RE: Die Hütte von Boduognatus
Calum war im Stillen verwirrt. Niemand machte ihm Vorwürfe, wie er es eigentlich erwartet hatte. Ob es an Cartivels Anwesenheit lag? Überhaupt war dieser Druide ganz anders als die anderen, die er kannte. Jung, stark und von der Statur mehr Krieger als Weiser. Viel Zeit zum Nachdenken darüber blieb Calum jedoch nicht, denn die Aufmerksamkeit lag jetzt ganz bei ihm. Druidenschüler… Wie lang war es her, als dieses Wort noch Bedeutung gehabt hatte? Als er noch geglaubt hatte, eines Tages vom selben Rang zu sein? Mehr als… was Cathbad in ihm zu sehen schien.
Calum räusperte sich.
„Schön, dann los. Diese Worte hat er mir kurz vor der Ankunft der Römer anvertraut. Ich weiß, ich hätte sie früher sagen sollen, aber… ich konnte nicht. Es tut mir leid, was ihr gleich hören werdet.“
Damit holte er Luft und rezitierte Caradocs letzte Worte aus dem Gedächtnis, denn er hatte sie sich gemerkt:
"Saat und Ernte werden ihren Gang gehen.
Doch was Gewissheit war, wird keine mehr sein.
Die Fremden werden Dinge geschehen lassen,
die unser Leben ein für allemal verändern.
Die Welt wandelt sich.
Noch einmal sammeln sich die Falken
im Namen unserer alten Götter.
Ihr Kampf wird viel Leid verursachen.
Er wird über der Erde und unter der Erde geführt.
Doch gibt es Hoffnung.
Ein Kind wird geboren von zweierlei Blut.
Aber dieses ist kein Kind der Gewalt.
In Liebe gezeugt, in Liebe geboren,
wird es wachsen.
Und Cathbad irrte:
Es braucht noch viele Sommer und Winter,
bis das Reich der Römer
sein Ende findet."
Bei den letzten Worten war Calum langsamer geworden. Er sah Deimos nicht an, welcher der Grund für sein Schweigen gewesen war. Nicht aus Angst – nicht nur. Sondern, um seinen Bruder zu schützen vor der niederschmetternden Wahrheit. Die Worte des Druiden bestätigten, was er schon immer vermutet hatte: Ihr Kampf war aussichtslos. Die Römer würden noch viele Jahre über dieses Land herrschen und jeder Versuch, gegen sie anzukämpfen, würde nur noch mehr Leid und Tod verursachen. Er hatte das Deimos ersparen wollen. Doch er wollte auch nicht, dass sie in dieser sinnlosen Schlacht ihr Leben ließen.
„Der Kampf ist verloren“, sagte er. „Wenn wir weitermachen, bringen wir nur Unheil über alle und über uns selbst – bis selbst unsere Freunde uns hassen. So, nun wisst ihr’s. Das war die Prophezeiung der Drei, die eine sind.“
Damit war alles gesagt. Calum wusste nicht, was er nun tun sollte. Er hatte seit Tagen nicht Informationen eingeholt, sondern sich in seine Arbeit in der Schmiede geflüchtet. Immerhin war Raven dafür ja jetzt da. Doch selbst dort kreisten die Gedanken wie Geier über ihm und ließen ihn nicht in Ruhe. Er machte Fehler. War fahrig. Sie hielten ihn wach, machten ihn traurig und niedergeschlagen.
„Wie auch immer. Ich habe alles gesagt, also sollte ich wohl wieder gehen. Was nun zu tun ist, solltet ihr entscheiden“, sagte er mit monotoner Stimme und erhob sich.
Falke
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