RE: Die Hütte von Boduognatus
Oh, gütige Dana, warum musste immer ich derjenige sein, der letztendlich schlechte Nachrichten im Gepäck hatte? Hätte Calum nicht schon da sein können? Jemanden zu unterstützen war so viel leichter, als es selber zu tun. Aber nein, stimmte nicht, nicht für mich. Klar, ich wollte Dunduvan auch nicht verletzen oder ihn bremsen. Ich wollte ja selber Rache für Caradoc, denn nur ein Monster konnte jemanden wie ihn töten. Und Monster mussten erschlagen werden. Man konnte sie nicht frei herumlaufen lassen. Sonst verbreitete sich ihre Fäulnis nur immer weiter. Es war nicht einmal etwas, das ich aus Hass tun würde. Es war fast schon traurige Notwendigkeit.
Trotzdem sah ich mich in der Zwickmühle, was ich jetzt sagen sollte und was besser nicht. Aber ich war mir sicher, dass ich Zorn und Enttäuschung besser wegsteckte als Calum. Wahrscheinlich weil ich es gewohnt war, das rothaarige Schaf der Familie zu sein. “Wie gesagt, ich hab ihn in der Stadt getroffen und mit ihm geredet… Du weißt doch, wie das manchmal ist. Und er hat wohl deshalb nichts gesagt, weil die Botschaft wohl nicht so ist, wie du sie dir erhoffst, und er dir nicht mit deinen Plänen dadurch in die Quere kommen will. Er… er möchte einfach nur seine Familie ohne Streit, und… er hat einfach auf den passenden Zeitpunkt gewartet. Wie gesagt, sei ihm nicht böse. Ich bin mir sicher, wenn er nachher kommt, dann wird er dich aufklären, was Caradoc genau gesagt hat. Und du wirst dabei stets daran denken, dass Calum unser Bruder ist und sich das nicht ausgesucht hat. In Ordnung?“
Ich hoffte wirklich, dass wir das alle ohne größere Schlägerei in der kleinen Hütte hinter und bringen würden. Grade wenn Besuch da war, sollten wir Brüder sein und nicht… naja, sich prügelnde Brüder.
Ich trat also ein und ließ mir Cartivel und Raven zeigen, die am Tisch saßen. Ich war mir recht sicher, dass ich die beiden nicht kannte. Ich wusste nicht mal, wer wer war, da Dunduvan aber Cartivel zweimal erwähnt hatte, ging ich davon aus, dass das der Ältere war. Der sah mir ähnlicher als meine Brüder: rote Haare, roter Bart (gut, da hatte ich nur ganz wenig, die meisten Frauen mochten keinen Bart, hatte ich festgestellt), breite Schultern. Ich überlegte im ersten Moment, ihn zu einer kleinen Übungseinheit mit dem Schwert aufzufordern, denn er sah aus, als könne er das.
Der andere Bursche, Raven, war hingegen in seinem Umhang versunken und sah von der Statur her aus wie vielleicht zwölf, ein dürrer Bursche mit winzigen Händen. Vielleicht war das der Lehrling von Cartivel. War zumindest die logischste Erklärung.
Ich nickte also erstmal freundlich und redete weiter mit meinem Bruder, der etwas von Helena wissen wollte. Ich kannte ihn gut genug, um ihren Namen besser nicht zu erwähnen. Der allein würde schon reichen, sie als Römerin zu identifizieren, und ich war mir sicher, dass er schlagartig seine gute Laune mir gegenüber deshalb verlieren würde. Also konzentrierte ich mich auf das andere, während ich immer breiter grinste und mir ihr Bild ins Gedächtnis rief.
“Nein, ich hab sie in Iscalis gesehen, nicht hier in Cheddar. Und sie ist das schönste Mädchen, das… Kennst du das Gefühl in deiner Brust, wenn du morgens früh aufstehst im Winter, kurz vor Sonnenaufgang, und es hat die ganze Nacht geschneit, aber jetzt ist der Himmel klar und du trittst raus und siehst die Hügel vor dir, überzogen von weißem Puder. Und alles ist klar und eisig kalt und jeder Atemzug tut dir in der Lunge weh. Und dann kommt die Sonne, rot und gold, und verwandelt mit einem Mal diese unberührte Landschaft, als wäre der Schnee zu Diamanten geworden, und alles glitzert und funkelt, und du traust dich nicht, dich zu bewegen und versucht, diesen Anblick festzuhalten, und mit einem Mal ist dir ganz warm und du weißt, dass alles gut wird?
Oder in den Hochebenen ganz im Norden, wo die Adler fliegen. Stell dir da einen See vor, der so klar ist, dass sich der Himmel mit jeder kleinen Wolke darin spiegelt und du dir nicht sicher bist, ob er wirklich auf dem Boden ist oder frei schwebt. Und dann kommt Wind auf, der feine Wellen über die Wasseroberfläche treibt, die immer größer werden, als hätte ein Gott sie angestoßen.
Oder im Wald, wo es dunkel ist und du fühlst dich unheimlich und bedroht, und mit einem Mal fangen alle Vögel an zu singen, und du weißt, dass keine Gefahr droht und alles in Ordnung ist.“
Ich grinste schief. Das war jetzt wahrscheinlich einen Hauch zu poetisch gewesen. Vielleicht wäre ich doch kein ganz schlechter Filid geworden, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
“So hab ich mich gefühlt, als wir uns geküsst haben. Es war nicht mehr, nur dieser eine Kuss. Und… sie ist viel klüger als ich. Sehr viel klüger. Sie ist danach gegangen und…“
Ich schüttelte den Kopf und wurde wehmütig, realistisch. “Sie hatte recht damit. Ich weiß das. Ich meine, was könnte ich ihr schon anbieten, außer einem vermutlich frühen Tod und davor jede Menge Ärger? Und ich weiß, sie verdient jemanden, der ihr ein Heim bieten kann, wo sie zwanzig Kinder aufziehen kann und im hohen Alter mal umgeben von hundert Enkelkindern friedlich einschlafen kann in dem Wissen, dass alle, die sie liebt, sicher sind.“ Und ich hatte nicht einmal ein Haus, von einem festen Einkommen oder gar Frieden ganz zu schweigen. “Aber im Moment möchte ich diesen Idioten, wer auch immer das sein wird, am liebsten verprügeln.“
Und da sie Römerin war und ihr Zukünftiger damit höchstwahrscheinlich Römer sein würde, war es nicht ganz unwahrscheinlich, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen würde.
“Aber genug Liebesgeschwafel. Haia ihr beiden. Ich bin Louarn. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Du bist Cartivel?“ fragte ich den Älteren und hoffte, dass ich ihn jetzt nicht zu sehr mit meinen lyrischen Ergüssen gelangweilt hatte. Aber wir Kelten waren ein sehr leidenschaftliches Volk, da passierte sowas halt mal.
Falke
|