RE: Was bekomme ich für mein Geld?
Narcissus schmunzelte erheitert. Die Wortwahl des Gastes betrog seine Aufmachung, sodass er sich sicher war, hier keinen Bittsteller vor sich zu haben. Lügen konnte man, aber der Geldbeutel und das Gebaren sprachen Bände. Natürlich würde er ein paar Nachforschungen anstellen – in sowas war er gut. Und wenn der Kerl ihn veräppelt hatte, würde er ihm schon eine blutige Nase verpassen. Aber Narcissus kostete es keine Mühe, die aristokratischen Züge unter dem Aufzug auszumachen. Warum auch immer der Mann sich als Landstreicher verkleidete, die Reichen hatten schließlich alle so einen Hau weg.
„Wein und Bad. Eben dies hätte ich auch vorgeschlagen“, sagte der junge Blonde, ehe er noch einmal lachen musste. „Also, Komplimente verteilen kannst du schon einmal. Und ich würde mich über die deine ebenfalls freuen. Bitte folge mi…“
Und dann, NATÜRLICH, kam Aglaia und bewies, dass sie die Enkelin ihres Opas war. Narcissus wollte sich vor die Stirn klatschen. Redete in diesem verdammten Haus eigentlich niemand miteinander!? Mit Mühe bewahrte er Haltung, während er sie am liebsten geschüttelt hätte. Eigentlich fand er es ja ganz gut, dass sie nicht interessiert war – sie hatte sich schon den Minenchef und den Furier gekrallt. Jetzt war er mal dran.
Dumm nur, dass der Tribun eben angedroht hatte, ihnen den Laden direkt wieder dicht zu machen, zumal sie sich einen solchen Kunden wohl kaum entgehen lassen konnten.
„Entschuldige“, flüsterte er in das Ohr des Verkleideten. „Sie ist unpässlich. Die Mohnernte, du verstehst… ich spreche kurz mit ihr.“
Er zog Aglaia sanft aber bestimmt hinter den Eingang des Zimmers zurück in das Atrium und senkte die Stimme abermals:
„Das ist der Tribun, du Nuss! Und dein verehrter Großvater hat ihm eben eine Ziege zum ficken vorführen wollen, also versuche ich hier, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Der Mann kriegt hier heute alles umsonst – ich komme dafür auf, wenn’s sein muss. Und nein, ich weiß nicht, warum er sich verkleidet, vielleicht ist das sein Fetisch oder so. Also wenn du dich schon nicht überwinden kannst, dann besorg bitte wenigstens Wein. Und davon ganz schön viel. Der Mann hat Geld wie Heu und ich will, dass er wiederkommt.“
Es kam schon vor, dass sie in derartiger Weise miteinander sprachen, denn diskrete Abläufe diskutiert oder wichtige Kunden beeindruckt werden mussten. Seltener kam es vor, dass dies von Narcissus ausging, denn eigentlich war ihm vollkommen klar, dass er hier nicht der Chef war. Aber dafür war sein Geschäftssinn ziemlich gut und er vertraute darauf, dass dies den Leuten klar war.
Er wandte sich von Aglaia ab und bewegte sich zurück ins Zimmer, wo er dem Wartenden ein strahlendes Lächeln schenkte. Vielleicht lag es daran, dass er selbst aus der Gosse kam, aber unter den Lumpen und dem Dreck meinte er, einen durchaus ansehnlichen Kerl zu erkennen.
„Der Wein ist bestellt. Soll ich dir nun das Bad zeigen? Und danach, nun… Der Abend ist noch jung.“
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