RE: Einzug
Mittlerweile zwei Tage brauchten sie schon, um alles einzurichten. Wie lange konnte es dauern, Möbel an die passende Stelle zu befördern und einen laufenden Betrieb zu gewährleisten? Wenigstens war die Bibliothek nun soweit bestückt, dass ich mich dorthin zurückziehen konnte, und wenn ich ganz fest so tat, als würde ich das Hämmern und Klopfen nicht hören, konnte ich sogar etwas lesen und meine Gedanken sortieren. Womit sollte ich anfangen? Es gab so vieles, über das ich schreiben wollte, so viele Kommentare, so viele Überlieferungen für zukünftige Rechtsgelehrte, die irgendwann mein Werk als Standardnachschlagewerk benutzen sollten! Nur wo fing man da am besten an? Römische Rechtsprechung war nicht einfach, da jeder Kaiser neuerdings meinte, selber eine Anmerkung zu einem Gesetz zu machen und den Gerichten in die ohnehin schon komplizierte Arbeit zu pfuschen. Ja, manchmal sehnte ich mich in die gute, alte Zeit zurück, bevor Augustus auf die Idee kam, sich selbst zum Kaiser zu machen. Da fragte man sich, was passiert wäre, wenn diese hoffnungslose, selbstverliebte Bande um Pompeius Magnus und Iunius Brutus Erfolg gehabt hätte. Na, vermutlich hätten wir dann andere, selbstverliebte Gesetze.
Ah, selbstverliebte Diktatoren! Ich sollte mit Sulla anfangen! Ja, genau, seine Lex über Giftmischer und Messerstecher, das war doch etwas schönes. Geradezu entspannend! Ich suchte also gerade im Regal nach meiner Abschrift der von Cornelius Sulla erlassenen Vorschriften, als Leander hereingeschlendert kam und mich mit diesem bestimmten Blick ansah, den ich auf die Entfernung schon alarmierend fand.
“Was ist? Seid ihr bald fertig, oder brauchen wir erst noch Vögel im Tablinum oder sowas?“ fragte ich gereizt. Nach den angedrohten Fischen und Sklavinnen, wäre doch ein Haufen kreischender und dreckschleudernder Untiere sicher genau nach Leanders Geschmack.
Er unterdrückte ein grinsen, ich wusste es genau, als er seine Hände faltete. Verdammt, das war nie ein gutes Zeichen. “Ein Nachbar hat einen Willkommenskorb vorbeigebracht“, sagte er.
Inzwischen hatte ich die gesuchte Schriftrolle gefunden und zog sie vorsichtig heraus. “Jaja, übermittle meinen Dank und all das“, winkte ich genervt ab. Normalerweise sollte Leander das selbständig machen, als mich mit solchem Firlefanz zu belästigen.
“Er hat dir auch eine Einladung zukommen lassen.“
“Die du hoffentlich höflich abgelehnt hast?“
“Die ich sehr höflich angenommen habe.“
Das war es also! Darum schlich er hier so rum! Ich schaute ungehalten. “Und was veranlasst dich zu sowas? Wenn ich keine Gäste hier haben will, will ich auch sicher nirgendwo anders Gast sein“, brummelte ich. Nein, das gefiel mir nicht. Er würde es absagen müssen!
“Er ist ein Bewunderer deiner Rechtsschriften und würde sich sehr freuen, wenn du seine Ausgabe deines Kommentars zur Lex Aelia Sentia mit ihm besprechen oder signieren könntest“, sagte Leander ruhig.
Ich stutzte einen Moment, und ging dann brummelnd mit meiner Schriftrolle zu meinem Sessel, um mich hineinzusetzen. Wo war meine Pfeife? Ich schaute mich um, als Leander sie mir auch schon unter die Nase hielt. Energisch nahm ich sie ihm ab und schob sie in meinem Mundwinkel. Ich brauchte bald eine neue, das Holz am Mundstück hatte schon einige Einkerbungen von meinen Zähnen.
“Und er ist Princeps Officii.“ Ich schnaubte. Leute, die ihre Posten vor sich hertrugen, gab es in Rom wie Sand am Tiberufer. Und die meisten davon versteckten sich dahinter. Und trotzdem musste man dem Amt immer Ehrung entgegenbringen, auch wenn der, der es ausfüllte, manchmal ein ausgemachter Trottel war. Aber immerhin bestand keine Gefahr, dass der Furier einer von den Trotteln war, die mit dem Kaiser verwandt waren und deshalb diesen Posten hatte, was zumindest die Hoffnung aufkeimen ließ, dass er ganz normal tüchtig sein könnte.
“Weshalb du in drei Tagen nach der neunten Stunde dort hingehen wirst.“
Ich sah Leander finster an. “Da habe ich einen Großbrand, einen Bürgerkrieg mit gleich vier Kaisern und Straßenschlachten in Rom, einen Mordanschlag und eine Ehefrau erlebt, nur damit du mir jetzt mit sowas ankommst! schimpfte ich. Und ja, diese Dinge waren nach steigender Schrecklichkeit sortiert. Ich steckte meine Pfeife an und paffte ein paar Züge. Das Kraut darin beruhigte mich und mein Gemüt, zumindest ein wenig.
“Aber ich werde kein Gastgeschenk oder solchen Firlefanz mit mir mitschleppen, hörst du?!“
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