RE: Ablenkungen
Ja, was wohl sonst könnte ich gemeint haben? Er hatte mich definitiv verstanden, aber es gefiel ihm, geneckt zu werden. Er wollte eine Frau nicht retten, er wollte eine einfangen und zähmen, so schätzte ich ihn ein. Und das Spiel beherrschte ich – neben der allseits beliebten Jungfer in Nöten, dem anhimmelnden Dummchen und natürlich der verruchten Sexsüchtigen. Aber er schien die freche Herausforderung zu mögen, also gab ich ihm die. Vor allen Dingen, da er wohl wirklich viel Geld hatte, wenn er eine Silbermine besaß. Da alles Silber dem Kaiser gehörte, nahm ich an, dass er als Ritter hier also der Vorsteher eben jener Mine war und sie im kaiserlichen Auftrag führte. Aber diese Posten waren mehr als lukrativ, eben damit das Silber auch in den Münzstätten des Imperiums ankam und nicht heimlich verschwand – und dennoch verschwand viel nebenher. Schätzungsweise war das hier also einer der reichsten Männer der Provinz. Da spielte ich gerne jedes Spielchen, auf das er sich einlassen wollte.
“Nun, was möchtest du wissen? Seit wann bist du nicht mehr dort gewesen?“ So lange konnte er noch nicht in Britannia sein, immerhin gab es die Provinz noch nicht so lange. Also sollte ich besser nicht damit anfangen, wie schlimm das Vierkaiserjahr gewesen war. Damit würde ich ihn langweilen.
“Es gibt Intrigen und Skandale, wie es sie immer gibt. Die Senatoren lieben ihre Intrigen und Skandale. Aber am meisten reden die Leute über Titus Caesar und Berenike. Er hat sie aus Jerusalem mitgebracht, die jüdische Königin, und ganz Rom ist sich wohl einig, dass sie die schönste Frau der Welt ist, auch wenn sie so viel älter ist als er. Aber sie ist Jüdin, was wohl der einzige Grund sein dürfte, warum Titus sie nicht schon längst geheiratet hat. Denn ansonsten ist er im Volk ja durchaus sehr beliebt.
Sein Bruder Domitian hingegen… Nun… Sagen wir es so, die Leute sind froh, dass Titus der Caesar ist und Domitian nur der zweite in der Nachfolge.“
Ich hoffte, damit seine Neugier zum einen gestillt, andererseits auch angefacht zu haben, denn es war jetzt nicht unbedingt üblich, dass Frauen mit Männern über Politik diskutierten. Die meisten Frauen waren entweder zu dumm dafür, oder sie stellten sich absichtlich dumm. Es gehörte sich für eine ehrbare Frau schließlich nicht, so etwas zu wissen. Gut, dass ich nicht ehrbar war.
Und dass er verstanden hatte, was sie war, machte er deutlich, indem er ziemlich deutlich nach ihrem Preis fragte. Aber so schnell wollte ich mich da nicht geschlagen geben. Immerhin wollte er ja spielen. “Was es dich kostet, mich in der Stadt herumzuführen? Nun, etwas Zeit, ich würde vorschlagen, diesen Wein und den Tratsch dieser Stadt.“ Solange er mit mir nur rumlief und ich sonst nichts lukrativeres zu tun hatte, war in dem Falle meine reine Anwesenheit umsonst. Kundenbindung war wichtig. Sie mussten mit mir zusammen sein wollen. Sie mussten mir Geschenke machen wollen.
“Oder möchtest du mir etwas zeigen, das nicht für die Öffentlichkeit taugt?“ fragte ich und lächelte noch einmal, kam noch ein winziges bisschen näher. Nur vorsichtig vorfühlen, was er denn jetzt gerade wollte. Denn wenn er keinen Spaziergang wollte, sondern etwas handfesteres, nun, dann sollten wir über Preise reden.
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