Von Hafenrundfahrten hielt ich auch nicht viel. In meinem Alter sollte man über solchen Dingen stehen, fand ich. Mit allem anderen machte man sich in der Öffentlichkeit doch nur lächerlich. Aber das mussten wir jetzt nicht thematisieren, das war was für die Philosophen, nicht für eine Cena.
“Das ist doch gut zu hören, dass es hier in Iscalis so tüchtige Männer gibt“, pflichtete ich dann bei. Wenn dieser Balventius Varro das alles so gut im Griff hatte, konnte ich beruhigt schlafen und musste keine aufständischen Kelten in der Stadt fürchten. Und zum Glück war die Legion ja auch nicht weit, so dass sie mit diesem Gesindel sicherlich schnell kurzen Prozess machen würden. Ich war zwar ein sehr großer freund von Recht und Ordnung, aber bei marodierenden Wilden hörte das dann doch auf. Am Ende verhinderten die noch, dass ich meine Bücher fertig schreiben konnte! Das allein war ja schon ein verbrechen an der Menschheit!
Die Nachspeise wurde gebracht und sah recht süß aus. Ich suchte mir ein Stückchen aus, das möglichst wenig vor Honig glänzte, sonst taten mir nachher wieder die Zähne weh, und wählte stattdessen eines mit etwas, das ich als Apfel identifizierte. Schön, dass es auch hier so weit im Norden noch Äpfel zu geben schien.
“Nein, nein, frag ruhig. Ich finde Rechtsfragen insgesamt recht anregend“, sagte ich auch gleich, als Furius Saturninus mich nach meiner Expertise in einem konkreten Fall fragen wollte. Ich hoffte ein wenig auf Intrigen, Sachbeschädigung oder einen guten, alten Mord. Aber es war eine frage über das alltägliche Rechtsgeschäft mit den Sklaven. Anscheinend hatte er eine Sklavin geschwängert und wollte für das Kind sorgen.
“Damit das Kind frei geboren wird, muss die Mutter frei sein. Wärst du ein Plebejer, hätte ich vorgeschlagen, den Fall vor das Consilium Libertatis zu bringen, sobald es wieder tagt. Für solche Fälle ist immer der letzte Tag der Provinzialversammlung vorgesehen, wenn alle zwanzig Recupertores noch da sind. Dann hättest du das Mädchen heiraten können, das Kind wäre dein Erbe und damit auch unter deiner Patria Potestas. Und da sowas ein Standardverfahren ist, wäre das nicht weiter problematisch gewesen.
Allerdings bist du Patrizier und darfst keine Freigelassene ehelichen, auch nicht für eine begrenzte Zeit, damit das Kind als dein Erbe geboren wird. Daher ist das alles schwieriger. Ich nehme an, das Mädchen ist auch unter dreißig Jahre alt?“ Der Furier schien selber noch nicht so alt zu sein, daher nahm ich mal an, dass die Sklavin, die ihm den Kopf verdreht hatte, irgend so ein junges, dummes Ding war, das sich so mancher Mann halt ins Bett legte. Etwas, das ich nie so recht verstanden hatte, sowas gab immer nur Ärger und Gekreische, wenn man heiratete. Und dann hatte man
zwei zänkische Weiber um sich.
“Dann kannst du sie nicht in den Stand einer Römerin erheben lassen, unmöglich, selbst wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen würde.“ Was ich irgendwie stark bezweifelte, wenn sie Keltin war. Dann war anzunehmen, dass sie zur Sklaverei erst verurteilt worden war, weil sie zu den Aufständischen hier irgendwie gehört hatte. Aber das sagte ich jetzt nicht, meine eigene Meinung hatte für den Fall keine Rechtsrelevanz. Und ich war Anwalt genug, um da trennen zu können.
“Folglich wird sie Latinerin, und das Kind als uneheliches Kind folgt dem Stand der Mutter.“ Soweit erst einmal zum offensichtlichsten, jetzt kamen die Feinheiten.
“Nun ist die Frage, was du damit meinst, es nicht publik machen zu wollen? Wenn du sie freilassen willst, wirst du zur Provinzialversammlung gehen müssen, damit sie ordentlich freigelassen wird, oder, falls der Stadthalter eine Rundreise durch die Provinz macht, ihm dort auflauern, damit er den Rechtsakt vernünftig bekräftigt und du alle zuständigen Papiere erhältst. Außerdem wird dann ihr Wert festgeschrieben, damit du die Steuer ordentlich abführen kannst. Für jede Freilassung verlangt der Staat fünf Teile vom Hundertsten ihres Wertes. Wenn der nicht schon festgestellt wurde, wird er dann geschätzt.
Falls die Schwangerschaft schon zu weit fortgeschritten ist, kannst du ihr natürlich auch erst einmal nur einen Freibrief ausstellen und von ein paar Zeugen unterschreiben lassen, um später die ordentliche Freilassung nachzuholen. Allerdings ist ihr Status dann ein wenig in der Schwebe, was für dich aber auch günstig sein kann, denn bei grobem Undank oder dergleichen kannst du das alles dann schnell und ohne Gerichtsverfahren wieder rückgängig machen und sie wieder als Sklavin belassen und gegebenenfalls nur das Kind später freilassen. Wenn du es so machst, dass du bis nach der Geburt wartest, könnte das Kind auch römischer Bürger werden, wenn du es als das deine vollständig anerkennst. Erbrechtlich ist es dann zwar immer noch raus, aber es bekäme zumindest das Bürgerrecht, wenn auch als Freigelassener.
Da ist jetzt die Frage, was du willst, dass es sich das Bürgerrecht selbst erstreiten muss mit den üblichen Beschränkungen der Lex Aelia Sentia, oder dass es das durch das Consilium Libertatis zugesprochen bekommt als dein natürliches Kind, dem allerdings der Makel einer Geburt als Sklave anhängig ist. Hat alles seine Vor- und Nachteile.“
Ich brauchte etwas zu trinken, ich kam ins Plaudern.
“Wenn du dich für letzteres entscheidest, kannst du dem Kind auch mehr Geld zur Verfügung stellen. Schenkungen an das eigene Kind sind von der Lex Cincia nicht betroffen – auch wenn unwahrscheinlich ist, dass dich auf deren Grundlage jemand anklagen würde. So oder so würde aber jeder Verständnis haben, wenn du dein Kind mit Geschenken bedenkst, während wenn es nur ein – entschuldige die Bildhaftigkeit – dahergelaufener Latiner ohne Verwandtschaft zu dir ist. Es gibt ja nicht wenige Leute, die der Auffassung sind, dass Schenkungen samt und sonders illegitim sind und nur dazu gedacht, die eigene Steuerlast zu senken. Das könnte also deinem Ansehen mehr schaden, wenn du das Kind frei zur Welt kommen lässt und es dann reichhaltig beschenkst, als wenn du es als Sklave zur Welt kommen lässt und unter Anerkennung deiner Vaterschaft freilässt.“
Ja, das römische Recht war manchmal schon herrlich komplex.