RE: Ablenkungen
Nun, nach allem, was ich wusste, was es sehr einfach, in die Minen zu kommen. Lebendig wieder rauszukommen, das war das Problem. Aber grade in Rom wurden Leute niederen Standes gerne zu den Minen verurteilt, wenn sie nicht doch eher in der Arena sterben sollten, weil der Kaiser oder der Praetor oder wer auch immer etwas vorzeigbares für die nächsten Spiele brauchte. Aber ich hatte sowieso nicht vor, sie jemals auf dieser Seite der Geschichte zu besuchen. Nein, höchstens mit diesem Kerl hier an meiner Seite und als Geleitschutz, dann natürlich aufmerksam bewundernd, wie es sich für ein Mädchen wie mich gehörte, wenn sie einen Mann an sich binden wollte. Und bei diesem hier schien ich auf einem guten weg dahin. Bislang hatte er sich noch nicht abgewandt oder mich auf meinen Platz verwiesen, und ich nahm das als äußerst gutes Zeichen.
“Ich habe nicht unbedingt vor, jemanden zu töten, oder irgendwelchen Rebellen zu helfen. Aber jetzt weiß ich zumindest, wie ich dich wiedersehen könnte, falls du gehst“, spielte ich weiter das böse Mädchen und sah noch einmal an ihm auf und ab. Und zwar so, dass er es mitbekam. Ja, er sah wirklich nicht schlecht aus. Ein Wunder eigentlich, dass sich die Frauen hier nicht um ihn rissen. Das mussten wirklich dumme Hühner sein mit noch dümmeren Vätern, wenn sie ihn nicht umgarnten. Einen reichen, nicht zu alten und recht gutaussehenden Mann, was wollten die denn noch? So ein schlimmer Haken war die Mine jetzt ja auch nicht.
Ohne zu fragen hakte ich mich bei ihm ein, so dass wir gehen konnten und nicht länger hier vor dem stand herumstehen mussten. Außerdem konnte ich so mal auf Tuchfühlung gehen und herausfinden, wie er wirklich auf Nähe reagieren würde. Meine Hand lag erst nur beiläufig an seinem Arm, ehe sie sich auf dezentes, leichtes, ja geradezu unterbewusstes Streicheln verlegte. Ich wollte einfach wissen, wie er reagierte, und ein wenig die Grenzen vorsichtig ausloten, natürlich immer bereit, mich zurückzuziehen. Nichts war schädlicher, als zu schnell den Kerl zu bedrängen. Dann sahen die einen gern mal als billig an. Und ich war vieles, aber nicht billig.
“Ach, alles kann interessant sein, wenn man sich auskennt und gelernt hat, die guten von den übertriebenen Gerüchten zu trennen“, widersprach ich, wenn auch nicht so sehr. Aber er mochte es ja frech, da konnte ich ihn nicht einfach nur stumpf anhimmeln. Das wäre ihm wahrscheinlich zu durchschaubar langweilig. “Jetzt weiß ich schon den Namen eines Fischhändlers, eines bekannten Rennfahrers und… was ist dieser Furius, der eine Tochter hat oder auch nicht hat?“ Denn ja, im Moment waren für mich Namen und ihre Verbindungen untereinander genauso wertvoll wie Münzen. Schließlich musste ich noch herausfinden, welche Kunden sich besser nicht über den weg laufen sollten und welche besser doch.
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