RE: Der Stall
Was zum….? Ich hörte Calum zu, wie er sich in Rage redete und alles aus ihm explodierte, was sich da wohl über Jahre angesammelt hat. Und es war ja nicht so, als ob ich einen Teil davon nicht verstehen könnte. Wahrscheinlich verstand ich manches davon sogar besser als jeder andere unserer Brüder. Aber die Konsequenz, dieses selbstmörderische in Calums Blick, das war dann doch nochmal was anderes.
“Ich weiß grad echt nicht, ob ich dich trösten oder dir eine schallern soll“, sagte ich, als er endlich geendet hatte. Aber ja, ich wusste grade wirklich nicht, was besser wäre. Calum war grade so im Selbstmitleid versunken, dass ich ihn am liebsten schütteln wollte, auch wenn ich wusste, dass das nichts bringen würde, sondern ihn nur von mir wegtreiben. Aber er sollte doch schon wissen, wie unausstehlich er sich grade benahm. Traurigkeit war keine Entschuldigung für solches Benehmen.
Ich fuhr mir mit den Händen einmal übers Gesicht und versuchte, Ordnung in dieses Wirrwarr reinzubringen. “Calum, du weißt doch, dass das mit Raven nur dumme Eifersucht ist. Ich meine, sie hat sich das genauso wenig ausgesucht wie einer von uns. Sie ist halt da und macht das beste aus der Situation, und glaub mir, ihr wurde genauso wie uns eingetrichtert, dass sie alles ihrer Pflicht unterzuordnen hat.“ Ja, das wusste ich nun ziemlich genau, und es schmerzte auf so viele unterschiedliche Weisen, dass ich nicht darüber nachdenken wollte, ob das, was ich für sie empfand, irgendeine Chance gehabt hätte, wenn die Dinge anders wären. Vermutlich nicht. “Im übrigen spielt sie mit dem Gedanken, dich zu heiraten, wegen ihrer Tarnung, also Glückwunsch“, konnte ich mir nicht verkneifen, und es tat mir direkt danach leid. Denn auch ich wusste eigentlich, dass Calum nichts dafür konnte, dass Raven eben auch eines von Cathbads Geschöpfen war, so wie wir alle. Ich schnaufte einmal tief durch. “Tut mir leid“, entschuldigte ich mich und atmete noch einmal durch.
“Ich weiß nicht, wie es ist, römisch auszusehen, das will ich auch gar nicht beurteilen. Aber ich weiß sehr gut, wie Cathbad ist. Und ich rechne ehrlich gesagt nicht damit, dass wir alle diesen Kampf überleben werden. Nicht, weil wir uns selbst umbringen sollen, sondern weil er uns in irgendeinem seiner Pläne verbrennt, wenn wir nicht aufpassen. Das weiß ich, und daher will ich dir da auch gar nicht widersprechen. Das ist scheiße und unfair.“ Keine Ahnung, warum mich das nicht so verbittern ließ wie Calum es grade offenbar war. Vielleicht, weil ich mich damit einfach mein ganzes Leben lang schon abgefunden hatte und es für mich keine Neuigkeit darstellte, über die ich mich aufregen musste. Mir war klar geworden, dass Cathbad uns alle opfern würde, als er mir die Haare gefärbt und ausfallen lassen hatte. Und das war jetzt schon sieben Jahre her.
“Aber wir hier, Calum, wir“ deutete ich zwischen ihm und mir hin und her “...und unsere Brüder, und ja, jetzt auch Raven, wir sind eine Familie. Ganz egal was Cathbad von uns verlangt. Ganz egal, was die Kelten oder die Römer davon halten. Ganz egal, wie die Chancen stehen. Ich bin doch nicht hier bei dir, weil ich Hoffnung auf einen Hof mit Hühnern und ein langes Leben habe. Calum, ich bin hier, weil du mein Bruder bist, den ich liebe. Und das ändert sich nicht. Egal, wie Cathbad ist. Egal, ob wir erfolgreich sind, oder ob wir bei dem Versuch draufgehen und sterben. Das hier, das ist das Band, das mich am Leben erhält. Nicht Cahtbads Hass, nicht unser Schwur oder unsere Pflicht, sondern die Liebe. Und ich ertrag es kaum, dich so zu sehen und zu sehen, wie du einfach aufgibst, als wäre das alles nichts wert.“
Falke
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