RE: Ablenkungen
Es war noch so viel zu tun, bis wir wirklich eröffnen konnten. Auch wenn wir viele Möbel mitgebracht hatten, waren es irgendwie viel zu wenige, wie ich persönlich fand. Und außerdem hatten wir viel zu wenig Leute, um das Haus wirklich zu bewirtschaften und ordentlich zu halten. Seien wir mal ehrlich, in meinem Gewerbe waren die Leute vieles: Phantasievoll, spritzig, witzig, nach außen hin lebensfroh und charmant. Aber eines waren wir nicht: Ordentlich. Weshalb ich fand, dass wir einen guten Teil unseren meines Geldes durchaus dafür aufwenden sollten, noch zumindest ein oder zwei Sklavinnen zu kaufen, die putzten. Vielleicht waren die ja auch hübsch und eifrig, so dass sie auch bei anderen Dingen zumindest unterstützen konnten. Aber ich hatte keine Ahnung, ob es in diesem Provinznest sowas überhaupt gab. Oder überhaupt irgend etwas, das sich zu kaufen lohnen würde. Wahrscheinlich hatten die hier auch nur einmal in der Woche Markttag…
Ja, ich hatte die anderen überredet, mit hier her zu kommen, da ich wirklich nicht umgebracht werden wollte. Aber manchmal vermisste ich schon das großstädtische Flair, das in Rom geherrscht hatte. Nicht unbedingt den Gestank oder das Wetter, aber dieses Gefühl, von einer Million Menschen umgeben zu sein, das fehlte mir schon ein wenig.
Aber dafür war es nun zu spät, und es galt, nach vorne zu sehen. Ich hatte mich also aufgehübscht. Da ich ja grade nicht im Dienst war und keine Ahnung hatte, wie hier die Vorschriften waren, musste ich die dämliche Toga nicht tragen, wie bisweilen in Rom, wenn der Aedil grade seine drolligen fünf Minuten hatte. Nein, ich hatte mich in feine, rote Wolle gehüllt, grade so dick, dass ich nicht fror, aber nach der neuesten Mode geschnitten – nur vielleicht etwas aufreizender. Und dazu, weil ich ja grade brav sein wollte, eine Palla aus hauchdünner weißer Seide, die ich mir aber um die Schultern fallen ließ, damit man meine schwarzen Locken bewundern konnte. Die waren von meiner Mutter kunstvoll so frisiert worden, als wären sie gar nicht frisiert, sondern eher beiläufig hochgesteckt worden – etwas, das fast eine Stunde gedauert hatte. So aber fielen mir einzelne Strähnen über die Schultern und rahmten mein Gesicht kunstvoll ein. Dazu noch die schönen Schnürschuhe, leichte Kothurnen mit genagelter Sohle, deren Nagelmuster auf dem Boden ein hübsches Muster ergaben: Auf der einen Sohle stand folge, auf der anderen mir. Immerhin wollte ich ja, dass die Männer, die mir folgten, mich dann auch finden würden. Und die meisten fanden das sehr verführerisch.
So aufgetan schlenderte ich also über das, was sich hier so Markt nannte, und sah mich einmal um, ob hier etwas brauchbares denn unterwegs war. Die meisten Männer waren Arbeiter, einfache Kerle, teils Kelten, die sich sicherlich nicht als neuer Sponsor meines Lebens eignen würden. Nicht, dass das dringend wäre, aber frau hatte ja Stil. Und man konnte nie genug Geld haben. Ich hörte ihre Witze und ihre Versuche, freundlich zu sein, und ging weiter. Ihre Kleidung sprach für sich, auch wenn einige ganz schnuckelig wären.
Ein paar der Stände hatten ganz brauchbare Töpferwaren, und ich entdeckte auch einen Stoffhändler, der zwar leider keine Seide hatte, aber schöne Wolle. Ich schlenderte über den Platz, bis ich hörte, wie eine ältere Frau eine andere anraunzte und in Richtung eines Mannes nicht gerade begeistert schaute. Ich hörte Worte wie “alter Sklavenschinder“ und “Mine“, konnte aber nicht gut genug lauschen, um wirklich mitzukriegen, worüber gesprochen wurde.
Mein Blick wanderte zu dem Mann, der doch von etwas gehobenerem Stand schien. Kein Senator, aber die waren hier auch nicht wirklich anzunehmen, so weit ab von Rom. Städtischer Magistrat vielleicht. Der Tunika nach zu urteilen durchaus wohlhabend. Die Schuhe etwas schmutzig, aber nicht zu sehr, und eindeutig aus gutem Leder, nicht geflickt. Ein möglicher Kandidat also.
Ich schlenderte näher, um herauszufinden, wer er war und ob es sich wirklich lohnte. Ein Mann begleitete ihn, sah grobschlächtig aus und sah sich öfter um. Leibwächter. Noch ein Punkt auf der “Hat Geld und Einfluss“-Skala. Ich setzte ein Lächeln auf und stellte mich in seine Nähe an einen der Stände. Ich wollte erst einmal testen, ob er von sich aus auf mich aufmerksam werden würde, bevor ich die schweren Geschütze auffuhr, um in seine Nähe zu gelangen.
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