RE: Die Hütte von Boduognatus
Raven widersprach Cartivel heftiger, als ich es getan hatte. Und irgendwie versetzte mir dieser kleine Satz einen ungeheuren Stich. Sie würde sich der Göttin weihen. Sie war Priesterin. Sie würde immer Priesterin bleiben. Egal, was zwischen uns gewesen sein mochte, es durfte sich nie wiederholen. Ich wusste das. Und trotzdem tat es weh, von ihr zu hören, dass sie nichts empfunden hatte, als wir uns geküsst hatten und es sich ganz sicher nie wiederholen würde.
Dunduvan fing an, etwas wie wild auf Tafeln zu kritzeln und mir dann rüberzuschieben. Das konnte ja heiter werden! Die erste schlitterte auch gleich mit solcher Wucht zu mir rüber, dass ich sie grade noch so auffangen konnte. Ich traute mich fast nicht, darauf zu schauen, und irgendwie hoffte ich, dass nur wenig draufstehen würde, aber nein, natürlich schrieb Dunduvan sehr viel. Und klein. Und im halbdunkel einer Hütte schwer lesbar.
Ich schaute darauf und versuchte, es zu entziffern. Ich war im Lesen jetzt nicht unbedingt der beste. Oh, ich hatte es gelernt, weil alles andere für Cathbad nicht in Frage gekommen wäre, und es hatte sehr viel Zeit und einige Stockschläge gebraucht, bis ich es soweit konnte, dass es eben keine weiteren Stockschläge deshalb gab. Das hieß aber nicht, dass ich es so gut konnte wie Dunduvan. Nein, ich brauchte Zeit zum Lesen, so dass Dunduvan schon mit dem Schreiben der zweiten tafel fertig war, ehe ich leise vor mich hinmurmelnd mit der ersten fertig war.
Musste er so schwierige Wörter benutzen? Ge-Tre-ue...ich versuchte es nochmal. Achja, das war ein eu… Gut, okay, er wollte das Bergwerk angreifen. In Ordnung. Und irgendwas war in der Falkenhöhle versteckt. Die Sache mit den Gerüchten verstand ich schon nicht mehr, warum das wichtig war, aber das hatte sicherlich Gründe.
Ich legte die erste Tafel hin und nahm die zweite. Noch mehr Informationen, die ich mühevoll entziffern musste. Moment, was? Er wollte den Fluss in die Mine leiten? Wie bei allen Göttern sollte DAS denn gehen? Sollten wir eine Meile weit einen Graben ausheben? Nur wir vier? Äh, fünf, wobei ich nicht wollte, dass Raven so schwer schuften musste. Das wäre falsch.
Ich schaute fragend auf. “Und was ist mit den Sklaven da? Die ertrinken dann doch alle?“ Dunduvan war schlauer als ich, weshalb ich glaubte, dass er schon wissen würde, wie er das anstellen wollte mit dem Fluss. Aber ob er sich auch um die größtenteils Kelten Gedanken machte, die da vielfach gezwungen wurden, dort zu arbeiten, da war ich mir nicht so sicher.
Und auch Calum äußerte sich fast gleich in genau diesem Moment, wenn auch sehr viel mehr Bitterkeit in seinen Worten mitschwang.
Die dritte Tafel hinterließ bei mir schließlich nur noch Fragezeichen. Ich verstand gar nichts, was damit gemeint war, und dementsprechend guckte ich wohl auch, als ich Dunduvan die Tafeln wieder zurückgab. Irgendwie fühlte ich mich dümmer als zuvor. Aber ich musste auch nicht unbedingt alles verstehen, was mein Bruder sich ausdachte.
Calum aber war gerade erst so richtig in Fahrt und verabschiedete sich. “Calum!“ rief ich ihm noch hinterher, aber zu spät, er war weg. Und ich seufzte einmal tief. Ich wünschte mir wirklich, ich könnte ihm helfen, aber ich wusste wirklich nicht, was ich da tun sollte. Ich hatte ja wirklich jetzt alles versucht, aber vielleicht war die Situation gerade zu viel gewesen. Ich sollte ihn in Iscalis noch einmal aufsuchen und mit ihm reden. “Ich red mit ihm“ sagte ich in Dunduvans Richtung. Der durfte ja grade nicht, und ich war mir auch nicht sicher, ob das was bringen würde. Irgendwie hinterließ das grade einen sehr fahlen Geschmack.
Falke
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