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Der Stall - Druckversion

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Der Stall - Cynric Ap Gawen - 10-09-2022

Im Stall gibt es zwei Verschläge im ersten stehen zwei Ziegen und der zweite ist leer



RE: Der Stall - Louarn - 02-18-2023

Am Tag nach unserem Zusammentreffen in Cheddar und meiner kalten, unbequemen Nacht irgendwo am Fluss, raffte ich mich auf, wie versprochen mit Calum zu reden. Ich wollte ja mit ihm reden und rausfinden, was denn los war. Da war eine Dunkelheit in meinem Bruder, die zwar schon früher ab und an mal durchgeblitzt war, aber doch nie so wie jetzt. Ich machte mir da doch ernsthafte Sorgen um ihn. Und um das bisschen Familie, das ich hatte, so kaputt sie auch war. Ich wollte nur alles zusammenhalten, so gut ich eben konnte, und sie dann alle beschützen. War das falsch?

Ich ging also zu der Schmiede, die Calum mir genannt hatte, und erkundigte mich nach “Ahtreus Fronteius?“ und wurde dafür erstmal schief angeguckt. Verdammt, ich hatte mir den Namen falsch gemerkt. Trotzdem schickte man mich weiter in Richtung Stall, wo er sein sollte. Offenbar sah man bei Kelten über Unkenntnis römischer Namen ein wenig hinweg, oder ich war dicht genug dran gewesen. Egal, in jedem Fall wusste ich jetzt, wo er steckte, und machte mich auf den Weg.

“Ahtreus, bist du da?“ fragte ich laut und deutlich beim Eintreten in den Stall, der zwar klein war, aber trotzdem. Am Ende war Calum grade nicht mal da, oder schlief noch, oder Dagda weiß was.


RE: Der Stall - Calum - 02-18-2023

Calums Schlafstatt war im Stall bei den Tieren, denn Cynrics Wohnstube war dem Schmied selbst vorbehalten. Dort lag der junge Falke, nur bedeckt von seiner Decke und bäuchlings den Rausch ausschlafend den er sich am Abend zuvor angetrunken hatte. Selbst an normalen Tagen hatte Cynric inzwischen Schwierigkeiten, ihn zeitig zu wecken. Heute, an seinem freien Tag, schlief Calum bis in die Puppen.
Entsprechend gerädert war er, als Louarns Stimme ihn wachrief.
"Mmmmmh...", machte er unwillig und fuhr sich durch das zerzauste Haar. Beim Aufrichten stieß er einen der Becher um, in dem zuvor noch Wein gewesen war. Einer von vielen, die er, statt sie zu reinigen, einfach hier vergessen hatte. "Was'n los..."
Verwirrt blinzelte er in das Licht, als er die Gestalt seines Bruders ausmachte. Er hatte nicht mit Lous Besuch gerechnet. Entsprechend stieg ihm die Schamesröte ins Gesicht. Das war aber auch das einzige an ihm, was Farbe hatte.
Calum war blass, abgesehen von seinen dunklen Augenringen. Und ein Bad konnte er definitiv auch vertragen. Er hatte kaum etwas mit dem sonst sauberen und aufmerksamen Jungen zu tun, den Louarn kannte.
"Was machst du hier?", wollte er wissen und zog sich eilig seine Tunika an.


RE: Der Stall - Louarn - 02-18-2023

Ein Höhlentroll schälte sich ächzend aus dem Stroh. So sah es zumindest aus. Ich guckte besorgt, als Calum sich so einigermaßen aufrappelte und dabei auch noch einen Becher umkippte. Bei Teutates, mein Bruder roch wie eine billige Taverna. Und sah auch nicht besser aus. “Bruder, du stinkst...“ sagte ich und sah mich um. Ich reichte ihm trotzdem den Arm, um ihn hochzuziehen und ihn zu stützen, damit er mir nicht gleich umkippte. “Komm, raus zum Brunnen, damit wir dich wenigstens mal waschen können. Du stinkst echt fürchterlich, Calum“, sagte ich und vergaß mal wieder seinen Decknamen. Aber wir waren ja allein, und ich redete jetzt auch nicht grade laut. Eine Tatsache, die meinem verkaterten Bruderherz entgegenkommen sollte.
“Und ich bin hier, weil ich mir Sorgen um dich mache“, klärte ich ihn dann auch gleich auf, während ich versuchte, ihn raus zum Wasser zu bringen, damit er sich ein wenig waschen konnte. “du warst gestern so schnell weg, dass ich nicht mehr dazu kam, dich zu fragen, was los ist. Und sag jetzt nicht nichts, denn ich weiß, dass irgendwas los ist. Red mit mir.“


RE: Der Stall - Calum - 02-18-2023

Grummelnd ließ sich Calum aufhelfen und aus dem Stall hieven. Louarn wollte er heute nicht wirklich sehen. Keinen von ihnen...
"Lass mich, ich will schlafen...", murmelte er nur, da hing er schon halb über dem Brunnenrand. Und Louarn sagte die gefürchteten Worte.
"Weil ich mir Sorgen um dich mache."
Calum spannte sich an. Am liebsten wollte er schreien. Doch es hatte wohl keinen Zweck. Louarn konnte er nicht belügen.
Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht, um wieder etwas klarer zu werden. Anschließend sagte er mit dunkler Stimme:
"Was soll schon los sein? Wovon soll ich dir erzählen? Was willst du wissen? Was ich für ein Versager bin? Dass Cathbad mich ersetzt hat durch ein Mädchen, das keiner von uns kannte? Dass... Dass niemand mich vermissen würde..."


RE: Der Stall - Louarn - 02-18-2023

Wir wankten bis zum Brunnen, und sicherheitshalber hielt ich Calum an der Tunika fest, damit er mir nicht noch reinfiel. Ich hatte nämlich wirklich so gar keine Lust, ihn da wieder rauszufischen. So aber spritzte er sich etwas Wasser ins Gesicht, was nicht wirklich was an seinem Geruch änderte. Ich war sehr versucht, mir einen Eimer zu schnappen und ihn ihm über den Kopf zu kippen. Das könnte ein wenig helfen. Vielleicht.
Und dann fing Calum an, zu reden. Ja, dass er Raven nicht leiden konnte, hatte er schon einmal gesagt. Ich verstand zwar nicht so ganz, warum, aber gut. Geschenkt. Damit konnte ich um. Es gefiel mir nicht, aber gut. Aber der Rest?
“Wovon bitte redest du?“ fragte ich verwirrt und spritzte ihm noch ein wenig mehr Wasser ins Gesicht. Die Option mit dem Eimer stand noch immer aus und wurde verlockender. “Meinst du, ich bin hier, wenn ich dich nicht vermissen würde, wenn du nicht da wärst, oder was?“ Ich hatte eigentlich nach unserem letzten Gespräch durchaus gedacht, dass Calum verstanden hatte, dass er mein Bruder war und ich ihn liebte. Jetzt grade sprach noch der Suff aus ihm, da waren manche Leute eher weinerlich. Aber das jetzt? Das war schon sehr düster. Und ungut.


RE: Der Stall - Calum - 02-18-2023

"Wer weiß...", murmelte Calum nur mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. Eine Gleichgültigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen, die aus seiner Niederlage resultierte und Calum brachte es nicht fertig, in Louarns Augen zu schauen. "Ich weiß, dass Deimos mich verachtet. Und Cathbad ebenso. Und unsere Brüder... Ich war immer am wenigsten nützlich von allen. Ich war immer nur...

Ich war ganz allein. Allein in einer Stadt, in der alle mich tot sehen wollten, hätten sie von meiner Herkunft gewusst. Ich sprach mit Verbrechern. Mit Mördern und Vergewaltigern, nur um Kontakte herzustellen, mein Netzwerk aufzubauen. Um meinen Teil zu leisten. Ich habe in der Gosse geschlafen, gebettelt und ging jede Nacht hungrig zu Bett. Und er... Und er holt Raven. Nicht nur lebt sie noch, obwohl alle Mädchen geopfert sein sollten. Sie durfte bei einer Familie aufwachsen, die sie liebt und bekam von ihm auch jetzt einen schönen bequemen Platz, einfach weil sie RAVEN ist. Und ich? Was ist mit mir? Das... Das ist nicht fair...
Ich... ertrage das alles nicht mehr. Die Blicke, die unsere Landsleute mir zuwerfen. Sie wissen, was ich bin. Dass ich ein halber Römer bin. Und ich spüre ihre Verachtung. Noch dulden sie uns. Weil sie uns brauchen. Aber wir sind nur Werkzeuge... Glaubst du wirklich, Cathbad lässt uns unser Leben leben? Selbst, wenn wir die Römer besiegen, glaubst du, er gibt uns unseren kleinen Hof mit Hühnern und Ziegen, wo wir unsere Familien gründen können? Er... Er wird nur dasselbe von uns verlangen, was er von unseren Müttern verlangt hat. Damit der letzte Fleck der Schande getilgt ist. Ein schneller Tod, das ist alles, worauf wir hoffen können. Es gibt keine Hoffnung für uns."


RE: Der Stall - Louarn - 02-18-2023

Was zum….? Ich hörte Calum zu, wie er sich in Rage redete und alles aus ihm explodierte, was sich da wohl über Jahre angesammelt hat. Und es war ja nicht so, als ob ich einen Teil davon nicht verstehen könnte. Wahrscheinlich verstand ich manches davon sogar besser als jeder andere unserer Brüder. Aber die Konsequenz, dieses selbstmörderische in Calums Blick, das war dann doch nochmal was anderes.
“Ich weiß grad echt nicht, ob ich dich trösten oder dir eine schallern soll“, sagte ich, als er endlich geendet hatte. Aber ja, ich wusste grade wirklich nicht, was besser wäre. Calum war grade so im Selbstmitleid versunken, dass ich ihn am liebsten schütteln wollte, auch wenn ich wusste, dass das nichts bringen würde, sondern ihn nur von mir wegtreiben. Aber er sollte doch schon wissen, wie unausstehlich er sich grade benahm. Traurigkeit war keine Entschuldigung für solches Benehmen.
Ich fuhr mir mit den Händen einmal übers Gesicht und versuchte, Ordnung in dieses Wirrwarr reinzubringen. “Calum, du weißt doch, dass das mit Raven nur dumme Eifersucht ist. Ich meine, sie hat sich das genauso wenig ausgesucht wie einer von uns. Sie ist halt da und macht das beste aus der Situation, und glaub mir, ihr wurde genauso wie uns eingetrichtert, dass sie alles ihrer Pflicht unterzuordnen hat.“ Ja, das wusste ich nun ziemlich genau, und es schmerzte auf so viele unterschiedliche Weisen, dass ich nicht darüber nachdenken wollte, ob das, was ich für sie empfand, irgendeine Chance gehabt hätte, wenn die Dinge anders wären. Vermutlich nicht. “Im übrigen spielt sie mit dem Gedanken, dich zu heiraten, wegen ihrer Tarnung, also Glückwunsch“, konnte ich mir nicht verkneifen, und es tat mir direkt danach leid. Denn auch ich wusste eigentlich, dass Calum nichts dafür konnte, dass Raven eben auch eines von Cathbads Geschöpfen war, so wie wir alle. Ich schnaufte einmal tief durch. “Tut mir leid“, entschuldigte ich mich und atmete noch einmal durch.
“Ich weiß nicht, wie es ist, römisch auszusehen, das will ich auch gar nicht beurteilen. Aber ich weiß sehr gut, wie Cathbad ist. Und ich rechne ehrlich gesagt nicht damit, dass wir alle diesen Kampf überleben werden. Nicht, weil wir uns selbst umbringen sollen, sondern weil er uns in irgendeinem seiner Pläne verbrennt, wenn wir nicht aufpassen. Das weiß ich, und daher will ich dir da auch gar nicht widersprechen. Das ist scheiße und unfair.“ Keine Ahnung, warum mich das nicht so verbittern ließ wie Calum es grade offenbar war. Vielleicht, weil ich mich damit einfach mein ganzes Leben lang schon abgefunden hatte und es für mich keine Neuigkeit darstellte, über die ich mich aufregen musste. Mir war klar geworden, dass Cathbad uns alle opfern würde, als er mir die Haare gefärbt und ausfallen lassen hatte. Und das war jetzt schon sieben Jahre her.
“Aber wir hier, Calum, wir“ deutete ich zwischen ihm und mir hin und her “...und unsere Brüder, und ja, jetzt auch Raven, wir sind eine Familie. Ganz egal was Cathbad von uns verlangt. Ganz egal, was die Kelten oder die Römer davon halten. Ganz egal, wie die Chancen stehen. Ich bin doch nicht hier bei dir, weil ich Hoffnung auf einen Hof mit Hühnern und ein langes Leben habe. Calum, ich bin hier, weil du mein Bruder bist, den ich liebe. Und das ändert sich nicht. Egal, wie Cathbad ist. Egal, ob wir erfolgreich sind, oder ob wir bei dem Versuch draufgehen und sterben. Das hier, das ist das Band, das mich am Leben erhält. Nicht Cahtbads Hass, nicht unser Schwur oder unsere Pflicht, sondern die Liebe. Und ich ertrag es kaum, dich so zu sehen und zu sehen, wie du einfach aufgibst, als wäre das alles nichts wert.“


RE: Der Stall - Calum - 02-19-2023

"Aber du warst nicht da!", rief Calum und es platzte aus ihm heraus. "Du warst unterwegs! Hast in der Welt dein Ding gemacht und hast genauso ausgesehen wie du aussehen sollst! Ich war hier! Allein! Mit... Mit Deimos und Cathbad!
Ich bin... für euch alle nur eine Belastung... Ich kann überhaupt nichts... Wusste doch... hätte springen sollen..."
Calum redete sich selbst in Rage und erlitt einen kompletten Zusammenbruch. Er lachte und weinte gleichzeitig, beides voller reiner Verzweiflung und schien Louarn gar nicht mehr wahrzunehmen.
"Kann das nicht... kann das nicht... Ich kann... nicht... will nicht mehr..."


RE: Der Stall - Louarn - 02-19-2023

Okay, trösten.

Calum brach vor meinen Augen wortwörtlich zusammen und bekam einen Anfall, bei dem er lachte und heulte gleichzeitig. Ich zögerte nicht und nahm ihn fest in die Arme, so fest, dass er es spüren musste. Und ich ließ auch nicht zu, dass er sich befreite oder irgendwo hinging.

Es war wie immer. Calum erging sich in seinen Emotionen, voll und ganz, und merkte gar nicht einmal, dass er mir damit weh tat. Aber so war es immer, bei allen meinen Brüdern. Alle waren sie auf ihre Weise egoistisch, drehten sich um ihren Schmerz, um ihre Bedürfnisse, ihren Hass, ihre Pflicht. Sogar bei Raven war es so, wenn ich darüber nachdachte. Nur ich stellte meinen zurück, wie jetzt auch. Ich sprach nicht über die Dinge, die mich nachts mit rasendem Herzen aufwachen ließen. Ich stellte meine Gefühle zurück hinter den Bedürfnissen meiner Geschwister. Und auch, wenn ich Calum am liebsten anschreien wollte, warum er mir solche Angst machte, hielt ich ihn fest, um ihn zu trösten. Weil er es nicht konnte, aber ich schon.
“Was redest du nur für einen Blödsinn, Bruder?“ fragte ich sanft und hoffte, dass sein Verstand zurückkehrte. “du weißt, dass ich weg war, weil ich weg musste. Nicht, weil ich es gerne wollte. Du weißt, dass ich jederzeit mit dir tauschen würde, wenn ich es nur könnte. Du weißt, dass ich lieber wie jeder von euch aussehen würde, um euch helfen zu können, als so wie ich. Das weißt du, Calum“, redete ich leise und ruhig auf ihn ein. Denn ja, diese Dinge musste er wissen. Vielleicht wollte er sie gerade nicht wissen, weil diese Verrücktheit, die ihn gerade ergriffen hatte, verlockender war. Aber er musste es wissen, wenn er mir auch nur ein einziges Mal in den vielen Jahren unseres Aufwachsens zugehört hatte. Wenn er mich auch nur ein einziges Mal nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet hatte, musste er es wissen.
“Und du bist keine Belastung“, außer im Moment vielleicht. Im Moment wusste ich wirklich nicht, was ich denn noch tun sollte. “Du kannst viele Dinge, die ich nicht mal könnte, wenn ich so aussehen würde wie du. Ich kann nicht stehlen, ich kann nicht so gut klettern wie du. Ich kann mir nicht so gut Dinge merken wie du. Da fällt mir ein, du musst mir nochmal deinen Namen sagen, ich glaube, ich hab ihn deinem Meister falsch gesagt. Und genau, das hier in der Schmiede, das kann ich auch nicht. Und ich bin mir sehr sicher, dass ich mir nie so gut gemerkt hätte, was Caradoc gesagt hat, um es euch anderen mitzuteilen. Du bist wichtig, Calum. Und du kannst das. Du kannst das so viel besser, als du glaubst.“