts geschah. Er zog das Tuch ab und legte sich auf die Behandlungsliege, die Arme verschränkt hinter dem Kopf. Sein Blick fiel auf eine kleine Spinne, die unermüdlich an ihrem Netz wob. Er schlief einen Moment ein.

Pytheas erwachte. Es war später; das Fenster zeichnete sich wie ein blaues Viereck ab; der Mond war noch nicht aufgegangen. Der Freigelassene fühlte sich, als wäre er verprügelt worden, jedes einzelne Körperglied tat ihm weh. Seine Zähne klapperten aufeinander, das typische Anzeichen, dass das Fieber noch im Steigen war. Sein Kopf schien zu platzen.

In den Falten des Vorhangs, der das Behandlungszimmer und den Vorraum unterteilte, sprangen kleine Köpfe auf und nieder ; von Menschen, die er gekannt hatte und die nun alle fast tot waren.
Fieberwahn, notierte Pytheas, bevor er in den Wirbel der Halluzinationen mitgerissen wurde:
 Sein alter Lehrer Andromachus blickte ihn ernst und streng an. Sein erster Herr, der Caesar Augustus Nero, richtete einen völlig leeren Blick auf ihn und schleuderte ihn mit einem irren Lachen zurück in seine eigene Kindheit im Palast, als er einer der vielen Jungen gewesen war, die bei Banketts bedienten. Nach einem solchen Gelage dämmerte oft schon der Morgen herauf, und er spürte die Kälte des Marmorbodens, als er sich zwischen zwei Statuen verkroch, damit ihn niemand finden konnte. Wie oft war er frierend in einem Versteck eingeschlafen. Jetzt fror er auch... aber das war nicht der Marmorboden. Eine Frau tauchte auf, die ihn traurig anblickte, und Pytheas dachte, sie zu kennen, aber ihm fiel ein, dass er sich an seine Mutter nicht erinnerte. Gewiss hatte er eine gehabt, jeder Mensch hatte eine Mutter.
Dann ein Kopf mit goldenen Locken, tote Augen im marmorblassen Gesicht, das war sein Freund 
Sporus. Nero hatte ihn kastrieren lassen und geheiratet. Sein Spitzname unter den anderen Sklaven war "Persephone" gewesen. Der Gott Hades hatte sich in Persephone verliebt und sie in die Unterwelt entführt. Der Kaiser hatte Sporus geraubt und in seine ganz eigene Unterwelt verschleppt.... Den stillen Pytheas mit seinem seltsam forschenden Blick hatte er nicht gerne um sich gehabt, was für ihn letztendlich ein Glück war, denn sonst wäre er auch tot wie der andere Junge.....und neue Bilder überstürzten sich, diesmal von Patienten, viele noch am Leben, einige geheilt, einige verstorben. Pytheas erinnerte sich an all seine Patienten.
Als Lehrling des Hofarztes Andromachus hatte für den jungen Sklaven ein neues Leben angefangen. Das war der Moment in seinem Leben, als er endlich ein Schlafzimmer und eine dazugehörige Tür hatte, die er zusperren konnte.Erst hatte er dem Meister assistiert, dann eigene Fälle behandelt. Die Medizin machte Pytheas glücklich. Sie wurde die Basis und der Halt seines Lebens....
Pytheas glühte im Fieber. Aber die Kälte wich Hitze, was ihm anzeigte, dass es nun den Höhepunkt erreicht hatte. Er begann zu schwitzen, und der Fieberwahn ließ nach. Der Vorhang war einfach nur ein Vorhang. Fieberkrise, notierte er, während ihm der Schweiß in Bächen hinunterlief, und seine Tunika so nass wurde, als hätte er damit einen Fluss durchschwommen. 

Pytheas fühlte sich schwach wie ein Lämmchen. Er streifte die durchnässte Tunika ab und wickelte sich in seine Decke. Er schlief ein.
Schon mitten in der Nacht erwachte er. Das Fieber durch das Pseudosilber war verschwunden, als hätte es nie stattgefunden. Er fühlte sich gesund und munter und trank drei Becher Wasser. Das also waren die Nebenwirkungen*


* Sim off: Das Falsche Silber verursacht Gießerfieber  

[Bild: 3_20_01_23_11_54_02.png]
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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Das Experiment - von Flavianus Pytheas - 03-19-2023, 12:12 AM

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